Kritik:Brillanter Klangaustausch

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Ein Projekt des im Dezember 2019 verstorbenen Mariss Jansons lebt fort: Dirigent Daniel Harding beim Gemeinschaftskonzert der Akademien von Amsterdamer Concertgebouw-Orchester und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks in der Isarphilharmonie. (Foto: Alescha Birkenholz)

Nachwuchsförderung der wunderbarsten Art: Daniel Harding dirigiert die Akademien von Concertgebouw-Orchester und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks.

Von Paul Schäufele, München

"Die Philosophie ist schon etwas; aber die Musik, Monsieur, die Musik - ". Also spricht der leicht erregbare Musiklehrer in Molières "Der Bürger als Edelmann". Da hat er natürlich recht, doch selten stimmt man ihm so emphatisch zu wie nach dem Konzert der Akademien von Concertgebouw-Orchester und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, in dem die Richard Strauss'sche Vertonung der Ballettkomödie einen Glanzpunkt darstellt. Zum ersten Mal in der Geschichte der Orchester spielen die beiden Stipendiatengruppen zusammen, in denen die besten jungen Orchestermusizierenden aus aller Welt praktische Erfahrung in Spitzenensembles sammeln können. Es ist ein großartig gelingender Modellversuch und ein Meisterstück nationenübergreifender Kommunikation, die so wichtig ist wie nie.

Darin lebt ein Projekt des im Dezember 2019 verstorbenen Mariss Jansons weiter, denn zum Erbe Jansons', der zeitweilig Chefdirigent beider Orchester war, gehört nicht nur, diese Klangkörper in Höchstform gehalten zu haben. Das wäre schon viel, aber auch seine Idee eines Austauschs unter Musizierenden gehört zu seinem Wirken. Doch während unter Jansons Regie noch 2019 ein Austausch zweier Stipendiaten aus seinen Orchestern stattfand, kommen nun die gesamten Akademien beider Orchester für ein Konzert in der Isarphilharmonie zusammen. Selten hat Nachwuchsförderung so brillant geklungen.

So muss Daniel Harding nicht viel dirigieren, um aus Richard Wagners "Siegfried-Idyll" eine Meditation über intime Klangschönheit zu machen. Die jungen Musikerinnen und Musiker sind im Laufe einer intensiven Probewoche zusammengewachsen und zu einem Ensemble geworden, das eigene musikalische Verantwortung übernimmt. Das ist umso beeindruckender, da Concertgebouw-Orchester und BRSO eigene, unverwechselbare Klangideale verwirklichen. Für die Amsterdamer Geigerin Miranda Nee ist dieses Kennenlernen des anderen Klangs, der anderen Orchester-Dynamiken eine der interessantesten Erfahrungen der Kooperation. Ihr Mitspieler Christian Traute, der als Posaunist seit über zwei Jahren die BRSO-Akademie bereichert und damit schon dem Ende seiner Zeit als Akademist entgegenblickt, ergänzt das: "Jeder bringt seine Fähigkeiten mit und daraus ist etwas Neues entstanden."

"Aufeinander hören" lautet das Erfolgsgeheimnis

Die Probenarbeit mit dem britischen Dirigenten, der dem BRSO seit Jahren verbunden ist, hat großen Anteil daran. Konzentriert, aber nie angespannt; intensiv, aber gelassen; produktiv, aber humorvoll, so stellen die Akademie-Mitglieder die Woche dar. "Sehr schön gespielt, aber immer einen Schlag zu früh" lautet ein typischer Harding-Satz. Grundlegendes wird besprochen, etwa der Unterschied zwischen Espressivo und Vibrato, der vor allem bei den "Three Consorts" von George Benjamin wichtig ist. Benjamin, Jahrgang 1960, hat drei Stücke des britischen Barock-Meisters Henry Purcell für modernes Orchester bearbeitet, schimmernde, feine Musik, deren polyphonen Verflechtungen die Akademisten im Konzert mit gut vorbereiteten Ohren nachspüren. "Aufeinander hören" ist das unausgesprochene Motto dieser Kooperation und ihr Erfolgsgeheimnis.

So sieht es auch Anton Barakhovsky vom BRSO, der für die Werke von Wagner und Benjamin sein Konzertmeisterpult gerne geräumt hat, um anderen die Möglichkeit zu geben, einmal von dieser Position aus zu spielen. Denn darauf komme es hier an: Erfahrungen zu sammeln, "ohne Scheu, auch etwas zu riskieren", sagt Barakhovsky. Das macht Strauss' "Bürger als Edelmann"-Suite so anregend. Denn egal, ob hier kammermusikalische Transparenz oder großer Orchesterklang gefordert ist, an jeder Stelle setzen sich die jungen Musikerinnen und Musiker voll ein, spielen mit Witz, handfestem Humor, mit dem veritablen Pomp, der in Strauss' historisierenden Gesten steckt. Und immer mit Lebendigkeit und Ausdruckswunsch. Kurzum: Wenn die Akademisten Christian Traute und Miranda Nee auf die Frage, ob solche Kooperationen auch in Zukunft stattfinden werden, unisono "Das hoffen wir" sagen, kann man nicht umhin, ihnen aus vollem Herzen zuzustimmen.

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