Landkreis Ebersberg:Hier fließt das Blut noch

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Corona, Ferien, viele Unwägbarkeiten: Der Bayerische Blutspendedienst schlägt Alarm, weil die Konserven knapp werden. Im Landkreis Ebersberg gibt es freilich auch gute Nachrichten

Von Michaela Pelz, Ebersberg

Im April 2020 wollten so viele Leute Blut spenden, dass sogar die Beutel ausgegangen sind. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Man muss sich nur einmal kurz umschauen und bis drei zählen - eine von diesen Personen am heimischen Frühstückstisch, im Café oder in der S-Bahn, hat in ihrem Leben schon einmal eine Blutkonserve gebraucht oder wird dies noch tun, sagt die Statistik.

Roman Maier aus Steinhöring hat genau diese Erfahrung gemacht. 1985 erlitt der Schmiedemeister einen schweren Verkehrsunfall, bei dem er viel Blut verlor. Drei Monate war er danach in der Klinik. Zwei, drei Jahre später fiel die Entscheidung, selbst Spender zu werden. Bereits 77 Mal hat es der 58-Jährige seitdem getan. Seine Blutgruppe Null negativ gilt dabei als besonders kostbar, weil jeder sie verträgt. Und nicht nur er: Auch seine drei Kinder und zahlreiche Freunde hat der Sensauer angeworben. Mit einer Gruppe von bis zu elf Leuten macht er sich meist auf zum Termin.

Roman Maier war schon 77 Mal beim Spenden. (Foto: privat)

Nur weniger gesellig als früher ist es momentan

Das Einzige, was die Spezln vermissen, ist die Geselligkeit vergangener Tage: "Früher hat man sich anschließend bei Bier, Kaffee oder Cola zusammengesetzt." Heute erhält man am Ausgang eine Tüte mit Giveaways plus Süßigkeiten oder, stark nachgefragten, Nudeln mit Tomatensoße. Fast wie in seiner Kindheit sei das, berichtet schmunzelnd der Leiter der BRK-Bereitschaft Ebersberg Günter Obergrusberger, der mittlerweile auf 46 Jahre Ehrenamt beim Roten Kreuz zurückblickt: "Immer wenn die Mama beim Spenden war, gab's hinterher Mirácoli!"

Patrick Nohe vom Blutspendedienst des Bayerischen Roten Kreuzes (BSD) beziffert den Bedarf in ganz Deutschland auf mehr als 15 000 Konserven pro Tag, in Bayern seien es etwa 2000, also rund 1000 Liter. Allerdings werden diese nur in den beliebten Arztserien in rauen Mengen Opfern von Straßen-, Sport-, Berufs- und Haushaltsunfällen verabreicht. Diese profitieren zwar auch, doch laut BSD kommen Blutkonserven vor allem bei chronischen Erkrankungen zum Einsatz, bei denen die Betroffenen teilweise jahrelang transfundiert werden müssen. Außerdem braucht man bei geplanten Eingriffen einen Vorrat, falls es zu unvorhergesehenen Zwischenfällen kommt.

Magdalena Capelle wirbt inzwischen auch in ihrem Freundeskreis für die Blutspende. (Foto: privat)

Dieser Gesamtbedarf führt im Sommer 2021 deutschlandweit zu Problemen, wobei die Notversorgung stets gewährleistet war und ist. Aktuell finden jedoch (zwar nicht in Ebersberg, aber an anderen Standorten) deutlich mehr Operationen statt als in den Vormonaten. Der BSD führt dies auf pandemiebedingte Verschiebungen zurück - was auch für einen ganz anderen Bereich gilt, dem der potenziellen Spender. Diese nämlich, so die Vermutung, nutzten derzeit jede Gelegenheit für Reisen und Entspannung - so lange dies Witterung und Inzidenzen zuließen. So kommt es zu Schwankungen, die dem Blutspendedienst zu schaffen machten.

Einmal gingen sogar die Blutbeutel aus

Eine "Welle der Solidarität", also die generelle Bereitschaft zu spenden, gab es auch und gerade während der Pandemie - vor allem in Ebersberg. Dort kamen im Jahr 2020 rund 900 der im gesamten Kreisverband gespendeten 1700 Liter Blut zusammen. Obergrusberger erinnert sich: "Beim Termin in der Realschule im April 2020 reichte die Schlange fast hoch bis zu den Supermärkten." Gerechnet hatte man mit 200 Spendern, gekommen waren bald doppelt so viele - doch bei 322 Beuteln waren die Kapazitäten erschöpft. Besonders erfreulich: Mehr als ein Drittel Erstspender waren es damals.

Magdalena Capelle gehörte seinerzeit nicht dazu, die 22-jährige Grafingerin mag keine Nadeln. Doch weil ihr Freund, Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr, und dessen Kumpel schon lange zum Spenden gehen, tat sie es ihnen im Februar 2021 nach. Ihr Freund habe ihr zuvor Tipps gegeben: Viel trinken und genug essen. Das habe geholfen. "Außerdem waren alle sehr, sehr nett und haben meine Angst verstanden. Am Ende war ich echt positiv überrascht: Selbst das Setzen der Nadel war längst nicht so schlimm, wie ich erwartet hatte. Ich habe mich sehr gut aufgehoben gefühlt - die Betreuung hinterher und währenddessen war wahnsinnig angenehm", konstatiert die Jugendleiterin beim Alpenverein, die schon eine Freundin animiert hat, zum nächsten Termin mitzugehen. Nicht nur das Gefühl, bis zu drei Menschen mit ihrer Spende geholfen zu haben, hat sie motiviert, sondern auch der Gedanke, vielleicht selbst einmal in eine Situation zu kommen, in der sie eine Konserve braucht.

Wer spenden möchte, könne das dank der Online-Terminvergabe viel unkomplizierter tun als früher, sagt Obergrusberger, so erspare man sich lange Wartezeiten. Das sehen offenbar viele so, die Anmeldung im Netz werde sehr gut angenommen. Zusätzlich gebe es drei bis vier Plätze pro Zeitslot für die Unangemeldeten, die sich beim Anblick des Banners spontan zum Blutspenden beim BRK entscheiden.

Fünf Prozent der Menschen im Freistaat spenden regelmäßig

Ob online angemeldet oder kurzentschlossen, gespendet wird etwa von gleich vielen Männer wie Frauen, im Schnitt sind sie um die 40 Jahre alt. Das geht aus Daten des Paul-Ehrlich-Institut hervor, wo die Gesamtzahl der Spenden ausgewertet wird. Diese haben sich, betrachtet man die Zahlen bis 2019 (aktuellere Werte liegen noch nicht vor), seit 2000 um rund 14 Prozent verringert. Für rund 75 Prozent des Gesamtvolumens von 3 753 674 Litern ist das Rote Kreuz mit seinen mobilen Stationen verantwortlich, der Rest stammt von Aktionen in anderen Organisationen, an Kliniken oder bei der Bundeswehr.

Noch einmal Nohe: "Circa fünf Prozent der (theoretisch) spendefähigen Bevölkerung im Freistaat sorgen durch ihren Gang zum Aderlass für passenden Nachschub, bundesweit sind es etwa 3,5 Prozent. Weil aber dauernd etwas gebraucht wird, ist das ein Marathon, kein Sprint. Und: Wer in Ebersberg spendet, kann auch jemandem am Tegernsee das Leben retten."

Das Schöne daran: An dieser Übung können alle teilnehmen. Auch wer selbst nicht infrage kommt, ob aus medizinischen oder persönlichen Gründen, kann sich einbringen: Indem er oder sie das eigene Umfeld motiviert, zum Spenden zu gehen. Bei ausgebuchter Terminlage auch mal im Nachbarlandkreis. Als Geschenk an die Mitmenschen oder für den, hoffentlich äußerst unwahrscheinlichen, Fall, dass man selbst zum "Dritten" wird.

Die Blutspendeaktion des Roten Kreuzes Ebersberg findet am Mittwoch und Donnerstag, 25. und 26. August, 15 bis 20 Uhr, beim BRK-Kreisverband, Zur Gass 5, statt. Mitzubringen sind ein amtlicher Lichtbildausweis sowie der Blutspendeausweis (gilt nicht für Erstspender). Es besteht Maskenpflicht.

© SZ vom 24.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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