Diskussion:Falsches Vorbild

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Geht es um den Nahostkonflikt, gab es in München in jüngster Zeit öfter mal Streit. Eine Lösungsvorschlag aus Hannover hilft jedoch auch nicht weiter

Von Jakob Wetzel

Da sitzen sie, und die Erwartungen sind groß. Können diese beiden Männer ein Vorbild für München sein? Michael Fürst und Yazid Shammout wollen am Montagabend im Gasteig erklären, wie sie miteinander auskommen, obwohl der eine Jude ist, der andere Palästinenser. Fürst leitet den Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Niedersachsen, Shammout den Verein "Palästinensische Gemeinde Deutschland - Hannover". Die zwei pflegen engen Kontakt, sie sind Freunde. Jetzt wollen sie den Münchnern zeigen, wie man ins Gespräch kommt. Aber kann das funktionieren?

Eingeladen haben die Jüdisch-Palästinensische Dialoggruppe München, die Petra-Kelly-Stiftung und die Evangelische Stadtakademie. Etwa 200 Zuhörer sind gekommen, der Saal, die Black Box, ist gut gefüllt. Denn um den Dialog in München ist es vermeintlich schlecht bestellt. Mehrere Veranstaltungen zum Nahostkonflikt wurden zuletzt abgesagt, als Vorwürfe laut wurden, die "Grenze zwischen Israelkritik und Antisemitismus" werde überschritten, so formulierte es einmal Kulturreferent Hans-Georg Küppers. Die Stadt könne nun von Hannover lernen, sagt Judith Bernstein von der Jüdisch-Palästinensischen Dialoggruppe zur Begrüßung. "Wenn es schon in München nicht gelingt, sich zuzuhören und zu respektieren, wie soll es dann in Israel gelingen?"

Doch ob das Rezept aus Hannover für München taugt? Die Niedersachsen erzählen, wie sie sich kennengelernt haben, was sie erlebt haben und welchen Vorurteilen sie in ihren Gemeinden begegnen. Über den Nahostkonflikt dagegen sprechen sie kaum. Das ist kein Zufall: Fürst ist ein erklärter Freund Israels, Shammouts Verein dagegen warf Israel während der Bombenangriffe auf Gaza 2014 Kriegsverbrechen vor und klagte, die Bundesregierung wage keine Kritik, um sich nicht dem Vorwurf von Antisemitismus auszusetzen. Potenzial für Streit gäbe es also reichlich. Doch der Nahe Osten bleibt außen vor. Man nehme Rücksicht aufeinander und versuche, sich nicht gegenseitig vor den Kopf zu stoßen, sagt dazu Michael Fürst. Ob die Palästinenser Geflohene seien oder Vertriebene? Da dürfe jeder seine Sicht behalten. "Ich will doch Yazid nicht seine Empfindungen nehmen." Man müsse die Meinung des anderen aushalten, ergänzt Shammout. "Wir lassen uns die Luft zum Atmen."

Doch ist das gangbar für München? Hier gibt es keine zwei Gemeinden, die sich auf anderer Ebene einander annähern könnten. Vielmehr arbeiten sich hier mehrere Vereine gezielt am Nahostkonflikt ab. Worüber wollten diese diskutieren, zum Beispiel mit der Israelitischen Kultusgemeinde, wenn nicht über Politik?

Und so trifft die Lösung nicht den Geschmack mehrerer Zuhörer. Ob die zwei Herren nicht Einfluss nehmen könnten auf die israelische Regierung, wollen mehrere Fragesteller wissen. Einer würde gerne nicht näher benannte Kinder aus israelischen Gefängnissen befreien. Ein anderer versteigt sich dazu, die Palästinenser müssten die deutschen Verbrechen ausbaden, da hätten die deutschen Juden doch Verantwortung für Israel. Nein, man habe keinen Einfluss auf die israelische Regierung, antwortet Fürst. Und er wolle sich nicht anmaßen, den Israelis zu erzählen, wie sie für ihre Sicherheit zu sorgen hätten. Aus dem Publikum ist an dieser Stelle Murren zu hören. "Wollen Sie denn gar keine gemeinsame Position zu Israel erarbeiten", fragt am Ende Jutta Höcht-Stöhr, Leiterin der Evangelischen Stadtakademie. Doch, grundsätzlich schon, antworten die zwei: Man stimme überein, dass es zwei Staaten und Frieden geben müsse. Über Fragen wie den Status von Jerusalem dagegen "könnten wir uns die Köpfe einschlagen", sagt Fürst. "Aber das entscheiden nicht wir. Also schlagen wir uns auch nicht die Köpfe ein." Der Nahostkonflikt sei nicht ihr Kernthema. Genau das ist der Unterschied zwischen Hannover und München.

© SZ vom 25.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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