Die Seen der Münchner (3):Abtauchen aus der Mietskaserne

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Am Fasaneriesee scheiden sich die Geister. Die einen verklären ihn als perfekte Badeoase. Die anderen sehen in ihm nichts als einen Entendreck verseuchten Tümpel.

Birgit Lutz-Temsch

Die Wahrheit liegt, wie so oft, auch hier dazwischen - es kommt nur auf den richtigen Blickwinkel an. Wer seine Augen nach Südosten wendet, der sieht tatsächlich über den Wipfeln der rund um den See wachsenden Bäume einige Hochhäuser emporragen, die einen nicht vergessen lassen, dass man sich hier trotz Wassergeplätscher immer noch in einer Stadt und nicht auf dem Land befindet.

(Foto: Foto: Hess)

Für manche mag aber gerade das seinen Reiz haben - und wem es nicht gefällt, der kann seinen Blick einfach mehr gen Norden richten. Zwar ist auch dort zwangsläufig kein Alpenpanorama zu entdecken, aber die Augen gleiten über nichts als Natur: den See, die hoch gewachsenen Bäume und quakende Enten.

Doch gerade die kleinen Watscheltiere sind ein weiterer Grund für manche, den Fasaneriesee zu meiden. Denn auch wenn das Beobachten der friedlich vor sich hin gründelnden Enten geradezu meditativen Charakter haben kann, so haben sie doch ganz natürliche Bedürfnisse. Deswegen hinterlassen sie Spuren, und an manchen Stellen des Sees so viel davon, dass das Badevergnügen so natürlich wird, dass man hinterher seine Füße erstmal von grünlichem Entendreck säubern muss. Und so viel Natur ist vielen Badefreunden dann auch wieder nicht recht.

An der Entenplage allerdings sind die Menschen selbst schuld: Auf etlichen Schildern, die die Stadt aufgestellt hat, wird darauf hingewiesen, dass man die Enten nicht füttern sollte. Denn durch die steigende Belastung des Wassers vermehren sich schließlich auch die wuchernden Algen. An vielen Tierliebhabern aber perlt dieser Hinweis scheinbar ab wie das Seewasser, denn die im Wasser ihre Kreise ziehenden Tiere kommen an Schlechtwettertagen eilends auf jeden einsamen Spaziergänger zugepaddelt, der vielleicht ein paar Brösel für sie dabei haben könnte - so, wie sie es eben gewohnt sind.

An heißen Sommertagen, an denen das Wasser bis zu 24 Grad warm wird, kann es an ein paar Stellen durchaus ein bisschen zu müffeln anfangen. Die Messungen der Stadt bestätigen den Eindruck, dass es sich beim Fasaneriesee nicht unbedingt um den klarsten See Münchens handelt: Immer wieder werden bei Wasserproben Überschreitungen der Leitwerte bei der Anzahl der Fäkalcoliforme festgestellt.

In den letzten Proben im Jahr 2006, entnommen im September, fanden sich nur im Südbereich so wenige Bakterien, dass das Baden uneingeschränkt empfohlen werden konnte. In den anderen Bereichen sollte man lieber den Mund zu lassen.

Seebegeisterte, die am liebsten in klaren Gebirgsseen baden, bemängeln am Fasaneriesee außerdem, dass er nicht auf natürliche Weise entstanden ist, und kein Frischwasser bringender Fluss den See durchströmt. Das stimmt: Der Fasaneriesee speist sich aus dem Grundwasser, zusammen mit dem Feldmochinger und dem Lerchenauer See bildet er das "Seendreieck im Norden". In den Dreißigerjahren entstanden diese drei Baggerseen durch den Kiesabbau.

Die Seen sind trotzdem mehr als nur von den Bürgern begeistert genutzte Überbleibsel dieser Zeit: Die Stadt hat die einstigen Abbaugründe deutlich umgebaut. Der Fasaneriesee wurde 1976 zum Badesee. Die steilen Ufer, einst von den Kiesbaggern ausgegraben, wurden abgeflacht, so dass jetzt auch Kinder im seichten Wasser plantschen können, während der See an seiner tiefsten Stelle immer noch bis zu elf Meter tief ist.

Außerdem sind die Liegewiesen angelegt und Bäume gepflanzt worden, und um den ganzen etwa 600 Meter langen und 250 Meter breiten See herum führt heute ein idyllischer, leicht erhöhter Uferweg. Und der wird, Sommer wie Winter, bei Wind und bei Regen, das ganze Jahr über genutzt. Radfahrer, Jogger und Spaziergänger wechseln sich hier bei ihren Runden ab. Schöne Blickwinkel bieten sich dort auf das Gewässer, die man auf den vielen bereitgestellten Bänken genießen kann.

Auf der Westseite gelangt man über den Weg zu einigen Findlingen, großen Steinblöcken. Ein Schild besagt, dass hier bei Bauarbeiten einst 600 bajuwarische Reihengräber gefunden wurden, aus der Zeit von 550 bis 700 n.Chr.

Mit dem Umbau kamen auch ein paar Reglementierungen: Hunde sollten während der Badesaison lieber draußen bleiben, sie sind auf den Liegewiesen verboten. Vergessen wurden die Vierbeiner trotzdem nicht: es gibt extra eine Wiese für sie.

Grillen ist erlaubt, allerdings wie überall nur in der ausgewiesenen Zone. Die allerdings nimmt fast den gesamten Bereich im Südwesten des Sees ein. Dafür ist das Angeln erlaubt - und wenn der Wind durch die großen, Schatten spendenden Bäume rauscht, die Angler still am Ufer stehen und die Enten friedlich auf den kleinen Wellen thronen - dann kann man mit ein bisschen gutem Willen durchaus auch mal vergessen, dass es sich beim Fasaneriesee um einen durch Menschenhand entstandenen See handelt.

Liebhaber und Kritiker des Fasaneriesees haben also gleichermaßen Recht. Und die Liebhaber können sich zudem freuen, dass der See nicht von allen geliebt wird: Denn dadurch kann er etwas bieten, was kaum ein andrer von sich behaupten kann: Auch an den schönsten Sommertagen noch ein Plätzchen frei.

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