Streunende Katzen:Wie die Kaninchen

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Auch im Landkreis vermehren sich herumstreunende Katzen unkontrolliert. Die Aufnahmekapazität des Dachauer Tierheims ist erschöpft, Rufe nach einer Kastrationspflicht werden immer lauter.

Andreas Glas

Wenn die Sommerferien beginnen, wird es eng in den Tierheimen. Darf der Hund häufig mit in den Süden, ist für ein anderes Familienmitglied meist kein Platz im Gepäck: die Katze. Das Münchner Tierheim hat einen Aufnahmestopp für Katzen beschlossen, in Dachau herrscht akuter Platzmangel. 91 Katzen sind derzeit im Dachauer Tierheim untergebracht, die Kapazitätsgrenze ist überschritten. Doch an der Urlaubszeit liegt dies nur bedingt. Viel drängender ist ein anderes Problem: die unkontrollierte Vermehrung herrenloser und streunender Katzen. Um diese einzudämmen, fordert die Tierschutzorganisation Peta am heutigen Internationalen Tag der Katze die Einführung einer Kastrationspflicht. Auch das Tierheim Dachau unterstützt die Initiative und verhandelt mit den Bürgermeistern der Landkreise.

Auch "Vince" wartet im Tierheim auf einen neuen Besitzer. (Foto: DAH)

Wir wissen nicht mehr, wohin mit den Katzen", sagt Silvia Gruber, die Vorsitzende des Tierschutzvereins Dachau. Das Katzenhaus im Tierheim war ursprünglich für 30 Tiere vorgesehen und wird derzeit erweitert. Die Bürgermeister im Landkreis haben einen Zuschuss von 150 000 Euro bewilligt. Bis der Bau fertig ist, hausen die meisten Katzen in gemieteten Bürocontainern. Platzmangel herrscht dennoch. Auch der Erweiterungsbau wird das Kapazitätsproblem nicht vollständig lösen.

Wie viele unkastrierte Katzen es im Landkreis Dachau gibt, weiß niemand so genau. Fest steht nur: Es sind viele und es werden immer mehr. Silvia Gruber schätzt die Zahl auf mehr als 200 000. Ihre Erklärung: Eine unkastrierte Katze und ihre Nachkommen könnten in nur sieben Jahren bis zu 42 000 weitere Katzen zeugen. Zwar erscheint diese Rechnung etwas übertrieben, doch ist die enorme Fortpflanzungskraft der Tiere bekannt. Ein Beleg hierfür sind die vielen Inserate, die sich in Anzeigenblättern unter der Rubrik "Zu verschenken" finden. Weil das Angebot die Nachfrage weit übersteigt, wird ein Großteil des ungewollten Nachwuchses ausgesetzt, getötet oder landet im Tierheim.

Oft sind die Streuner verwahrlost und krank, wenn sie im Tierheim ankommen. "Wir deuten immer ins Ausland, aber Katzen ohne Augen, mit amputierten Beinen oder solche, die nur noch ein Gerippe sind - die gibt es auch bei uns im Landkreis", sagt Gruber. Die Erstversorgung jener Tiere kostet den Tierschutzverein Dachau bis zu 600 Euro pro Katze. Selbst für einen gesunden Neuankömmling fallen für Impfung, Entwurmung und Kastration etwa 200 Euro an. Für Personal- und Betriebskosten wie Futter und Strom rechnet das Tierheim mit einem Tagessatz von 7,50 Euro je Katze. "Laut unserem Steuerberater ist dieser Satz aber nicht kostendeckend", sagt Gruber.

Um das Elend der Streuner zu lindern und eigene Ausgaben zu senken, tritt der Tierschutzverein Dachau seit einiger Zeit dafür ein, Katzen verpflichtend zu kastrieren - sowohl herrenlose Katzen als auch jene Tiere, die ihre Besitzer frei herumlaufen lassen. Die Tierarztkosten von 90 bis 120 Euro müssten die Katzenbesitzer dann ebenso selbst bezahlen wie all jene, die eine streunende Katze regelmäßig füttern. "Mir geht es nicht darum, Leute zu bestrafen", sagt Gruber, "aber mit dem bloßen Appell an das Verantwortungsbewusstsein der Tierhalter kommen wir nicht weiter. Wir brauchen ein Druckmittel, um die Leute in ihre Verantwortung zu zwingen."

Vorbild für das Dachauer Anliegen ist das sogenannte Paderborner Modell, das inzwischen von 140 deutschen Städten und Gemeinden übernommen wurde. In Bayern gibt es die Kastrationspflicht bislang aber nirgendwo. Die Begründung der Landespolitik: Es fehlt an einer gesetzlichen Grundlage für eine entsprechende Verordnung. Die Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutz sieht das anders. In einer Stellungnahme heißt es, dass es jeder Gemeinde selbst überlassen sei, die öffentliche Sicherheit zu wahren und Schäden von Mensch und Tier zu vermeiden.

Neben der unklaren Gesetzeslage gibt es ein weiteres Hindernis: Weil die wenigsten Katzen registriert sind, wäre es nahezu unmöglich, die Kastrationspflicht zu kontrollieren. Auch Silvia Gruber ist in dieser Hinsicht ratlos: "Die Lösung dieses Problems kenne ich auch nicht."

© SZ vom 08.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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