Ausgezeichnete Pflegekraft:"Ich will einfach Menschen helfen, aber Gott bin ich nicht"

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"Ich versuche, immer 100 Prozent zu geben", sagt Marija Anic-Jadrijevic über sich. Ihr Prüfungsergebnis ist entsprechend ausgefallen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Marija Anic-Jadrijevic ist eine wahre Power-Frau: Die 37-Jährige arbeitet Schicht im Kirchseeoner Seniorenheim, ist Mutter von Zwillingen und hat nebenher ihre Ausbildung mit Bestnote bestanden.

Von Charlotte Haft, Kirchseeon

Es ist "Beauty-Tag" angesagt, Fingernägel werden lackiert, und auch die neueste Schminke kommt zum Einsatz. Von draußen im Garten hört man derweil das Kichern von Seniorinnen und Senioren, die noch nie zuvor Trampolin gesprungen sind und nun das neue Sportgerät unter Aufsicht begutachten. Einige Pflegerinnen bereiten in der Zwischenzeit die nächste Hausarztvisite vor und andere sind dabei, die letzten Vorbereitungen für das Mittagessen zu treffen. Ein gewöhnlicher Mittwochvormittag im Awo-Seniorenzentrum in Kirchseeon. Und mittendrin Marija Anic-Jadrijevic. Ihr Lebenslauf ist nicht ganz so gewöhnlich: Sie hat Maschinenbautechnik gelernt, auf Schiffen gearbeitet, ist Mutter von Zwillingen - und hat jetzt mit der Note 1,0 und Auszeichnung ihre Ausbildung zur generalistischen Pflegefachkraft abgeschlossen. Im Team des Awo-Seniorenheims Kirchseeon ist sie schon lang nicht mehr wegzudenken.

Die 37-jährige gebürtige Kroatin, die 2015 nach Deutschland gekommen ist, arbeitete zunächst bei einer Supermarktkette und jobbte dann während ihrer Elternzeit nebenbei als Hilfskraft im Seniorenheim. 2020 begann sie dort ihre Ausbildung. Ihre Motivation sei sehr groß, erzählt sie. "Mir ist wichtig, dass der Patient oder der Bewohner, um den ich mich kümmere, zufrieden ist und versuche deshalb, immer 100 Prozent zu geben", so Marija Anic-Jadrijevic. Andere hätten sie während der Ausbildung oft für ihre hohe Belastbarkeit und Disziplin bewundert. "Es ist essenziell, sich gut zu organisieren", sagt die 37-jährige, "und ich bin auch der Typ Mensch, der die Aufgaben, die er bekommt, sehr genau und am besten sofort erledigt."

Zum Studium fehlte das Geld

Diese Eigenschaften der passionierten Pflegerin betont auch die in Kirchseeon ansässige, zentrale Praxisleitung des Seniorenheims, Lieselotte Keck-Benz. Die ehemalige Auszubildende sei zielstrebig, strukturiert und gut organisiert und gleichzeitig sehr kollegial und empathisch, sagt Keck-Benz. Sie sei jemand, der immer auch einen Blick für die anderen Auszubildenden im Heim und in der Berufsschule gehabt habe. Das alles mache ihren Beruf für Marija Anic-Jadrijevic zur Bestimmung.

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"Ich bin sehr froh, überhaupt die Möglichkeit bekommen zu haben, in die Schule zu gehen, besonders in meinem Alter. In meiner Heimat gibt es so etwas nicht. Nachdem ich 2005 meine Ausbildung zur Maschinenbautechnikerin absolviert hatte, wollte ich studieren aber mir fehlte es an Geld, weshalb ich das Studium dann abbrechen musste. Und das wars dann eigentlich. Danach gab es keine Möglichkeit mehr, sich weiterzubilden oder eine Umschulung zu machen. Nichts", erzählt sie. Danach hat sie in der Gastronomie und auf Schiffen in verschiedenen Bereichen gearbeitet und nun endlich ihre Passion in der Pflege gefunden. Die Freude, die einem entgegenbracht werde, wenn man den Raum betritt oder die Geschichten, die man von manchen Bewohnerinnen oder Bewohnern über ihr Leben zu hören bekomme, seien einmalig, sagt sie.

Genauso wichtig sei es, neben den ganzen schönen Momenten auch für die Menschen im Pflegeheim da zu sein, wenn sie sich jemandem anvertrauen möchten, um über ihre Sorgen und Probleme, sowie über Trauer und Ängste sprechen zu können. Die Beziehung zwischen Bewohner und Pflegekraft sei eben eine ganz besondere, sagt sie. Manches, was sie im Beruf erlebt, nimmt sie auch selbst emotional mit. Als beispielsweise während ihres Außeneinsatzes im Ebersberger Krankenhaus bei einer dreifachen Mutter Krebs im Endstadion diagnostiziert wurde, konnten sie und die anderen Pflegekräfte die Tränen nicht unterdrücken. "Ich will einfach Menschen helfen, aber Gott bin ich nicht", so die 37-jährige, "und leider gibt es eben Momente, in denen man sich einfach hilflos fühlt."

Zu alledem gilt es trotzdem eine gewisse emotionale Distanz im Beruf zu wahren, um die Waage zwischen Arbeit und Privatem in Ausgleich zu halten. Job bleibt eben Job, und wenn dann die Schicht vorbei ist und man sich auf den Weg nach Hause macht, spielen andere Dinge eine Rolle. Die Zwillinge von Marija Anic-Jadrijevic kommen im Herbst in die Schule, die Betreuung teilt sie sich mit ihrem Partner, der sie auch im Haushalt unterstütze und nebenbei noch gutes Essen auftische, er sei nämlich Koch von Beruf. Und auch Geschwister und Freunde und Freundinnen seien während intensiven Lernzeiten eine große Hilfe gewesen.

Und wenn die Power-Frau dann doch mal frei hat? Dann gehe sie am liebsten in der Natur spazieren, besonders gerne am Heimstettener See mit anschließendem Picknick mit Freunden oder Familie. Da darf dann der selbstgebackene Kuchen - denn Backen ist ihre zweite Leidenschaft - auch nicht fehlen.

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