Sinkende Asylbewerberzahlen:Stopp bei der Planung von Flüchtlingsunterkünften

Lesezeit: 3 min

Ende Gelände heißt es auch in Grafing: Die Unterkunft für Asylbewerber neben dem neuen Bauhof ist erst mal vom Tisch. (Foto: Christian Endt)

Nur Vorhaben, die bereits im Bau sind, sollen noch umgesetzt werden sollen. Das hat die Regierung von Oberbayern jetzt angeordnet.

Von Carolin Fries und Wieland Bögel, Ebersberg

Wenn in gut einem Monat die Traglufthalle in Poing aufgeblasen wird, könnte damit die letzte neue Flüchtlingsunterkunft im Landkreis für längere Zeit fertiggestellt werden. Die Regierung von Oberbayern hat verfügt, dass sämtliche Planungen für neue Unterkünfte auf Eis gelegt werden. Auch soll der Kreis keine Mietverträge mehr für Immobilien abschließen, in denen Asylbewerber wohnen sollen, wie Landratsamtssprecherin Evelyn Schwaiger mitteilt.

Der Planungsstopp gilt für Einrichtungen der Regierung selbst, zum Beispiel in Vaterstetten am Wertstoffhof, aber auch für Projekte des Landkreises, etwa jenes auf dem ehemaligen Bundeswehrgelände in Kirchseeon. Von der Mietsperre betroffen sind private Häuser und Wohnungen genauso wie die geplanten Unterkünfte in Grafing und Moosach. Diese sollten eigentlich von den Kommunen errichtet und dann an den Landkreis vermietet werden.

"Die Vorzeichen können sich schnell wieder ändern"; warnt der Landrat

Bei der Regierung von Oberbayern begründet man die Entscheidung mit den sinkenden Flüchtlingszahlen. Wie Pressesprecher Martin Nell erläutert, solle verhindert werden, "dass wir an Stellen weitermachen, wo man dann gar nichts mehr braucht." Daher habe man die Landkreise angewiesen, "alles, was noch offen ist," vorerst auszusetzen.

"Dass sich die Regierung angesichts der neuen Lage und der immensen Kosten zunächst neu sortieren muss", sei verständlich, so Landrat Robert Niedergesäß (CSU). In den Landratsämtern sei man auch sehr erleichtert, dass derzeit keine neuen Flüchtlinge mehr ankommen, und hoffe, dass dies möglichst lange so bleiben möge. "Andererseits wäre es naiv zu glauben, dass künftig keine Asylbewerber mehr nach Deutschland kommen. Die Vorzeichen können sich sehr schnell wieder ändern", so der Landrat. Und selbst bei weiter niedrigen Zahlen brauche man neue Unterkünfte, schließlich benötige man Ersatz für die beiden maximal auf zwei Jahre konzipierten Traglufthallen.

Insofern, so Niedergesäß, müsse man strukturiert und vorausschauend planen - und dürfe "nicht von einem Schnellschuss in den nächsten Schnellschuss gejagt werden". Er sei nicht bereit, im Notfall wieder die Schulturnhallen zur Verfügung zu stellen und "werde der Staatsregierung dann jeden Platz gegenrechnen, der durch den jetzigen Planungs- und Umsetzungsstopp verhindert wird", kommentiert der Ebersberger Landrat das Vorgehen der Regierung von Oberbayern.

In Grafing werden die Planungen vorerst gestoppt

Auch Grafings Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) ist mit der neuen Situation alles andere als zufrieden. Bislang plante die Stadt, zusammen mit dem neuen Bauhof eine Unterkunft für bis zu 150 Flüchtlinge zu errichten, diese Pläne habe man nun weitgehend gestoppt. Man werde den Bauhof natürlich wie geplant weiter bauen, aber "nicht viel Geld reinstecken" in ein unsicheres Vorhaben. Zwar könne man die Pläne jederzeit wieder aufnehmen, falls die Flüchtlingszahlen erneut steigen, der ursprüngliche Zeitplan, der vorsah, die Unterkunft bis Jahresende bezugsfertig zu machen, sei aber hinfällig.

In Moosach hat die Entscheidung der Regierung ebenfalls Folgen: Der Gemeinderat kam am Montagabend überein, die Planungen für eine Asylunterkunft auf Eis zu legen. Nach dem positiven Bürgerentscheid vom Sonntag für das Ratsbegehren hätte das Gremium eigentlich den Bauauftrag für eine Unterkunft an der Grafinger Straße beschließen wollen. "Wir bekämen aber keine Genehmigung oder einen Mietvertrag", sagte Bürgermeister Eugen Gillhuber (CSU). Der Landrat habe den Bürgermeistern am Montagnachmittag deshalb abgeraten, Geld in die Errichtung von Unterkünften zu investieren.

Umsonst sei der Bürgerentscheid dennoch nicht gewesen: Gillhuber wertet die hohe Wahlbeteiligung von 64 Prozent als Zeichen großer Hilfsbereitschaft - wenngleich er sich ein deutlicheres Ergebnis gewünscht hätte. 53 Prozent der Moosacher hatten für eine zentrale Unterkunft gestimmt, 47 Prozent für eine dezentrale Lösung, wie sie die Initiative Sackmannhaus durchsetzen wollte. Moosachs Zweiter Bürgermeister Willi Mirus (AMB) kann den Genehmigungsstopp für Asylunterkünfte nicht nachvollziehen. Dass die Moosacher Pläne damit zunächst ausgehebelt sind, kommentierte er mit den Worten: "Der Mensch denkt, Gott lenkt." Die Gemeinde habe dem Landkreis helfen wollen, die schwierige Lage zu meistern. Sollte keine Hilfe mehr gebraucht werden, dann akzeptiere man das selbstverständlich.

Wie es mit den Planungen im Landkreis weiter geht, ist nach Aussage von Nell noch völlig unklar. Die Umstände hätten sich "so radikal geändert", dass eine umfassende Überprüfung nötig sei, sagt der Pressesprecher. "Ich verstehe die Kommunen, die gerne Planungssicherheit hätten - die hätten wie auch gerne."

© SZ vom 27.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: