Amtsgericht:Prozess in Ebersberg: Bub wird jahrelang von Vater misshandelt

Lesezeit: 3 min

Ein 43-Jähriger muss sich wegen mehr als 70 Vergehen vor dem Ebersberger Amtsgericht verantworten.

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Die Auslöser waren zumeist recht banal, die Reaktionen darauf umso heftiger: Mal waren es zu langsam erledigte Hausaufgaben, mal ein nicht aufgegessenes Essen oder gar nur eine vergessene Toilettenspülung, die einen Vater dazu veranlasst haben, seinen eigenen Sohn über Jahre hinweg immer wieder körperlich zu misshandeln. Nun musste sich der 43-Jährige wegen mehr als 70 solcher Vergehen vor dem Ebersberger Amtsgericht verantworten. Nur seine späte Einsicht rettete ihn vor dem Gang ins Gefängnis.

Die zahlreichen Vorwürfe, die die Staatsanwältin am Mittwochvormittag im Rahmen ihrer Anklageverlesung vorgetragen hatte, wogen schwer. Drei Jahre lang hat der Angeklagte von 2014 bis 2017 zusammen mit seinem Sohn in einer Wohnung im westlichen Landkreis Ebersberg gelebt. In diesem Zeitraum - der Bub war damals zwischen acht und elf Jahre alt - soll es immer wieder zu schweren Übergriffen gekommen sein.

Auf einige davon ging die Staatsanwältin näher ein. So habe der Mann seinen Sohn in einem Fall mehrfach mit einer Holzlatte geschlagen, weil dieser die Hausaufgaben nicht habe lösen können. Auch mit einem Gürtel soll der Vater auf das Kind losgegangen sein. Ebenfalls ein Streit über die Hausaufgaben sei der Grund dafür gewesen, warum der Angeklagte den Kopf seines Sohnes gegen eine Tafel geschlagen haben soll. In einem Fall habe der Mann das Kind gar in die Toilettenschüssel gedrückt und die Spülung betätigt.

Neben diesen körperlichen Übergriffen sei es aber auch immer wieder zu Fällen von psychischer Nötigung gekommen. So habe der Angeklagte das Kind oft stundenlang in dessen Zimmer eingesperrt und ihm das Essen verweigert. Ein andermal hingegen habe er seinen Sohn gezwungen einen Teller mit gekochten Karotten zu essen - so lange, bis dieser erbrechen musste. Zudem, so die Staatsanwältin, habe der Mann dem Kind gedroht, es müsse seine eigenen Fäkalien essen, sollte es nochmal die Toilettenspülung nicht richtig betätigen.

Konfrontiert mit diesen Vorwürfen, wollte sich der 43-jährige Angeklagte zunächst nicht äußern. Nach einem Rechtsgespräch zwischen den Schöffenrichtern um Vorsitzenden Markus Nikol sowie Staatsanwaltschaft und Verteidiger räumte der Mann den Sachverhalt aber vollumfänglich ein. Zwar machte er selbst keine Angaben, ließ durch seinen Verteidiger allerdings eine Stellungnahme verlesen.

Darin führte der Angeklagte aus, er habe seinen Sohn und seine drei weiteren Kinder zu "vernünftigen und selbstbewussten Menschen" erziehen wollen. "Dabei habe ich Grenzen überschritten. Ich bedauere das zutiefst", ließ sich der Mann zitieren, der sich in dem Schreiben auch an einer Rechtfertigung versuchte, warum er seinen Sohn besonders hart angepackt hat: Im arabischen Kulturkreis werde erwartet, dass der älteste Sohn Verantwortung für die Familie übernehme. Darauf, so der Mann, habe er ihn vorbereiten wollen. Jedoch musste sich der Angeklagte auch selbst eingestehen: "Ich habe bei der Erziehung versagt."

Diese soll nach den Ausführungen des Vaters allerdings auch nicht immer ganz einfach gewesen sein. So sei bei seinem Sohn vor Jahren eine psychische Störung diagnostiziert worden sein, was vor allem zu Problemen in der Schule geführt habe. Dort habe der Bub unter anderem ein Mädchen mit einem Stift angegriffen. Er selbst habe sich zum Zeitpunkt der Taten in einer privaten und beruflichen Stresssituation befunden und verstärkt Alkohol konsumiert. All das solle die Vorkommnisse natürlich nicht verharmlosen. "Ich entschuldige und schäme mich dafür", so der Angeklagte.

Inzwischen hat der 43-Jährige auch wieder regelmäßig Kontakt zu seinem Sohn, der bei seiner Stiefmutter lebt. Nachdem dem Angeklagten zwischenzeitlich das Sorgerecht entzogen worden war, kümmern sich er und seine Ex-Frau mittlerweile wieder zusammen um die Kinder. Auch den Alkoholkonsum habe er inzwischen deutlich reduziert.

Das, und die Tatsache, dass er nicht vorbestraft ist, werteten sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung zugunsten des Mannes. Der Angeklagte habe sein falsches Verhalten eingesehen und sich reuig gezeigt. Außerdem lägen die Taten schon längere Zeit zurück, so die Staatsanwältin. Dennoch habe der Mann ein "gewisses unmenschliches Verhalten gegenüber seinem Sohn" gezeigt. Es sei jedoch davon auszugehen, dass sich solche Taten nicht wiederholen.

Dieser Einschätzung folgte auch das Gericht um Vorsitzenden Markus Nikol, das den Mann zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilte. Nur aufgrund des Geständnisses sei hier von einer Gefängnisstrafe abzusehen, machte der Richter deutlich. Außerdem muss der Mann während der vierjährigen Dauer seiner Bewährung monatlich jeweils 150 Euro an den Kinderschutzbund Ebersberg sowie an seinen Sohn zahlen.

© SZ vom 05.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Amtsgericht Ebersberg
:Paket verschwunden - Paketbote angezeigt

Die Lieferung bleibt verloren, der Streit landet vor dem Ebersberger Amtsgericht.

Von Andreas Junkmann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: