Neues Kunstrefugium:Pingpong der Rollenbilder

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Höchst aktuell: Diese Gemeinschaftsarbeit von Susanne Weyand und Peter Dubina heißt "24. Februar". (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Geschlachtete Ordensleute und Frauen, die nicht nur Beiwerk sein wollen: Die Ausstellung "wummms 22" von Susanne Weyand und Peter Dubina in Jakobneuharting ist so vielschichtig wie entlarvend.

Von Franziska Langhammer, Frauenneuharting

Corona. Wumms. Ukraine-Krieg. Wumms. Inflation. Wumms. Bei so vielen wuchtigen Ereignissen ist es nicht, wie vom Bundeskanzler ins Gespräch gebracht, mit einem Doppel-Wumms getan. Nein, ein Wummms muss her, mit drei "m". Darin sind sich Susanne Weyand und Peter Dubina einig. Die beiden Künstler kennen sich seit Jahren, haben auch immer wieder Ausstellungen gemeinsam bestritten. Nun ist Dubina zu Gast bei Weyand, die Schau "wummms 22" ist in ihrem nagelneuen Atelier in Jakobneuharting zu bestaunen.

Kommt man aus Grafing, führt eine abschüssige Straße durch das beschauliche Örtchen, und genau in ihrer schärfsten Kurve wartet ein kleiner Laden linkerseits. Die Aufschrift "Schuhhaus Janker" schwingt sich in altmodischen Lettern über den Eingangsbereich, und tritt man hinein, taucht man ein in eine vergangene Welt. Die Wände sind eher niedrig, der Boden ist durchzogen von honigfarbenen Fließen, ein kleiner Ausflug in die späten 70-er. "Mein Wunsch ans Universum hat sich erfüllt", sagt Susanne Weyand und lacht. Die Objektkünstlerin aus Steinhöring hat lange nach einem passenden Atelier und Ausstellungsort gesucht und ist endlich fündig geworden.

Das ehemalige Schuhhaus Janker in Jakobneuharting dient Susanne Weyand neuerdings als Atelier und Ausstellungsort. Nun hat sie ihren Kollegen Peter Dubina eingeladen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das Schuhhaus Janker, so erzählt sie, habe vor 15 Jahren mit dem Tod des Inhabers seine Pforten geschlossen, wurde in der Folgezeit immer wieder als temporäre Bleibe für Geflüchtete genutzt. Zufällig habe sie den jetzigen Eigentümer des Hauses kennengelernt. Seit Anfang des Jahres, nach langer Renovierung, hat Weyand nun ihren Arbeitsort hier eingerichtet und macht ihn mit "wummms 22" an diesem Wochenende zugänglich für Interessierte.

Wer bei dem Ausstellungs-Titel nun monströse, mächtige Arbeiten erwartet, dürfte im ersten Moment überrascht sein. Schon der Blick durch das Schaufenster zeigt detailversessene, filigrane Keramik-Arbeiten Weyands: Wappen aus beinah schwarzem Material, das Herz dieser Schau. Drei Einzelstücke sind durch ihre Hängung besonders hervorgehoben. "Wappen arbeiten oft mit einfachen Symbolen", erklärt Weyand, "Sie dienen eigentlich dazu, Personen Familien zuzuordnen." Dieses patrilineare Muster, das sich vor allem an den männlichen Abkömmlingen einer Familie orientiert, habe sie brechen, quasi matri-linearisieren wollen. Frauen sollten bei der Betrachtung eines Stammbaums nicht nur als Beiwerk gesehen, sondern bei allen Aspekten mit einbezogen werden.

Herz der Ausstellung sind Susanne Weyands Wappentiere. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Besonders schön lässt sich dieses Durchbrechen der traditionellen Form an drei einzeln gehängten Wappen erkennen. Auf den ersten Blick ist es ein Kuhkopf, den man auszumachen scheint, doch dann erkennt man auf den Wappen die fein ausgeformte Gestalt eines Frauenkörpers, versehen mit pointierten Gimmicks - etwa flauschig-pinken Wollknäueln, Pelzstückchen oder Pingpong-Bällen. Ja, wieso eigentlich Pingpong-Bälle? "Beim Pingpong-Spiel weiß man auch nicht, was es wird - oder wie es wird", sagt die Künstlerin. "Nur die Rolle ist von vornherein klar."

Natürlich, wie sollte es anders sein, dürfen bei einer Schau von Susanne Weyand auch die Ohren nicht fehlen. Schon vor zwei Jahren hat sie unter anderem mit einem überdimensionalen Ohr aus Glas den Kunstpreis "Seelen-Art", ausgelobt vom Sozialpsychiatrischen Zentrum des Bezirks Oberbayern in Haar, gewonnen. Und so ist auch eines der Wappen mit dem Hörorgan versetzt. Das Ohr, so findet sie, ist nicht nur zwischenmenschlich ein sehr wichtiges Organ. Durch das Ohr hören wir in etwas hinein, das schon da ist, nehmen nicht nur Gesagtes wahr, sondern auch Schwingungen. Mittlerweile braucht Weyand keine Modelle mehr; es reicht der Kenner-Blick der Künstlerin, wie sie mit Augenzwinkern zugibt: "Ich schau mir jedes Ohr an, das vorbeikommt."

Im ehemaligen Schaufenster sieht man nun keine Schuhe mehr, sondern Ohren aus Glas, befestigt an Stethoskopen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Auch zwei "Mamis to go" finden sich in der Galerie wieder: tönerne Objekte, im unteren Teil der weiblichen Brust angenähert, nach oben hin abgeschlossen in Milchtütenform. "Das Mama-Thema wurde für mich immer wichtiger", erzählt Weyand. Ihre Überlegungen über Gesellschaft und Rollenbilder, Erwartungen und Erfüllungen spiegeln sich in den beiden "Mamis to go" wider, die Entwöhnung und Liebe in einem versprechen.

Während der erste Raum der Galerie sich also eher dem Weiblichen, der Form der Frau verschrieben hat, ist der Blickfang des Hinterzimmers ein in Blaugrün gehaltenes Acrylbild auf Leinwand. Sinnlich, androgyn, weich - aber auch kraftvoll, siegessicher und unbezähmbar: Schwerlich in eine Schublade zu packen ist das Porträt eines Mannes, der mit geschlossenen Augen und aufgeworfenen Lippen ein neues Männerbild zu verkörpern scheint. Routiniert schafft es Peter Dubina, auf dem Gemälde Konträres miteinander zu vereinen. Das Porträt wird flankiert von zwei kleineren Werken: links zwei leicht bekleidete Frauen, die sich den Betrachtern entgegenräkeln, rechts auf einem Holzscheit - das ehemals Teil einer Treppe war, wie Dubina verrät - ein männlicher Akt.

Arbeiten von Peter Dubina (Foto: Peter Hinz-Rosin)

"Alles muss heutzutage glatt sein", erklärt Dubina seine Vorgehensweise: Das Bild von den zwei Frauen beispielsweise ist gemalt, abfotografiert und hinter Acryl gelegt. Das Glatte, Perfektionierte, Unberührbare des Kunstwerks steht in Relation zum Zwang zur Selbstoptimierung, dem jeder, Frau wie Mann, heute ausgesetzt ist.

"Wir wollen aber keine sperrige Kunst machen", sagt Peter Dubina. "Sondern eine, die allen einen Zugang erlaubt." Wie weit der Betrachter in seiner Auseinandersetzung mit dem Objekt gehe, solle dieser selbst bestimmen. "Wir wollen nicht belehrend sein." Auch der Künstler Peter Dubina, der in Pfaffing wohnt und arbeitet, hat mit seinen Werken schon mehrere Preise eingeheimst, etwa den Publikumspreis des Kunstvereins Ebersberg vor einigen Jahren.

Im brutalen Gegensatz zur bunten Welt der Körper stehen die Zeichnungen von Oberhäuptern der Geistlichkeit. Alles ist grau, nur die Ordensleute werden mit porösen Kreidestrichen bis zur Unkenntlichkeit entfremdet. Großflächig wird etwa der Papst von einem Metzger bearbeitet, mit Akribie und auch einer gewissen Hinwendung widmet sich der Fleischer dem Gesicht des Papstes. Im Hintergrund sind Motive aus einer vormals heilen Welt zu erkennen, Büsche, Blumen, Heimeligkeit, abrupt durchbrochen von Motiven aus dem Schlachthaus.

Eine persönliche Auseinandersetzung des Künstlers Peter Dubina mit der Institution Kirche. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Auf einer weiteren Zeichnung stehen Bischöfe und der Papst auf einem klapprigen Hilfsgerüst; alles wackelt, nur noch die Fassade ist erhalten. Über den Menschen, allesamt Männer mit unkenntlich gemachten Gesichtszügen, baumelt alte Wäsche; Strumpfhosen flattern über den Ordensleuten. Eine persönliche Auseinandersetzung des Künstlers Peter Dubina mit der Institution Kirche, die mit der fehlenden Aufarbeitung von Missbrauchsfällen beginnt und mit dem Bezug zu aktuellen Weltereignissen endet. "Diese Verlogenheit ist erschreckend", kommentiert Dubina, auch in Bezug auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, der von der russisch-orthodoxen Kirche in großen Teilen gutgeheißen werde.

In einer weiteren Collage von quadratischen Malereien von Peter Dubina heißt es: Am Anfang war der Fleck. Dann kamen die Körper. Wie eine Spielerei muten die sechs Bleistiftzeichnungen an, in denen sich Gestalten den nachtschwarzen Tusche-Flecken anpassen: Sie biegen sich um sie, werden von ihnen verletzt, begehren auf, lassen Platz. Oder, wie Dubina es formuliert: "Auch die Leerräume müssen gut miteinander funktionieren." Ob hier, auf relativ engem Raum in einem ehemaligen Schuhhaus, die Werke zweier Künstler miteinander funktionieren, sich ergänzen und gegenseitig kontextualisieren, davon soll sich jedoch am besten jeder selbst überzeugen.

Die Ausstellung "wummms 22" von Susanne Weyand und Peter Dubina ist am Samstag, 12. November und Sonntag, 13. November jeweils von 12 bis 17 Uhr zu sehen. Werkstattgalerie von Susanne Weyand, Hauptstraße 19, Jakobneuharting.

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