Blasmusik:"Die Tuba hat schon bei mir im Doppelbett geschlafen"

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In der Dachauer Stadtkapelle sind Kilian Bandt (links) und Thomas Schüll zwei von sechs Tubisten. (Foto: Toni Heigl)

In der Stadtkapelle Dachau spielen derzeit sechs Menschen das Instrument des Jahres: Sogar zwei Frauen sind unter den Tubisten. Wie sie dem Schwergewicht unter den Blechbläsern Töne entlocken und warum das Riesentrumm so fasziniert.

Von Dorothea Friedrich, Dachau

Wer Tuba spielt, muss standfest sein und gehörig Kraft aufbringen. Schließlich wiegt so ein Trumm von Musikinstrument aus glänzendem Blech mit seinem nach oben gerichteten, großen Schalltrichter und drei bis sieben Ventilen locker zwischen zehn und zwölf Kilo. Damit ist die Tuba als Männerinstrument prädestiniert, oder doch nicht? In der Stadtkapelle Dachau spielen derzeit sechs Menschen Tuba, im Alter von 14 bis 59 Jahren, darunter zwei Frauen. Für sie alle ist die Tuba nicht nur das Instrument des Jahres 2024, sondern das Musikinstrument schlechthin.

Stadtkapelle-Dirigent Michael Meyer erklärt bei einem Probenbesuch im Musikheim an der Burgfriedenstraße, welche Faszination von der Tuba ausgeht. "Das ist wie beim Hausbau. Man braucht ein gutes Fundament", sagt er. Das sind beim Orchester - und beileibe nicht nur im Blasorchester - Tuba und Schlagzeug. "Sie sorgen für Rhythmus und den Harmonieton", sagt Meyer. Dabei ist das traditionell vom Landesmusikrat Schleswig-Holstein und - mit Ausnahme von Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt - Landesmusikräten ausgerufene Instrument des Jahres keineswegs ein Klassiker.

Tuba-Soli fehlten lange Zeit im Konzertbetrieb

"Erfunden" wurde es vom Berliner Instrumentenbauer Carl Wilhelm Moritz, der es 1835 zusammen mit dem preußischen Musikinspizienten Friedrich W. Wieprecht zum Patent anmeldete. Der tiefe, satte Klang sollte die Militärkapellen bereichern und tat es auch. Schon bald verstärkte die Tuba auch die klassische Orchesterbesetzung; Hector Berlioz ließ sich von den Militärmärschen inspirieren und verschaffte ihr bereits 1838 einen großen Auftritt in seiner Oper "Benvenuto Cellini". Doch lange Zeit blieb die Tuba - der Name bedeutet schlicht und ergreifend "Röhre" - im Musikgeschehen eher so etwas wie ein ungeliebter Verwandter von Trompete, Horn und Co. Was auch das Fehlen von Tuba-Soli im Konzertbetrieb erklärt. Erst Ralph Vaughan Williams schrieb 1954 das vermutlich erste Konzert für Tuba und Orchester.

Wer wollte sich schließlich mit so einem Riesentrumm plagen, wo doch Streich- und Holzblasinstrumente ein so viel höheres Ansehen unter Musikern und beim Publikum genossen? Die Tuba fand ihren Stammplatz in der Volksmusik, im Jazz, im Dixieland und in Brass-Bands. Weil gerade letztere in den vergangenen Jahren einen gewissen Hype ausgelöst hatten - und weil es viel zu wenige Tubistinnen und Tubisten gab, wuchs auch das Interesse an der "Röhre". Schließlich hatte man damit als Musikerin oder Musiker ein gewisses Alleinstellungsmerkmal und keine schlechten Aussichten als Solist oder im Orchester zu reüssieren.

Die Stadtkapelle hat eine ungewöhnlich hohe Zahl an Tubisten

Manchmal war aber auch sanfter Druck im Spiel, so wie in der Stadtkapelle Dachau. Die beiden Tubisten Kilian Bandt und Thomas Schüll erzählen breit grinsend, wie Dirigent Meyer sie überredete, sich diesem Instrument zu widmen. Meyer wiederum strahlt, als er berichtet, wie eine mittlerweile 14-jährige junge Tubistin bereits in den Bläserklassen das Instrument für sich entdeckte, wie das Problem "kleines Mädchen und großes Instrument" elegant gelöst wurde und wie begeistert das Mädchen immer noch ihr Instrument spielt. Dazu sollte man wissen, dass die Bläserklassen Teil der umfassenden musikalischen Früherziehung sind, die die Stadtkapelle anbietet.

Zwei Jahre lang lernen Grundschulkinder in zwei Dachauer Schulen im Wechsel von Unterricht und gemeinschaftlichem Spiel ihr Instrument kennen und lieben. Anschließend haben sie die Möglichkeit, im Stadtjugendorchester mitzuspielen. Dieses besteht inzwischen aus rund achtzig Musikerinnen und Musikern, noch einmal ungefähr die gleiche Mitgliederzahl hat die Stadtkapelle, ein ausgewiesenes sinfonisches Blasorchester. "Wir haben inzwischen ein Luxusproblem, weil unsere Orchester so groß geworden sind", sagt Meyer und lacht. Weshalb es möglicherweise auch eine ungewöhnlich hohe Zahl an Tubisten in der Stadtkapelle gibt.

Kilian Bandt und Thomas Schüll jedenfalls erklären bereitwillig und mit großem Vergnügen, was den Unterschied zwischen einem Tuba-Spieler im Blasorchester und einem im sinfonischen Blasorchester ausmacht: "Wir dröhnen nicht Bumm Bumm Bumm", sagt Schüll und haut wie zur Bekräftigung kraftvoll auf eine Stuhllehne. "Wir spielen Mmh, Mmh, Brumm", fährt er mit ganz sanfter, tiefer Stimme fort. Da muss einfach jeder und jedem klar werden, was den Zauber der Tuba ausmacht: der ganz eigene, gute Klang. Dieser definiere sich über die Tiefe des Instruments, ergänzt Meyer. Wie derzeit in vielen Interviews mit Tubisten nachzulesen ist, haben auch Bandt und Schüll ein inniges Verhältnis zu ihrer Tuba. "Die hat schon bei mir im Doppelbett geschlafen", sagt Schüll. Und weil er dem Ruf der Tubisten als Spaßmacher im Orchester gerecht werden will, gibt es noch einen Musikerwitz als Zugabe: "Wir sind das Urinstrument. Warum? Na, es heißt doch: Vater, der Tubist im Himmel." Schüll dreht sich um und widmet sich seiner Tuba.

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