Mitten in Ebersberg:Grüner Daumen wider Willen

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Ein bepflanzter Balkon macht viel Arbeit - kann aber auch ein großes Glücksgefühl auslösen. (Foto: complize via/imago/Shotshop)

Eine ganz private Erntebilanz zeigt, was so ein Balkon nicht alles hergibt.

Glosse von Merlin Wassermann, Ebersberg

Was man sich nicht alles anhören muss, wenn man eine Gelegenheit ungenutzt verstreichen lässt. Irgendwann im Herbst 2022: "Du kannst auf so einem Balkon doch nicht nichts anpflanzen!" "Also ich hätte ja dasunddasunddasunddas angepflanzt!" "Wie schön das wäre!" "Also nächstes Jahr musst du das unbedingt machen!"

Allzu menschliche Kommentare - und allzu menschlich auch, wenn man klein beigibt. Ein bisschen reizt es einen ja schon auch, eigenes Gemüse - "aber du brauchst doch auch Blumen!" - vor der Nase zu haben. Aber was lässt sich auf einer Nordseite alles anpflanzen? Wird überhaupt etwas wachsen? Und wie viel Erde braucht man?

Die Antwort - zumindest auf die letzte Frage - lautet: viel. Zum Glück gibt es Freunde, die sich nicht nur mit Pflanzen auskennen, sondern auch zwei gesunde Arme zum Tragen haben. "Duuuu, könntest du mir was helfen?" Es ist immer gut, wenn sie ja sagen, bevor sie wissen, worum es geht. Ohne Auto und nur mit der Straßenbahn ist es gar nicht so leicht, mitten im verregneten März 100 Liter Erde zu transportieren. Wille und Wege und so.

Irgendwann ist dann die Erde im Kasten, die Saat - Gurken, Tomaten, Salat, Petersilie, Radieschen, BLUMEN - in der Erde und der Wein in den Bäuchen. Als die ersten Blätter sprießen, ist die Freude groß, als die Tomaten fast sterben, auch die Angst. Im Juli, während man sich ein fast vollständig selbst hergestelltes Sandwich macht, fühlt man sich bereit für den Kollaps der Zivilisation, denn man kann es jetzt ja. Vielleicht ist Gruppenzwang manchmal gar nicht so schlecht: Jaja, ihr hattet recht.

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Mit der Zeit bildet sich ein kleines Biotop heraus, Insekten und Spinnen ermorden sich gegenseitig mit klinischer Präzision, Blätter blühen und verwelken im Zeitraffer und erinnern einen an die Vergänglichkeit und die Wiedergeburt allen Lebens. Und als die Stürme über den Balkon hinwegfegen, macht man sich mehr Sorgen um den Basilikum als über möglicherweise herabfallende Äste.

Doch gewöhnt sich der Mensch an alles, irgendwann lässt man die letzten Salatblätter einfach stehen und lernt, dass auch Salat blüht, wenn man ihm genügend Zeit gibt. Die Radieschen wurden sowieso schon von der kleinen Raupe Nimmersatt vernichtet, die Blumen haben sich größtenteils als Weizen entpuppt, langsam verwildert das Beet so sehr wie der Rest des Balkons. Nebenbei ist der Wasserverbrauch dieses Jahr sicher durch die Decke gegangen.

Und doch: Als man eine der einzigen beiden winzigen, steinharten, stacheligen Gurken pflückt, die man dem Land abgepresst hat, weiß man: nächstes Jahr wieder.

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