Vor ausverkauftem Haus:Wie aus dem Bilderbuch

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Gleich drei Chöre, Solisten und Orchester gestalten das Konzert des "Singkreises Forstern" in der Anzinger Pfarrkirche. (Foto: Christian Endt)

Eine starke Klangsprache bewegt das Publikum beim Konzert des "Singkreises Forstern" in Anzing. Zu hören gibt es unter anderem eine "Oper, die sich als Messe verkleidet hat".

Von Ulrich Pfaffenberger, Anzing

Von der Geburt bis zum Tod, von der Quelle bis zur Mündung: Bedrich Smetanas "Die Moldau" ist per se zwar keine Kirchenmusik, in ihrer bildhaften Sprache aber wie jedes biblische Gleichnis bestens geeignet, die Vergänglichkeit des Lebens aufzuzeigen. So gesehen war es mehr als legitim, das Konzert in der Anzinger Pfarrkirche Mariä Geburt am Sonntagabend mit diesem Klassiker zu beginnen.

Eingeladen hatte der Singkreis Forstern, dessen Konzertchor gemeinsam mit dem Chor Walpertskirchen und dem Kirchenchor der Münchner Heilig Geist Kirche dann ein zweites klangmächtiges Opus zu Gehör brachte, das ebenfalls jenen Lebenszyklus umfasst, den die christliche Eucharistie formt: die "Cäcilienmesse" von Charles Gounod. In den Nymphenburger Streichersolisten und Bläsern hatte Dirigent Konrad Huber zudem ein pointiertes, fein austariertes Orchester zur Hand - und seinen Münchner Kollegen Stefan Moser und Orgelbauer Korbinian Maier als Organisten.

Dirigent Konrad Huber bietet musikalische Landschaftsmalerei, ohne in Schwelgerei zu verfallen

Eine sanft anrollende Moldau präsentierte das Orchester, das mit kleiner Streicherbesetzung und vollem Bläsersatz präsent war. Dazu Pauke, Becken, Handzimbeln und Harfe - der volle Farbkasten der musikalischen Landschaftsmalerei, aus dem sich Dirigent Huber aufmerksam und ausdrucksstark bediente, ohne in Schwelgerei zu verfallen. Die "Bauernhochzeit" gelang munter und fröhlich, der "Nymphenreigen im Mondschein" anmutig und die Fantasie anregend. Kurzum: Eine Interpretation wie aus dem Bilderbuch.

Was Moldau und Cäcilienmesse verbindet, sind die ausgeprägten Bilder, die sie zeichnen. Unter Kirchenmusikern gilt Gounods Werk als "Oper, die sich als Messe verkleidet hat". Gefühlsstark, mit stillen genauso wie mit herzhaften Passagen bestückt, füllt sie auf Anhieb jeden Kirchenraum mit ihrem Klang - und mit Besuchern, wie die lange Schlange und das "Ausverkauft" in Anzing zeigten. Für Chöre ist sie eine Herausforderung, je größer der zu besingende Kirchenraum ist. Schon beim Gloria ist ganzer Einsatz gefordert, um den kraftvollen Ausdruck der Gottesverehrung zu zeigen. Beim Credo dann geht es in dichter Abfolge durch die Leidensgeschichte Jesu, vom schmerzhaft-erschrockenen "Crucifixus" bis zum, die Himmelsleiter fröhlich erklingenden, "Et Resurrexit" - größtmögliche Anforderung an Stimmvolumen und dynamische Eleganz zugleich, mit zeitweisem Ansingen über tönende Bläser hinweg.

Die Harfe lässt die Melodien fließen - hier die Wellen der Moldau, dort die Herzschläge der Gläubigen

Die vereinten Chöre meistern die Herausforderung mit Leidenschaft und Präzision, halten souverän das Tempo, rufen die Stimmungswechsel punktgenau ab. Ein Opus, das für große Kathedralen geschrieben und selbst dort noch in der Lage ist, das Dach anzuheben, in das Volumen der Anzinger Ortskirche zu übersetzen und dabei den Wohlklang zu wahren - das muss man erst einmal schaffen. Hier haben Dirigent, Chöre und Orchester jedes Lob verdient.

Das gilt auch für die drei Solisten. Sopranistin Lisa Eisenreich überzeugt mit Klarheit und aufrichtiger Zuwendung zur Botschaft ihrer Passagen. Sie verzichtet darauf, "schöne Stellen" zu Glanznummern zu machen, und legt gleichzeitig ganze Konzentration auf die Takte und Töne, die Erde und Himmel verbinden sollen. Sie wird damit zur Konstante, zur Lichtträgerin, vergleichbar mit der nur scheinbar versteckten, in ihrer Präsenz aber unwiderstehlichen Harfenistin, die in beiden Werken die Melodien fließen lässt - hier die Wellen der Moldau, dort die Herzschläge der Gläubigen. Die beiden Sänger, Daniel Bartholdo und Gustavo Castillo Estrada, liefern Emotionen und Präzision auf den Punkt. Gounod hat ihnen Rollen als Wegweiser und Wegbegleiter zugewiesen, die wenig Gelegenheit zum Brillieren geben, aber einen nachdrücklichen Auftrag, nämlich, der Erzählung Halt und Rahmen zu geben. Die Freude daran ist den Sängern anzumerken, wenn sie mit fein dosierter Kraft die Aufmerksamkeit aller auf sich ziehen. Ein klug zusammengestelltes Trio, das sich harmonisch ins Gesamtklangbild fügt.

Organist Stefan Moser schickt den ein oder anderen eisigen Schauer durchs Gotteshaus

Mehr als ein Intermezzo ist die 2. Sinfonie in e-Moll von André Fleury für Solo-Orgel. Das knapp viertelstündige, dreisätzige Opus entstand vor rund 75 Jahren und ist geprägt von einem widerborstigen, aufrührerischen Duktus - "modern" halt, wie man gemeinhin sagt, und damit bestens geeignet, zwischen Moldau und Messe dem Publikum bewusst zu machen, dass wärmende Mäntel nur an jene ausgegeben werden, die sich zwischendurch daran erinnern, dass es draußen kalt und nass ist.

Vielleicht öffnet sich hier auch ein Fenster in der Seele des Komponisten, der kurz nach einem mörderischen Krieg nicht glauben will, dass nun alles wieder gut sein soll. Nicht von ungefähr wird der Tonart e-Moll ein "klagend-trauriger, mystischer Charakter" nachgesagt. Organist Stefan Moser genoss hörbar den leidenschaftlich konzertierten Kontrast, die Grenzen seines Instruments auszuloten und den einen oder anderen eisigen Schauer durchs Gotteshaus zu schicken.

Am Ende stehend-stürmischer Applaus für das Abschiedskonzert vor der Kirchenrenovierung. Verbunden mit der Einladung von Bürgermeisterin Kathrin Alte, gern wiederzukommen, wenn die Kirche in Forstinning zu klein für ein Konzert wäre.

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