Gastronomie:Ein Pärchen trotzt dem Wirtshaussterben

Lesezeit: 2 min

Das Wirtepaar Alessandro Bönsch und Jacqueline Heiß setzte auch den einstigen Stammtisch im Lokal wieder in Stand. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Während in Bayern immer mehr traditionelle Gaststätten schließen, erlebt der denkmalgeschützte "Gasthof zum Bräu" in Vierkirchen eine Auferstehung. Wie lautet das Erfolgsrezept?

Von Jessica Schober, Vierkirchen

Werbung haben sie vor der Eröffnung keine gemacht, trotzdem verbreitete sich die Nachricht im Dorf wie ein Lauffeuer: Vierkirchen hat wieder ein traditionelles bayerisches Wirtshaus, und kaum waren die Tische gedeckt, waren sie auch schon besetzt. Vor gut zwei Wochen haben die Wirtsleute Alessandro Bönsch und Jacqueline Heiß den "Gasthof zum Bräu" frisch saniert eröffnet - die Vierkirchner rannten ihnen schon in den ersten Tagen die Bude ein.

Lachend wehrt das Wirtspaar ab, wenn man fragt, ob sie die ersten Gäste gleich für Online-Rezensionen bestochen hätten. Nein, aber gefreut hätten sie sich über die positiven Rückmeldungen schon. Obwohl das Lokal noch über keine eigene Internetseite verfügt, haben bereits 19 Gäste eine Google-Bewertungen geschrieben und schwärmen durchweg über das "sensationell gute bayerische Essen, das kühle Augustiner-Bier vom Fass und den freundlichen, zuvorkommenden und in Tracht gekleideten Service."

Newsletter abonnieren
:Mei Bayern-Newsletter

Alles Wichtige zur Landespolitik und Geschichten aus dem Freistaat - direkt in Ihrem Postfach. Kostenlos anmelden.

Zwar kostet der Zwiebelrostbraten satte 23,50 Euro, dafür kommt er aus der Küche von Robin Grube, der zuvor im Schloss Hohenkammer kochte. Auch Restaurantleiter Patrick Reisenauer ist kein Gastroneuling, er war zuletzt im Münchner Hotel Bayrischer Hof für den "Palais Keller" zuständig. Dass die Vierkirchener Wirtsleute in Zeiten allgemeinen Personalmangels die beiden für sich gewinnen konnten, liegt in der Freundschaft begründet, die sie alle seit langem verbindet. Wirtin Heiß, die zwölf Jahre selbstständig im Finanzmanagement gearbeitet hat, und Wirt Bönsch, hauptberuflicher Modell- und Formenbauer, holten für ihren Traum von der eigene Gastwirtschaft alte Spezln mit ins Boot.

"Wir legen Wert auf bayerische regionale Speisen", erzählt Heiß, die das Fleisch in der Metzgerei Kleber aus Petershausen bezieht, und fügt hinzu: "Es ist uns auch wichtig, eine kleine, kompakte Karte statt eines Riesenangebots zu haben". Auf dieser finden sich Klassiker wie Schweinebraten und Wiener Schnitzel, auf der Tageskarte aber aktuell auch eine vegane Soja-Bolognese und ein Kürbisrisotto. Die Bayerisch Creme wird zum Nachtisch in Ringform serviert, aus der Zapfanlage kommt Augustiner Bier. Wer sich ein eigenes 30-Liter-Holzfass bestelle, könne dieses im Hinterraum namens "Bräustüberl" auf einem Ganter stehend auch selbst zapfen, erzählt die Wirtin. Für den kommenden Sommer könne sie sich auch mediterrane Wochen mit römischem Braten vorstellen.

Der Gasthof zum Bräu hieß zuletzt "Achillon", dabei blickt das denkmalgeschützte Gebäude auf eine lange Tradition als bayerisches Wirtshaus und Brauereisitz zurück. (Foto: Niels P. Jørgensen)
Klassisch haben die neuen Wirtsleute den Speisesaal saniert, eine Steinwand aus dem vormals griechischen Lokal herausgerissen und neue Holzböden verlegt. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Küche ist nun kernsaniert, im Wirtsraum steht eine neue Theke aus Eichenholz, auch der Boden, die Wände und die Toilettenräume wurden saniert. Im Flur erzählen Schwarz-Weiß-Fotografien von der langen Geschichte des Hauses, das einst Sitz der namensgebenden Brauerei war. Das denkmalgeschützte Gebäude soll um 1750 gebaut worden sein, ein erster Pachtvertrag datiert auf 1772, erzählt Alessandro Bönsch, der aus Vierkirchen stammt. Die Eckbänke im Lokal hat er selbst gebaut. Sein Opa sei seinerzeit aus der späteren italienischen Partnergemeinde Genazzano hierher gekommen, seine Oma betreibe noch immer die Trattoria "Vinocchio und Pinocchio" in Gröbenzell.

Auch der Biergarten mit seinen großen Kastanienbäumen soll im kommenden Sommer wieder zugänglich werden. Zu den rund 80 Sitzplätzen im Innenräum kämen dann nochmals rund 90 Außenplätze hinzu. In den ersten Tagen nach der Lokalöffnung stellten Heiß und Bönsch bei dem schönem Herbstwetter auch Stühle vor den Eingang des Hauses an der Dachauer Straße 6, die gern angenommen wurden. Dass die Handwerker mit der Renovierung nicht wie geplant zum September fertig wurden, habe zwar alles etwas hektischer gemacht, aber irgendwann wollten die Wirtsleute endlich eröffnen.

Demnächst soll auch ein Hochtisch mit Barhockern zur Inneneinrichtung gehören. Den ursprünglichen Stammtischplatz haben Heiß und Bönsch erhalten - sie hoffen schließlich auf viele Stammgäste. "Bayerische Lokale gibt es ja leider immer weniger", sagt Heiß, "und das Wirtshaussterben ist andernorts nicht zu übersehen."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusSZ-Serie: Wer samma? - Identität und Wandel im Landkreis
:"Die haben den letzten Pfennig ihrer Gemeindekasse verprasst"

Die Gebietsreform bescherte Vierkirchen 1972 mit Giebing und Pasenbach zwei neue Ortsteile. Weichs hingegen ließ sich nur für zwei Jahre auf eine Verwaltungsgemeinschaft ein. Ex-Bürgermeister Heinz Eichinger erinnert sich an rauschende Feste.

Von Jessica Schober

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: