Amtsgericht Ebersberg:"Weder therapiefähig, noch therapiewillig"

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Immer wenn der Angeklagte Alkohol getrunken hat, brennen ihm die Sicherungen durch. So schildern es die Zeugen vor Gericht. (Foto: Tobias Hase/dpa)

Wegen zahlreicher Vergehen muss sich ein 54-Jähriger vor Gericht verantworten - von wo aus er direkt wieder zurück ins Gefängnis geschickt wird.

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Dass dem Angeklagten jegliche Einsicht in seine Taten fehlt, spiegelte sich in einem der wenigen Sätze wider, die der Mann vor Gericht von sich gab: "Hat ein Schwarzer nicht das Recht, eine Weiße zu berühren?", fragte er die junge Zeugin, die er vor etwas mehr als einem Jahr in der S-Bahn begrapscht hatte. Es war nur eines von zahlreichen Vergehen, wegen derer sich der 54-Jährige am Dienstagvormittag vor dem Ebersberger Amtsgericht verantworten musste. Dorthin wurde er in Begleitung zweier Polizeibeamter aus der Haftanstalt in Stadelheim eskortiert, die den Mann nach dem Prozess sofort wieder in seine Gefängniszelle zurückbrachten.

Angesichts der Straftaten blieb Richterin Vera Hörauf auch gar nichts anderes übrig, als den Angeklagten direkt wieder zurück in den Knast zu schicken. Das dürfte vor allem in einem Rathaus im mittleren Landkreis Ebersberg für Erleichterung sorgen, hatte man dort in der Vergangenheit doch immer wieder Probleme mit dem obdachlosen Mann. So auch im September vergangenen Jahres, als der betrunkene Angeklagte sich auf dem Pausenhof der örtlichen Grundschule herumgetrieben und Schüler angepöbelt haben soll. Einen Verwaltungsmitarbeiter, der ihn wegschicken wollte, soll der Mann laut Anklageschrift mit den Worten "I kill you" bedroht haben. Dieselbe Aussage soll wenig später in der Obdachlosenunterkunft erneut gefallen sein, als der Rathausmitarbeiter dort nach dem Rechten sehen wollte.

Im örtlichen Supermarkt hat der Mann eine Mitarbeiterin bespuckt

Allerdings scheint der Mann nicht nur mit Vertretern von Behörden seine Probleme zu haben. An einem anderen Tag soll er seinen Mitbewohner mit einem Küchenmesser bedroht und dessen Sachen aus dem Fenster geworfen haben. Auch im örtlichen Supermarkt ist der Angeklagte kein Unbekannter. Trotz Hausverbots soll er dort immer wieder aufgetaucht sein und Kunden sowie Mitarbeiter beleidigt haben. Unschöner Höhepunkt war ein Zwischenfall im Oktober 2021, als er die stellvertretende Filialleiterin zunächst beleidigt und schließlich bespuckt haben soll.

Der Übergriff in der S-Bahn auf dem Weg in Richtung München hat sich laut Anklage ebenfalls im Vorjahr zugetragen. Am frühen Morgen soll sich der Mann einem damals 17-jährigen Mädchen gegenüber gesetzt haben, ehe er plötzlich mit der Hand über ihren Oberschenkel bis hin zum Schambereich streichelte. Laut Staatsanwalt habe er die Geschädigte erst dann in Ruhe gelassen, als sie beim nächstmöglichen Halt aus der S-Bahn stieg.

Den Polizisten streckt er in der Zelle seinen nackten Hintern entgegen

Schließlich bekamen auch noch mehrere Beamte der Polizeidienststelle Ebersberg die Wut des 54-Jährigen zu spüren. Als er nach einer durchzechten Nacht in der Ausnüchterungszelle landete, soll er die Polizisten am nächsten Morgen mit den Worten "Ich bring' euch alle um" begrüßt haben, ehe er sich umdrehte, sein Hinterteil entblößte und es den Beamten durch die Gitterstäbe hindurch entgegenstreckte.

So lange die Liste der Vorwürfe vor Gericht auch war, so wortkarg äußerte sich der Beschuldigte dazu: "Ich sage nichts", lautete sein Kommentar. Dafür hatten die zahlreichen Zeugen umso mehr zu erzählen, allen voran der Rathausmitarbeiter, den der Mann wiederholt beleidigt hatte. Es komme immer wieder zu Zwischenfällen mit dem Angeklagten, vor allem dann, wenn dieser wieder zu viel Alkohol getrunken habe. In der Unterkunft habe ihn der Mann zunächst zum Kampf herausgefordert, ehe er ihn mit einem Regenschirm bedrohte. "Das hatten wir bis dahin noch nie. Das war eine neue Qualität", sagte der Verwaltungsmitarbeiter.

Die Bewährungshelferin sieht keine Anzeichen für eine Verhaltensänderung

Ähnliches hatte die Mitarbeiterin des Supermarktes zu berichten. Zwar sei der Angeklagte immer wieder auffällig gewesen, gespuckt habe er damals aber das erste Mal - "und das in Zeiten von Corona", wie die Frau vor Gericht sagte. Das habe schließlich auch den Ausschlag gegeben, warum sie persönlich Anzeige gegen ihn erstattete. Selbiges tat das junge Mädchen, das der Mann in der S-Bahn begrapscht hatte. Er habe zunächst angefangen, mit ihr zu reden und sie alle möglichen Dinge gefragt. "Es war mir total unangenehm", sagte die heute 19-Jährige in ihrer Vernehmung. Dann habe er ihr ans Knie gefasst und über den Oberschenkel gestreichelt. Sie sei sofort an der nächsten Station ausgestiegen, habe ihre Mutter angerufen und sei mit ihr zur Polizei gefahren.

Auch dort ist der vielfach vorbestrafte Mann schon häufiger vorstellig geworden. Eine der Beamtinnen, die der Angeklagte bedroht und beleidigt hatte, sagte vor Gericht, sie kenne den Mann überhaupt nicht nüchtern. Dass das irgendwann passieren wird, dürfte auch eher unwahrscheinlich sein. Seinen Alkoholentzug habe er bereits nach einem Tag wieder abgebrochen, wie die Bewährungshelferin des Mannes sagte. Eine Verhaltensänderung sei deshalb nicht zu erwarten.

Das sah auch der Staatsanwalt so, der den Angeklagten als "weder therapiefähig, noch therapiewillig" bezeichnete. Dieser Auffassung folgte Richterin Vera Hörauf, die den Mann umgehend zurück ins Gefängnis schickte. Dort wird er nun laut Urteil ein weiteres Jahr und neun Monate bleiben müssen.

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