SZ-Adventskalender:"Wo viele Leute sind, bekomme ich totale Panik"

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Zwei Frauen sind psychisch krank und leiden an Anfällen - in der Öffentlichkeit müssen sie sich dann blöde Sprüche anhören

Von Petra Schafflik, Dachau

Jederzeit kann ein Anfall sie aus dem Alltag reißen. Kurz merkt sie die Vorzeichen, schon lässt die Epilepsie sie zusammenbrechen. Einmal, daran erinnert sich Patricia S. (Namen geändert) noch wie heute, ist es ihr auf dem Bahnsteig passiert. "Ich kann dann nicht sofort sprechen", aber sie hört alles, nimmt genau wahr, was um sie herum passiert. Eine ältere Dame habe geschimpft, die jungen Leute heutzutage würden einfach zu viel trinken und alle möglichen Drogen einwerfen. Wehren kann sich die junge Frau in solchen Momenten nicht, aber derartig unbedachte Bemerkungen brennen sich ein. "Leider habe ich da schon schlimme Sachen erlebt."

Ihr Leiden ist unsichtbar, gerade deshalb macht Patricia S. immer wieder schlechte Erfahrungen. Umso wichtiger, dass sie sich in der Tagesstätte für Menschen mit psychischen Erkrankungen gut aufgehoben fühlt. "Da finde ich Ablenkung und Struktur, dazu Menschen, die verstehen, wie es einem geht."

Dennoch versucht die alleinstehende Frau, auch außerhalb dieses Schutzraums ein wenig am Leben teilzuhaben. Leicht wird es ihr nicht gemacht. Weil Medikamente, die ihr in jungen Jahren einen fast normalen Alltag ermöglicht haben, inzwischen nicht mehr zuverlässig helfen, kommt es immer wieder vor, dass ein Anfall sie heimsucht. Alle Aktivitäten, bei denen sie sich oder andere gefährden könnte, sind deshalb Tabu. Autofahren darf Patricia S. nicht, genauso wenig mit dem Rad unterwegs sein. Nicht einmal eine warme Mahlzeit soll sie sich alleine zubereiten. Ihren Beruf musste sie längst aufgeben, aber jeglicher Job oder auch nur eine Aushilfstätigkeit ist ihr verwehrt. Dass sie dadurch auf eine Rente angewiesen ist, belastet sie. "Ich bin noch so jung, das macht mir ein schlechtes Gewissen." Und die kleine Rente bringt sie zudem immer wieder in die Lage, dass sie sich wichtige Dinge nicht anschaffen kann. So ist kürzlich ihre Schlafcouch zusammengebrochen, dringend bräuchte sie auch eine waschbare Bettdecke. Beides ist im knappen Budget nicht drin, deshalb wird der SZ-Adventskalender helfen.

Auf Unterstützung angewiesen ist auch Alexandra M. (Name geändert). Die junge Frau leidet unter Ängsten, kann die Gesellschaft anderer Menschen nur schwer ertragen. "Wo viele Leute sind, bekomme ich totale Panik", sagt sie leise. Bei der Tafel darf sie zur Lebensmittel-Ausgabe schon morgens kommen, bevor der Ansturm losgeht und das Schlange stehen. "Sonst ginge es nicht." Vor allem gesunde Menschen, die ihr Leiden nicht nachvollziehen können, erträgt die zierliche Frau nur schwer, "da habe ich schon schlechte Erfahrungen gemacht". Da heiße es gleich, "dass ich nicht krank bin, sondern nur faul". Solche Sätze schmerzen. Nur unter Gleichgesinnten kann sie sich wohlfühlen.

Um sich die Welt ein wenig besser zu erschließen, an der sie wegen ihrer Erkrankung nicht aktiv teilnehmen kann, würde Alexandra M. sich gerne einen Internetanschluss zulegen. Weil sie enorm sparsam lebt, könnte sie einen Basis-Tarif aus eigenen Mitteln stemmen, das hat sie bereits ausgerechnet. Doch für einen Laptop reicht das Budget nicht. Auch ihr hilft der SZ-Adventskalender.

© SZ vom 19.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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