Oper:Dramen der Einsamkeit

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Abstieg in emotionale Abgründe: Krzysztof Warlikowski inszeniert "Dido und Aeneas ... Erwartung". (Foto: Bernd Uhlig)

Frauen, verlassen, verletzt: Die Bayerische Staatsoper verknüpft Purcells "Dido und Aeneas" mit Schönbergs "Erwartung".

Von Egbert Tholl

"Schreiben Sie mir doch einen Operntext, Fräulein!" Nun, das "Fräulein" schrieb - und Arnold Schönberg verwandte das Ergebnis für ein Meisterwerk, das Monodram "Erwartung". Im August 1909 verbrachte Schönberg zusammen mit Alexander von Zemlinsky, Alban Berg, Anton Webern und Max Oppenheimer in Steinakirchen bei Amstetten seinen Urlaub. In diesen Kreis wurde in der Sommerfrische die angehende Wiener Ärztin Marie Pappenheim eingeführt, die während ihres Medizinstudiums an der Universität Wien unter dem Pseudonym Maria Heim Gedichte schrieb und nun eben von Schönberg um ein Libretto gebeten wurde. Pappenheim, deren Gedichte 1906 von Karl Kraus in der "Fackel" publiziert wurden, praktizierte als Dermatologin, weil sie "nicht als Lyrikerin durchs Leben wandern" wollte.

Zwei Tage nach Schönbergs Anregung reiste sie zu Freunden weiter und verfasste innerhalb von drei Wochen den Text: "Ich schrieb im Gras liegend mit Bleistift auf großen Bogen Papier, hatte keine Kopie, las das Geschriebene kaum durch." Lange Zeit wurde in der Forschung die Meinung vertreten, die konzeptionelle Idee zur "Erwartung" wäre von Schönberg gekommen. Indes: "Ich bekam weder einen Hinweis noch eine Angabe, was ich schreiben sollte - hätte ihn auch nicht angenommen."

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"Erwartung" ist eine halbe Stunde lang und dichtester Ausdruck eines Seelenszustands. Pappenheim dürfte mit den Schriften Sigmund Freuds vertraut gewesen sein, sie liefert nun die Worte für einen Bewusstseinsstrom in einem entgrenzten Zustand. Und Schönberg nahm die Worte, malte anfangs mit Tönen ein bisschen Natur dazu, doch schnell wird der Jugendstil abgeschüttelt, und Text und Musik bohren sich tief hinein in die Emotionalität einer Frau, die auf ihren Geliebten wartet, ihn vielleicht auch findet, aber mehr sei nicht verraten. Adorno nannte "Erwartung" eine "seismographische Aufzeichnung traumatischer Schocks".

Nun bildet das Solo die zweite Hälfte der kommenden Premiere an der Bayerischen Staatsoper am 29. Januar. Davor Purcells "Dido und Aeneas" , die herzerreißende Oper über die Königin, die von ihrem Geliebten verlassen wird, weil der Rom gründen muss. Danach dann also die Frau, die ihren Geliebten sucht, Schmerz, Verzweiflung, Seelenpein. Beide Frauen verkörpert die wundervolle Ausrine Stundyte, Regie führt Krzysztof Warlikowski, Spezialist für emotionale Abgründe, die musikalische Leitung hat Andrew Manze.

Dido und Aeneas ... Erwartung, Premiere Sonntag, 29. Januar, 17 Uhr, Nationaltheater

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