Deutsch-Amerikanischer Herrenclub:Ehrung für den passionierten Transatlantiker

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Wiedersehen mit dem Bruder: Thomas Ischinger (rechts), Herzspezialist in München, kam auch zur Verleihung der Medaille an Wolfgang Ischinger. Man sehe sich ja sonst so selten. (Foto: Florian Peljak)

Der Deutsch-Amerikanische Herrenclub verleiht Wolfgang Ischinger einen Preis. Und der ehemalige Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz macht zum Dank auf ein paar Unsicherheiten aufmerksam.

Von Susanne Hermanski

Timothy E. Liston, Generalkonsul der Vereinigten Staaten in München, ist ein ausgezeichneter Redner. Wie er als Schirmherr zum Auftakt des Abends einen Lacher setzt, das hätte auch im Kalten Krieg das Eis gebrochen. "Entschuldigen Sie bitte. Die Wiesn hat mir das Geschenk einer Barry-White-Stimme beschert", sagt Liston. Heiser zum Dahinschmelzen.

Es ist Deutsch-Amerikanischer Tag, wie an jedem 6. Oktober seit 1987, als Ronald Reagan diese alte, durch die Weltkriege unterbrochene Tradition wieder aufleben ließ. Die Menschen, die sich hier im kleineren Saal des Ratskellers versammelt haben, wissen das auch - anders als das Gros der Leute, die an diesem Freitagabend oben durch die Fußgängerzone trödeln als wär' nichts.

Hier unten hat sich der Verband der Deutsch-Amerikanischen Clubs samt dem Münchner Herrenclub versammelt, um das Fest zu feiern, und Wolfgang Ischinger, dem ehemaligen deutschen Botschafter und langjährigen Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, einen Preis zu überreichen: die Lucius D. Clay Medaille, benannt nach dem Vater der Berliner Luftbrücke. In früheren Jahren ging sie schon an Angela Merkel, Friedrich Merz und so sportliche Zeitgenossen wie den Basketballstar Dirk Nowitzki.

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Erstaunlich in dem Zusammenhang: den Deutsch-Amerikanischen Frauenclub und seinen Charity-Silbertee kennt jeder, der sich nur ein wenig für die Münchner Gesellschaft interessiert, von dessen männlichem Pendant haben aber nur die wenigsten gehört. Gegründet wurden beide Clubs 1947. Da lag München in Schutt und Asche, viele hungerten. Anfangs gab es mehr amerikanische Mitglieder, viele Offiziere darunter, die helfen wollten und konnten. Seit dem Abzug der letzten Einheiten der US-Armee aus München, 1992, hat sich das drastisch geändert. Heute sind etwa 90 der insgesamt 100 Mitglieder Deutsche. Alles Herren versteht sich. Darunter Mediziner - wie der aktuelle Vereinspräsident Eberhard Standl - Wissenschaftler, Unternehmer, Politiker.

Deren Hauptanliegen: das Fördern von Austausch - besonders in Form von Stipendien, die man gemeinsam mit dem Damenclub finanziert. Sie werden deutschen und amerikanischen Studenten für Gastaufenthalte gewährt, jeweils im anderen Land. Vier der jungen Leute sind an diesem Abend gekommen, sie werden ebenso herzlich gefeiert wie Ischinger.

Der Weg aus dem Ukraine-Krieg? Ischinger empfiehlt bessere Vorbereitung

Der tut, was ein Diplomat tun muss, auch wenn er schon ein bisschen a. D. ist: Ischinger erklärt den Versammelten die Welt, ohne ihnen das avisierte Dinner dabei allzu sehr zu verderben. Er erinnert daran, dass es "keine Ewigkeitsgarantie für den Schutzschirm der USA" gibt, und Deutschland aus seiner Sicht besser daran täte, sein Zwei-Prozent für-die-Verteidigung-Versprechen einzuhalten. Könne helfen, wenn der isolationistische texanische Farmer sich mal fragt, für wen seine Steuern da eigentlich nach Europa gehen.

Eine andere Lehre hat Ischinger noch aus dem Balkankrieg im Gepäck. Immer, wenn ihn jemand löchere ("ungefähr fünfmal am Tag"), wie die Ukraine vom Krieg zum Frieden kommt, müsse er an einen 1000-seitigen Textentwurf denken. Den legte ein US-Delegationschef seinerzeit für Bosnien-Herzegowina schon fertig auf den Tisch, während die Deutschen erstmal eine lose Ideensammlung zwischen ihren Ohren hatten. "Der Entwurf enthielt zu allem bereits Überlegungen - von der Verwaltung der Gefängnisse bis zu einer möglichen Verfassung." Nur wer entsprechend vorbereitet sei, könne dann auch "Nägel mit Köpfen machen".

Applaus! Aber an diesem Abend wird dann trotzdem erstmal noch in Ruhe fertiggegessen. Ganz ohne hektisch kluge Strategiegedanken auf die Servietten zu kritzeln.

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