Amtsgericht Ebersberg:Beule mit Folgen

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Ebersberger Gericht muss klären, wie sich ein Einjähriger den Kopf angestoßen hat

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Kindesmisshandlung ist ein durchaus ernster Vorwurf, genau wie häusliche Gewalt. Wegen beidem musste sich nun ein 37-Jähriger vor dem Ebersberger Amtsgericht verantworten. Vorgeworfen wurde ihm, bei einem Streit sowohl seinen damals knapp einjährigen Sohn als auch seine Noch-Ehefrau verletzt zu haben. Die Beweisaufnahme gestaltete sich indes nicht ganz einfach, was nicht nur an der Sprachbarriere lag.

Der Angeklagte ist Mitarbeiter eines Konsulates in München. Er selbst spricht fließend Deutsch, seine Noch-Ehefrau - die Scheidung ist laut dem Angeklagten nahezu durch - und deren Mutter dagegen so gut wie gar nicht. Dies war offenbar auch der Grund dafür, dass in der Anklageschrift von Schlägen gegen die Ehefrau die Rede war. Selbst das vermeintliche Opfer sagte aus, ihr Mann habe sie an dem fraglichen Abend nicht geschlagen, lediglich zur Seite geschubst. Dies bestätigte auch die Schwiegermutter des Angeklagten.

Auch eine Polizistin, die wegen der angeblichen häuslichen Gewalt in die Wohnung im nördlichen Landkreis Ebersberg gerufen wurde, sagte vor Gericht aus, dass an dem betreffenden Abend nicht von Schlägen die Rede war. Zwar habe man sich eher "mit Händen und Füßen" verständigt, so die Zeugin, aber es sei eindeutig um Schubsereien zwischen den Eheleuten gegangen. Den Angeklagten konnten die Beamten vor Ort nicht befragen, er hatte die Wohnung da schon verlassen. Die Schläge finden sich erst in einem späteren Dokument, das mit Hilfe eines Dolmetschers angefertigt wurde. Allerdings eines, wie die Schwiegermutter aussagte, der einen komplett anderen Dialekt spreche als sie und ihre Tochter. Vermutlich habe er darum "Schubsen" mit "Schlagen" übersetzt.

Dass der Angeklagte seinen kleinen Sohn verletzt habe, sei aber richtig, sagte die Schwiegermutter aus. Sie habe den weinenden Enkel - er bekam damals gerade Zähne - zu seinem Vater gebracht, der sich in einem Nebenzimmer auf dem Sofa ausruhte. Weswegen er auch keine Lust dazu hatte, sich mit dem Kind zu beschäftigen, sagte dessen Großmutter. Sie habe den Kleinen dann trotzdem dem Vater auf den Arm gegeben. Der habe aber den Sohn dann mit Schwung auf den Boden gesetzt, dabei sei das Kind mit dem Kopf gegen einen Tisch gestoßen und habe sich eine schmerzhafte Beule zugezogen.

Dass er in dem Nebenzimmer auf der Couch gelegen habe, bestätigte der Angeklagte, genau wie, dass die Schwiegermutter mit dem Kind hereingekommen sei. Er habe den Sohn aber gar nicht auf den Arm genommen, sondern der Mutter seiner Frau gesagt, sie solle das Kind nicht in das Zimmer bringen. Dies, weil dort viele Möbel herumstanden, unter anderem auch mitten im Raum der fragliche Tisch. Die Oma habe den Enkel aber einfach abgestellt, obwohl der damals noch gar nicht richtig laufen konnte. Das Kind sei dann auch prompt hingefallen und habe sich an der Tischplatte gestoßen.

Die Vorwürfe der Schwiegermutter seien gelogen und dienten nur dem Ziel, sich an ihm zu rächen, wohl im Zuge des Scheidungsverfahrens. Er habe über das Jugendamt regelmäßig Umgang mit dem Sohn, die beiden hätten ein sehr gutes Verhältnis und er würde ihn nie verletzen, beteuerte der Angeklagte. Außerdem, so der Angeklagte, gebe es noch weitere Versionen der Geschichte. Zunächst habe seine Noch-Schwiegermutter nämlich gesagt, er habe den Sohn weggeschubst, so dass der gegen den Tisch gestolpert sei.

Welche Version der Ereignisse zutreffend war, konnte das Gericht nicht mit letzter Sicherheit klären. Denn die Mutter des Kindes sagte vor Gericht, dass sie den eigentlichen Vorfall nicht beobachtet habe. Sie sei erst dazugekommen, als der Sohn laut geweint habe und sah die Beule am Kopf. Sie habe ihren Mann zur Rede gestellt, und das auch lautstark, schließlich hätte sich das Kind ja durch den Stoß gegen den Tisch ernsthaft verletzen können. Zumindest dies war nachweislich nicht der Fall, die gerufenen Sanitäter bestätigten zwar die Beule, konnten diese aber ambulant behandeln, ein Krankenhausaufenthalt des Jungen war nicht nötig.

Angesichts dieser Sachlage plädierte der Staatsanwalt auf Freispruch. Die Schläge gegen die Ehefrau hätten sich nicht bestätigt, im schlimmsten Fall sei dem Vater eine Fahrlässigkeit anzulasten. Aber auch dies sei angesichts der Zeugenaussagen nicht zu belegen, es gelte: Im Zweifel für den Angeklagten. Dem schloss sich das Gericht an.

© SZ vom 23.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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