Anekdoten aus dem Landkreis Ebersberg:Von Apfelringen, Zehensocken und einem kaputten Feuerwehrauto

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Der Knaller oder ein Flop? An welches Geschenk sie sich besonders erinnern, davon erzählen Menschen aus dem Landkreis Ebersberg. Ein Präsent gab es Jahre später in einer stabileren Neuauflage

Protokolle: Franziska Langhammer

Strahlende Augen unter dem Christbaum, das wünscht man sich doch alle Jahre wieder. Deswegen sollen die Geschenke, ob für Groß oder Klein, auch etwas ganz Besonderes sein. Dass so manches Präsent jedoch nicht den erwünschten Effekt hat, musste wohl jeder schon mal erleben. An welches Geschenk, egal ob selbst bekommen oder an andere verschenkt, erinnern Sie sich noch? Diese Frage haben wir ein paar Landkreis-Bürgern gestellt - und darauf sehr unterhaltsame, aber auch herzerwärmende Antworten bekommen.

Antje Berberich, Leiterin des Stadtarchivs Ebersberg:

Antje Berberich vor einem Gemälde, das kürzlich auftauchte und ihr im Jahr 2020 eine besondere Bescherung bereitet. Gefunden in einem alten Keller zeigt das Ölbild einen ehrwürdigen Herrn, der als Berberichs Großvater identifiziert wurde. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Geschichte dieses besonderen Geschenks begann vor fast zwei Jahrhunderten. Mein Ur-Urgroßvater Rudolf kaufte Mitte des 19. Jahrhunderts eine Mühle in Kronstadt in Siebenbürgen. Sein Sohn, mein Urgroßvater Richard, erweiterte die Mühle durch eine Teigwarenfabrik und eine Bäckerei mit Labor, deren Waren über das Land hinaus Anerkennung fanden. Dessen Sohn wiederum, mein Großvater Alfred, machte daraus ein Industriezentrum.

Im Jahr 1948 wurden die Fabriken und Villen der Großfamilie Seewaldt enteignet. In einem Zimmer bei Freunden fanden meine Eltern Unterschlupf mit uns, ihren zwei Kindern. Alle privaten Wertgegenstände wie Schmuck oder Porzellan mussten an einem sicheren Ort deponiert werden; dazu zählte auch die Ahnengalerie der Familie. Wie sich später herausstellte, lagerten diese Gegenstände Jahrzehnte lang in Kellern und Speichern von Bekannten und Freunden. 1972 konnten wir endlich nach Bayern auswandern, mit vier Koffern. Meine Mutter Rita hatte vergessen, wo sie all unsere Wertgegenstände untergebracht hatte.

Noch mal fast fünfzig Jahre später, im Jahr 2020 nämlich, bekomme ich einen Anruf: In einem Keller in Kronstadt wurde beim Räumen eines Kellerraumes ein Herrenporträt in Öl in einem zerbrochenen Goldrahmen gefunden, versteckt hinter einem alten Schrank. Auf dem Gemälde ist auch ein historisches Gebäude zu sehen, auf dem "Mühle Alfred Seewaldt" geschrieben steht. Der ehrwürdige Herr konnte somit als mein Großvater identifiziert werden. Per Transportlieferung wurden Enkelin und Opa schließlich wieder zusammengeführt. Wahrlich die schönste pandemische Bescherung zu Heiligabend.

Sonja Ziegltrum-Teubner, Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses Ebersberg:

Sonja Ziegltrum, Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses Ebersberg. (Foto: privat)

Ich erinnere mich an ein sehr persönliches Geschenk, das mir Freunde in meiner Jugend gemacht haben. Da ich einige sehr musikaffine Freund hatte, die Musik auch dann zum Teil zu ihrem Beruf gemacht haben, habe ich damals zu einem Fest ein selbst geschriebenes, sehr persönliches Lied bekommen. Das haben sie live gesungen und mit Instrumenten begleitet - und mir zur Erinnerung auf Kassette aufgenommen. Das ist jetzt 30 Jahre her, aber die Musikkassette besitze ich heute noch. Deshalb muss ich selbstverständlich den letzten verbliebenen Ghettoblaster im Haushalt, der noch ein Kassettenlaufwerk hat, aufbewahren. Und es ist wahrscheinlich das einzig Geschenk, an das ich mich nach so langer Zeit noch gut erinnere.

Jutta Löbert, Ernährungsexpertin aus Vaterstetten:

Mein unterirdischstes Geschenk war vor zig Jahren ein Paar bunter Socken mit angestrickten Zehen. Ich war damals im zarten Teenager-Alter, und meine liebe Tante wollte mir ein besonders hippes Geschenk machen. Beim Versuch, die Strümpfe anzuziehen, steckte ich schließlich dermaßen mit meinem Fuß inklusive Zehen fest, dass ich mit Hilfe meiner Mama wieder "befreit" werden musste. Vorteil dieses Geschenks: Wir hatten ziemlich viel zu lachen.

Bernhard Winter, Initiator der "Sonntagsbegegnungen":

Bernhard Winter, Initiator der "Sonntagsbegegnungen". (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ich schenke gern. Nicht Geld, nicht Gutscheine, nicht Geistiges: Sachen zum Anfassen. Sachen für die Sinne. Am liebsten Sachen, die mir gerade selbst viel bedeuten. Im vergangenen Jahr waren es Farben.

Ich kaufe gern Geschenke. Am liebsten da, wo ich beim Einkaufen Händlern und anderen Menschen begegne, die ich kenne. In unserer Ortsmitte. Wenn ich im Advent durch Markt Schwaben schlendere, dann mit besonders wachem Blick: Wo wartet es auf mich?

Und ich mag Überraschungen. Am liebsten die, die Augen zum Staunen und Leuchten bringen. Meine eigenen und die Augen anderer. Mit Hilfe der Queen und 30 Farbplättchen ist das letztes Weihnachten gelungen: Beim Suchen und Stöbern in einem Wohnwerk bleibt mein Blick an einem langen Stoffband hängen: Alle Farben der Welt, aufgereiht von schneeweiß und dunkelbeige über pfirsichgelb und karminrot bis zu türkis und mitternachtsblau. Wunderschön, nicht nur zum Schauen, ich kann beim Darüberstreichen die Farben fühlen, riechen, sogar hören. Aber: Das Band ist nicht zum Verkauf - es dient als Muster für Kunden, die sich ihr Zuhause einrichten wollen. Die hilfsbereite Ladenangestellte muss "geht nicht" sagen. Am nächsten Tag meldet sich die Chefin bei mir: "Es geht", ich bekomme das sinnenfrohe Stoff-Farbband einfach geschenkt.

Ja, und ich habe es an Weihnachten weitergeschenkt. Zusammen mit einem kleinen Bildband aus dem benachbarten Buchladen über "Die Farben der Queen", in dem mit prächtigen Fotos erklärt wird, warum Königin Elisabeth II. beim Besuch der Chinesischen Mauer dunkelviolett gekleidet ist - und welche Brosche sie zu ihrem vergissmeinnichtfarbenen Kleid trägt, um Donald Trump zu ärgern.

Natalja Herdt, Künstlerin aus Poing:

Natalja Herdt, Künstlerin aus Poing. (Foto: Christian Endt)

Als ich etwa 14 Jahre alt war, schenkte mir meine Oma eine Wolldecke zum Geburtstag. Über so ein praktisches Geschenk konnte ich mich nicht freuen, denn ich schlief ja bereits unter einer warmen Decke. Als ich mit 17 aus Sibirien mit meiner Familie nach Deutschland auswanderte, nahm meine Mama das Geschenk mit und gab es an mich weiter, als ich in die erste eigene Wohnung zog. Nun sind seit dem viele Jahre vergangen. Meine Oma weilt schon länger nicht mehr unter uns, aber unter ihrer Wolldecke schlafe ich nach wie vor. Ihr Geschenk ist zu einem wärmenden Schutz mit Geschichte und vielen Erinnerungen geworden. Und dieser reicht nicht nur für mich allein.

Gereon Vogel-Sedlmayr, evangelischer Pfarrer für Vaterstetten und Grasbrunn:

Gereon Vogel-Sedlmayr, evangelischer Pfarrer für Vaterstetten und Grasbrunn. Screenshot: Youtube (Foto: Screenshot: Youtube)

Meinem Neffen und Patenkind habe ich einmal ein Feuerwehrauto geschenkt. Das sah super aus und hatte eine Fernsteuerung - nur war es leider nicht von Dauer. Mein Neffe war im ersten Moment begeistert, aber das Auto hielt keine Stunde. Das Kind war so frustriert und wütend, wie kleine Kinder das können, was die Feier der Familie meines Bruders in Mitleidenschaft zog. Der ganze Heiligabend war vermiest. Die Geschichte kam über zwanzig Jahre später wieder heraus. Als nämlich der Neffe Patenonkel meines Sohns wurde, schenkte er ihm ein Feuerwehrauto aus massivem Holz - so solide, dass es einen Atombombenangriff aushalten würde.

Brigitte Binder, Vorsitzende des Tourismusvereins Grafing:

Brigitte Binder, Vorsitzende des Tourismusvereins Grafing. (Foto: Christian Endt)

1993 im Oktober haben mein Mann und ich uns in Grafing ein altes Haus gekauft. Die Umbaukosten stiegen ins Uferlose, und jeden Tag gab es neue Rückschlage und neuen Ärger. Wir hatten uns entschlossen, nur unsere Tochter an Weihnachten zu beschenken. Für uns selber fehlte es uns an Ruhe und Zeit, ein geeignetes Geschenk zu finden. Am Heiligabend - mein Mann war schon zur Arbeit gefahren - fand ich beim Aufbetten unter meinem Kopfkissen einen Zettel. Mein Mann, der eigentlich sonst wenig romantisch war, hatte mir ein Gedicht geschrieben und ein Herz dazu gemalt. Sechs holprige Zeilen voller Liebe und Dankbarkeit darüber, wie glücklich er war, gemeinsam mit mir durchs Leben gehen zu dürfen. Das war und ist bis heute mein wertvollstes und schönstes Weihnachtsgeschenk.

Hans Gröbmayr, ehemaliger Ebersberger Klimaschutzmanager:

In meinem Umfeld ist niemand "reich", aber nach meinem Verständnis geht es allen so gut, dass ich keinem was schenken muss, das er nicht braucht oder nicht mag. Trotzdem werde ich heuer was verschenken. Mir ist bei einem Spaziergang ein Apfelbaum aufgefallen, bei dem unglaublich viele Äpfel am Boden lagen und schon zu faulen begannen. Nach Rücksprache mit dem Besitzer durfte ich diese Äpfel aufklauben und zum Entsaften bringen. Von diesem Saft bekommen alle mir nahestehenden Menschen einen Zehn-Liter-Karton.

Dazu habe ich noch ein einige Hundert Äpfel zu Apfelringen aufgeschnitten und getrocknet. Da gibts zum Saft ein paar dazu. Ansonsten schenke ich das was mir am wichtigsten ist: gemeinsame Zeit. Und wenn mir gerade danach ist, kompensiere ich noch unseren CO₂-Ausstoß durch den Kauf von Pflänzlingen.

© SZ vom 24.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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