SZ-Adventskalender:Wenn das Geld für Heizöl fehlt

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Trotz ihres Vollzeitjobs muss eine alleinerziehende Mutter mit ihren zwei Kindern daheim frieren

Von Petra Schafflik, Dachau

Die Wohnküche von Familie Obermair (alle Namen geändert) wirkt einladend. An den Wänden bunte Kinderbilder, freundliche Gardinen an den Sprossenfenstern und helle Holzmöbel. Doch als die 38-jährige Natascha dann am Tisch eine Weile erzählt von ihrem anstrengenden Alltag als alleinerziehende Mutter, von der allgegenwärtigen Sorge ums finanzielle Überleben, macht sich langsam die kalte Raumtemperatur ungemütlich bemerkbar. Der Winter ist im Zimmer deutlich zu spüren. "Ja, das ist ein altes Gebäude, da muss man viel heizen", sagt Obermair entschuldigend. Aber Feuerholz für den Küchenofen leistet sie sich nur, wenn es irgendwo günstig zu haben ist. Jetzt ist es gerade ausgegangen. Und auch die Heizkörper bleiben kalt. Denn eine Tankfüllung Heizöl kann sich die Familie nicht so ohne weiteres leisten.

Das Schicksal von Natascha Obermair ist kein Einzelfall. Auch im statistisch reichen Landkreis, der laut jüngsten Erhebungen zu den zehn finanzkräftigsten in ganz Deutschland zählt, gibt es Armut. Familien müssen im Winter frieren, haben nicht das Geld für Kinderkleidung, können die defekte Waschmaschine nicht ersetzen, eine notwendige Brille nicht bezahlen. Allein 479 Haushalte mit geringem Einkommen müssen aufstockend Hartz -IV-Leistungen beziehen, jeder Dritte braucht diese Hilfe trotz eines Vollzeitjobs.

"Der Mindestlohn hatte hier Null Auswirkungen", sagt Peter Schadl, Leiter des Jobcenters Dachau. Um eine vier- oder fünfköpfige Familie zu ernähren, bräuchte es 16 bis 18 Euro die Stunde, also das Doppelte des Mindestlohns.

Tag für Tag sitzen Landkreisbürger mit existenziellen Sorgen vor Alexandra Gorges, die bei der Caritas für die allgemeine Sozialberatung zuständig ist. Die Menschen, die zu ihr kommen, sind zupackende, verantwortungsvolle Bürger, sagt Gorges. Die Ratsuchenden haben Berufsausbildung, Vollzeitjob und Familie. "Sie wollen nur über die Runden kommen und fragen sich, warum das nicht funktioniert." Auch wer weder gesundheitliche Probleme noch Schulden hat, sich keine Extravaganzen leistet, kommt oft nur knapp oder gar nicht über die Runden. "Bürger, die arbeiten und Steuern zahlen, können in den Einkaufsstraßen doch bloß in die Schaufenster reinschauen. Und ein Ballettkurs, wie ihn die Mitschülerinnen machen, ist für die eigene Tochter nicht drin."

Im Büro von Alexandra Gorges müssen viele erkennen, dass sie nichts falsch machen, sondern mit ihrem niedrigen Einkommen schlicht arm sind. Oft fehlt den Betroffenen die Information zu staatlichen Leistungen wie Wohngeld. Aber auch die Erkenntnis, trotz Vollzeitjobs noch Geld vom Amt zu bekommen, erzeugt nicht unbedingt Freude. Im Gegenteil. "Die Menschen wollen eigenständig zurechtkommen, ein Anspruch auf staatliche Unterstützung löst auch Scham aus." Langwierige Erkrankungen können die Situation noch verschlechtern, weil Betroffene bald aus dem Krankengeld fallen und dann auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen sind. Und die Wohnungsnot in der Region verschärft die Lage. Wer mit niedrigem Einkommen eine neue Unterkunft braucht, ist aufgeschmissen. Selbst Gorges weiß dann keinen Rat. "Bezahlbaren Wohnraum gibt es einfach nicht."

Auch Natascha Obermair kämpft ums Überleben, seit ihr Mann die Familie verlassen hat. Die patente Frau arbeitet in der Altenpflege, kümmert sich um die Söhne Lukas und Benedikt, hält den Familienalltag am Laufen. Aber wie bei vielen Alleinerziehenden ist die finanzielle Situation enorm eng. Zumal sie von ihrem geschiedenen Mann noch Schulden abzutragen hat. Für manche Verbindlichkeiten müsste sie rein rechtlich nicht haften, "aber mir fehlt die Kraft, zu kämpfen". Gerade hat sie die letzte offene Rechnung beglichen. Unterhalt kommt nur sporadisch, oft muss sie hinterhertelefonieren. Psychische Belastungen gilt es zu ertragen, die Trennung der Eltern macht den beiden Buben zu schaffen.

Und am Arbeitsplatz sieht sich Natascha Obermair Vorwürfen ausgesetzt, weil sie wegen der Söhne nicht spontan und flexibel einsetzbar ist. Sorgen, die bedrücken. Als es nicht mehr ging, holte sich die zweifache Mutter Hilfe vom Jugendamt. "Ich stand kurz vor dem Burn-Out." Mit fachlicher Unterstützung konnte vieles in gute Bahnen gelenkt werden. Doch die finanzielle Not bleibt. Für staatliche Hilfen verdient die alleinerziehende Mutter gerade ein paar Euro zu viel. Große Einsparmöglichkeiten gibt es nicht. Die Wohnung ist zwar schlecht isoliert, aber eben auch groß genug und den Kindern ein vertrautes Umfeld. Außerdem: "Bei den teuren Mieten würde ich nichts Preiswerteres finden."

Die Buben wachsen rasch, bräuchten Winterstiefel, Jacken und Schneeanzüge. Dann ist in der Schule wieder Papiergeld fällig, oder einer der Söhne macht einen Klassenausflug. Oft sind das nur kleine Beträge, aber es summiert sich. "Und niemand fragt dich, ob du dir das gerade leisten kannst." Natascha Obermair schafft es deshalb kaum, Geld fürs Heizöl zurückzulegen. Der SZ-Adventskalender möchte helfen, damit die Obermairs es im Winter warm haben. Und unterstützt mit den Spendengeldern der Leser auch andere Familien, die in ähnlicher finanzieller Not leben.

© SZ vom 17.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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