Amtsgericht Ebersberg:Schlag statt Salär

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Wegen des versuchten Überfalls auf einen Taxifahrer muss sich ein junger Mann in Ebersberg vor Gericht verantworten

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Es war eine Szene, wie aus einem Vorabendkrimi: Erst lotste er das Taxi in eine Nebenstraße, dann griff er nach dem Geldbeutel des Fahrers und schlug ihn mit dem Ellenbogen in die Rippen, als der das Geld nicht hergeben wollte. Erst als der Taxler die Alarmanlage einschaltete, floh der junge Mann ohne Beute. Bereits zwei Tage zuvor hatte er sich ebenfalls mit dem Taxi in die Nähe seines Wohnortes im westlichen Landkreis Ebersberg fahren lassen und den Fahrer um sein Geld geprellt, der damals 18-Jährige war ohne zu zahlen davongerannt. Wegen Betruges, versuchten Raubes und vorsätzlicher Körperverletzung musste er sich nun vor dem Schöffengericht in Ebersberg verantworten.

Dass er den einen Taxler um seinen Lohn geprellt hat und den anderen sogar berauben wollte, räumte der Angeklagte weitgehend ein. Allerdings könne er sich nicht mehr so genau an die Taten erinnern. Das liege an seinem damals einigermaßen exzessiven Missbrauch von Beruhigungsmitteln. Nach eigenen Angaben habe er bis vor einem Jahr, als sich die Taten ereigneten, täglich bis zu acht Tabletten mit Benzodiazepin-haltigen Medikamenten eingenommen.

Auch wenn er sich nachträglich nicht mehr erinnern konnte, scheint der Angeklagte auch im Rausch durchaus noch einigermaßen planvoll gehandelt zu haben. So zeigte er dem ersten Taxifahrer, der Zweifel an der Zahlungsfähigkeit seines Kunden hatte, ein paar Geldscheine, um dessen Zweifel zu zerstreuen. Am Ziel angekommen, stieg er aus und bat den Fahrer um Feuer, als der sich kurz abwandte, ergriff er die Flucht - Schadenshöhe 29,70 Euro. Die Adresse, an der er sich absetzen ließ, lag zwar in der Nähe aber nicht direkt am Wohnort des Angeklagten. Er gehe davon aus, dass er von Anfang an vorgehabt habe, sich ohne zu zahlen aus dem Staub zu machen, sagte der Angeklagte.

Beim zweiten Vorfall zwei Tage später, nannte er dem Fahrer keine genaue Adresse, sondern sagte ihm "nur da rechts und da links", wie der Geschädigte vor Gericht aussagte. Irgendwann sei man in einer Sackgasse gestanden, wo der Angeklagte dann den Griff nach der Geldbörse und den Schlag gegen die Rippen des Fahrers ausführte. Etwa zwei Wochen danach habe er noch Schmerzen gehabt, so der Zeuge, und seitdem habe er auch öfter ein mulmiges Gefühl bei der Arbeit.

Den Zustand des Angeklagten schilderte der Zeuge als ungewöhnlich ruhig, er habe kaum geredet, bis auf die Navigationsanweisungen. Eine weitere Zeugin, welcher der Angeklagte offenbar auf seiner Flucht nach dem gescheiterten Überfall begegnet war, schilderte seinen Zustand als "deplatziert" und offenbar unter Drogen stehend. Der junge Mann habe um Geld gebeten und eine Geschichte erzählt, dass er überfallen und beraubt worden sei. Tatsächlich hatte er zu der Zeit auffällige Verletzungen im Gesicht, die laut der Zeugin aber schon ein paar Tage alt aussahen.

Diese Verletzungen hatten auch die beiden Taxifahrer bei der Polizei als besondere Merkmale des Angeklagten angegeben. Außerdem hatte eine Polizistin schnell den Verdacht, dass es sich bei der von den Zeugen beschriebenen Person um den nun Angeklagten handelt - sie hatte nämlich gegen den jungen Mann bereits wegen Ladendiebstahls ermittelt.

Seit gut drei Jahren habe er ernsthafte Drogenprobleme, sagte der junge Mann. Zweimal ist er wegen Drogenbesitzes oder -handel vorbestraft, einmal wegen Diebstahl. Allerdings, so attestierte es ihm die Jugendgerichtshilfe, sei er inzwischen auf einem guten Weg. Er sei von seinem alkoholsüchtigen Vater zur Mutter gezogen, die ihm offenbar weniger durchgehen lässt. Mit den Beruhigungsmitteln habe er aufgehört, allerdings nicht mit dem Trinken. Aber er wolle eine Therapie machen, versicherte der Angeklagte und habe dazu auch bereits Kontakt mit der Suchtberatung aufgenommen. Außerdem habe er eine Ausbildung begonnen.

Dies alles wertete das Gericht zugunsten des Angeklagten, der sich außerdem bei den Geschädigten entschuldigt und den Fahrpreis plus Schmerzensgeld erstattet hat. Ein Urteil verhängte Richter Markus Nikol nicht, ob das passiert, hängt davon ab, wie er sich die kommenden beiden Jahre benimmt. In dieser Zeit muss er eine Suchttherapie absolvieren und dies dem Gericht alle drei Monate nachweisen: "Wir haben Vertrauen in Sie gesetzt, sollten Sie es enttäuschen, wird es eine Jugendstrafe geben."

© SZ vom 25.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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