Umweltschutz im Landkreis Dachau:"Die junge Generation legt den Finger in die Wunde"

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Die Natur im Landkreis Dachau ist sehr vielseitig. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Alexander Wolfseder hat als Sachgebietsleiter im Landratsamt vier Jahrzehnte lang die Entwicklung des Landkreises in Sachen Naturschutz aus nächster Nähe miterlebt. Eine Bilanz.

Interview von Helmut Zeller, Dachau

Alexander Wolfseder hat beim Dachauer Landratsamt angefangen, da gab es noch gar keine eigene Umweltabteilung. Wie kaum ein anderer hat der 62-Jährige in seinen 40 Jahren Amtszeit miterlebt, wie das Thema Naturschutz immer mehr an Relevanz gewonnen hat. Doch er weiß auch: Er selbst mag nun in Rente gehen, der Landkreis selbst hat aber noch einiges an Arbeit vor sich.

SZ: Herr Wolfseder, wie war das damals vor 40 Jahren im Landratsamt Dachau?

Alexander Wolfseder: Ich kann mich noch sehr gut an meinen ersten Arbeitstag, den 4. Oktober 1982, erinnern: drei Tage zuvor, zum Abschluss meiner Ausbildung in Freising, wurde der SPD-Bundeskanzler Helmut Schmidt durch ein Misstrauensvotum des Bundestags gestürzt. Umweltthemen standen aber schon damals im Fokus: Luftverschmutzung, Ozonloch, Waldsterben, aber auch Mülltrennung und wilde Müllkippen. Der Gewässerschutz spielte eine große Rolle, Kläranlagen, viele Ortsteile waren noch gar nicht angeschlossen, dann sind Schutzgebiete ausgewiesen worden. Es ging auch bereits um Artenschutz, aber eher auf internationaler Ebene. Das Thema Umwelt hat mich schon als junger Mensch interessiert.

Dann war ja Dachau die richtige Adresse für Sie?

Ich war heilfroh, dass im Landratsamt eine entsprechende Stelle frei war. Eigentlich waren es zwei Stellen. Ich habe am ersten Tag noch nicht gewusst, welche ich bekomme, denn mit der allgemeinen Verwaltungsausbildung bist Du gerüstet für alle Referate. Ich wollte ins Referat Abfallrecht, Wasserrecht, Immissionsschutz, wie das damals geheißen hat, aber es gab auch eine Stelle in der Wohnungsbauförderung. Mit mir trat eine junge Kollegin an, die sagte, sie wolle nicht so gerne in den Außendienst. Mir fiel ein Stein vom Herzen, denn so kam ich in mein Wunschreferat, das der Abteilung Öffentliche Sicherheit und Ordnung zugeordnet war. Das Naturschutzreferat, in das ich zehn Jahre später wechselte, gehörte noch zur Bauabteilung. Man sieht, der Umweltschutz war damals im Landratsamt nicht konzentriert. Erst 1987 wurde aus beiden Referaten die Umweltabteilung gebildet.

So viel Bewusstsein für den Naturschutz war damals in der Kommunalpolitik also nicht da?

Doch. Gerade in den 1980er und 1990er Jahren wurde sehr viel auf den Weg gebracht. Es gab wichtige Weichenstellungen, die Förderprogramme für Naturschutz, wie das Wiesenbrüterprogramm, das Acker- und Wiesenstreifenprogramm und die Landschaftspflegerichtlinien. Damit wurde auch eine gute Kooperation mit den Landwirten grundgelegt. Wir als Behörde wollten nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern auf Augenhöhe mit ihnen gemeinsam den Naturschutz voranbringen. Damals wurde auch der Bayerische Naturschutzfonds ins Leben gerufen, wovon der Landkreis bei Grundstücksaufkäufen sehr profitiert hat. Mit dem Arten- und Biotopschutzprogramm wurden die Handlungsschwerpunkte für unsere wichtigen Naturräume im Landkreis bestimmt, wie das Ampertal und das Glonntal, um die wir uns dann in besonderer Weise kümmern konnten. Und das Bayerische Naturschutzgesetz sah vor, dass die öffentliche Hand ihre Grundstücke, die für eine ökologische Nutzung geeignet sind, zu Vorzeigeprojekten macht. Der Landkreis hat bis heute 200 solcher Grundstücke erworben und damit wertvolle Räume für Tiere und Pflanzenarten gesichert. Zum Beispiel das Ochsenwehr in den Amperauen. Das Landschaftsschutzgebiet Amperauen entstand 1983. 1993 wurde das Schwarzhölzl, fünf Jahre später das Weichser Moos als Naturschutzgebiet ausgewiesen.

"Wir müssen uns am Gesetz ausrichten", sagt Alexander Wolsfeder über seine Arbeit als Sachbearbeiter. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Aber es war doch nicht so, dass alle Kommunalpolitiker von Anfang an sagten, Naturschutz wunderbar, den machen wir.

In den 1980er Jahren wurde natürlich darum gerungen. Meine Vorgänger habe die Grundausstattung für einen sinnvollen Naturschutz erreicht. Aber es gab immer Unterstützung in den kommunalen Gremien, wenn auch manchmal Einwände formuliert wurden. Der damalige Landrat Hansjörg Christmann hatte im Kreisausschuss zunächst einen finanziellen Grundstock für Grundstücksaufkäufe und andere Maßnahmen durchgesetzt. Damit waren die Weichen gestellt, später, als das Umweltbewusstsein stärker ausgeprägt war, wurde es viel leichter, darauf aufzubauen. Ohne den Segen der Kämmerei und der politischen Gremien wäre da nichts gegangen. Mit den wachsenden Aufgaben haben wir auch mehr Personal erhalten. Fazit: Die notwendige Unterstützung war im Haus immer gegeben.

Wenn ich Ihnen schon keine Kritik an der Kommunalpolitik entlocken kann, wie steht es dann mit der Politik in Bund und EU?

Schauen Sie, der Kenntnisstand ist doch allgemein im Laufe der Zeit gewachsen. Klar, man nimmt vieles zur Kenntnis, akzeptiert manches auch, wo man sagt, oh, das geht jetzt aber nicht in die gewünschte Richtung. Aber es bleibt keine andere Wahl als mit der Sacharbeit weiterzumachen. Im Unterschied beispielsweise zu Verbänden agieren wir nicht politisch, wir sind eine Fachstelle, eine Behörde, wir müssen uns am Gesetz ausrichten, können im Rahmen unserer Möglichkeiten vielleicht Einfluss nehmen, aber keine politischen Forderungen stellen. Daher sind wir auch bei dem starken Ringen zwischen Verbänden und der großen Umweltpolitik außen vor.

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Aber Enttäuschungen erlebt ein Naturschützer doch zwangsläufig: Denken Sie nur an CSU-Agrarminister Christian Schmidt, der in Brüssel für eine Zulassungsverlängerung für das giftige Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat gestimmt hat.

Natürlich, manchmal ist es frustrierend. Auch im Kreisausschuss stellte die ÖDP vor zwei Jahren einen Antrag, bei Landkreisflächen auf Glyphosat zu verzichten. Der Antrag wurde angenommen. Auf seinen Flächen bringt der Landkreis ohnehin kein Glyphosat aus, aber er hat noch andere Flächen, nicht viele, die an Landwirte verpachtet sind. Das war dann sozusagen ein Signal. Wir wollten den Antrag um andere bienengefährdende Herbizide erweitern, aber das ist nicht durchgegangen. Oder die Gewässerrandstreifen, wir hatten für deren Etablierung bereits 2011 ein Gewässerökokonto, über das Landwirte, Bauherren und Gemeinden auf freiwilliger Basis Ausgleichsstreifen einbringen hätten können. Das wäre sehr wichtig für die Biotopvernetzung gewesen. Leider war das nicht von besonderem Erfolg gekrönt, jetzt sind die Gewässerrandstreifen nach dem erfolgreichen Volksbegehren "Rettet die Bienen" zur Pflicht geworden.

Stichwort Freiwilligkeit, kann man darauf angesichts der fortschreitenden Klimakatastrophe noch setzen?

Das Umweltbewusstsein ist recht groß. Aber das Thema steht wegen des Ukraine-Krieges und der Corona-Pandemie nicht mehr ganz oben auf der Agenda. Ich mache mir Sorgen, dass man den Klimawandel, den steigenden Flächenverbrauch und das Artensterben vergessen könnte. Die junge Generation, man merkt es an Fridays for Future, die legt den Finger in die Wunde. Das ist wichtig, denn wir haben ja nur diesen einen Planeten. Ganz klar: Eine fortschrittliche Politik muss von der Bevölkerung mitgetragen werden.

Aber in der CSU ist Fridays for Future nicht so gut angeschrieben.

Ich weiß, dass es da Kritik gibt, aber ich kann und will das nicht kommentieren. An manchen Stellen ist es einfach wichtig, dass neuer Schwung in die Geschichte kommt, Druck ausgeübt wird, damit sich etwas bewegt. Wichtig ist aber auch, dass man miteinander im Gespräch bleibt, den richtigen Ton trifft. Wir im Naturschutzreferat haben auch Konflikte auszutragen, dann versuchen wir, auszuloten, was ist machbar, manchmal muss man Kompromisse schließen, manchmal ist das auch frustrierend, dennoch haben wir mit Kooperationen sehr viel erreicht, zum Beispiel im Landschaftsschutzgebiet Palweiser Moos. Dort hatten Münchner seit den 1950er und 1960er Jahren Freizeitparzellen, rund 50 mit Hütten, wohlgemerkt Schwarzbauten, mit Wohnmobilen, keinen standortgerechten Anpflanzungen - also ein Konflikt mit dem Naturschutz und dem Baurecht. Die Beseitigungsanordnungen in den 1980er Jahren hatten keinen nachhaltigen Erfolg, weil die Parzellen immer neu auflebten. Wir boten eine zehn Jahre dauernde gestaffelte Auslauflösung an, an deren Ende die Aufgabe als Wochenendplatz und Kleingartenanlage stand. Der Landkreis kaufte anschließend soweit gewünscht die Grundstücke, heute haben wir dort ein Natureldorado. Kooperativer Naturschutz ist wichtig, Entscheidungen nicht vom Schreibtisch aus treffen, sondern rausfahren und mit den Leuten sprechen. Aber die Gesetzeskeule brauchen wir, wenn am Ende Tages nichts passiert ist.

Naturschutz im Landkreis verhindert den Klimawandel allerdings nicht.

Durch unsere Arbeit im Landkreis retten wir nicht die Welt, aber es waren wichtige Schritte. Ich kann nur sagen, ohne die Aktivitäten der Kommunen und Verbände wäre es um den Naturschutz und die Arten im Landkreis Dachau schlechter bestellt.

Was ist beim Umweltschutz im Landkreis künftig wichtig?

Da, wo ich unzufrieden bin, wo noch viel Potenzial wäre, ist die Umsetzung der Ausgleichsflächen. Es wird viel Natur verbraucht. Unser Landkreis ist ein Wachstumslandkreis. Als ich begann, zählte er 103 000 Einwohner, jetzt sind es 150 000. In Bayern stehen wir im Sog von München beim Flächenverbrauch mit an der Spitze. In den 1980er Jahren mussten wir in etwa 200 Verfahren eine Stellungnahme abgeben, heute sind es 400. Natürlich brauchen wir Wohn- und Gewerbeflächen, Straßen, zukunftssichernde landwirtschaftliche Bauvorhaben für Ställe im Außenbereich, Maschinenhallen, aber unter Berücksichtigung der Naturschutzbelange. Eingriffe müssen minimiert, naturschonende Standortvarianten bevorzugt werden, und der Ausgleich muss zuverlässig kommen. Wenn die Baugenehmigung da ist, dann wird ganz sicher gebaut, aber in der Praxis diese Vorgabe der Kompensation häufig überhaupt nicht oder nur mit Defiziten umgesetzt. Da ist die Selbstverantwortung von Bauherrn und im Falle der Bauleitplanung der Kommunen gefragt. Vielleicht würde es zusammen mit engagierten Bürgern vor Ort gelingen, diese Biotope der Zukunft in der Gemeinde herzustellen und zu entwickeln. Man könnte analog zu Biotop-Patenschaften vielleicht Ausgleichs-Patenschaften schaffen. Wir sind ein gewässerreicher Landkreis. Ein ganz wichtiger Schritt wäre daher auch die Vernetzung der Uferrandstreifen und die ökologische Aufwertung der Seitenbäche. Allein die Glonn hat auf einer Länge von 35 Kilometern Dutzend Nebenbäche. Ich bin optimistisch, dass in den jeweiligen Gemeinden auch in Zusammenarbeit mit den Bürgerinnen und Bürgern und Verbänden vor Ort hier viel zu Gunsten des Natur- und Artenschutzes im Landkreis erreicht werden kann.

Sie sind eben ein Optimist. Greta Thunberg hat sich jüngst sehr pessimistisch geäußert. Was würden Sie ihr sagen, wenn Sie ihr begegnen würden?

Ich würde ihr Respekt zollen, weil sie Fridays for Future mit initiiert hat, als 16-jähriges Mädel so etwas angestoßen hat. Wie sie vor der UNO gesprochen hat, da kann ich nur sagen: Wow. Ich bin froh, dass diese Generation sich für Umwelt- und Klimaschutz so engagiert. Es muss einfach was vorwärtsgehen.

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