Klassik:Allerfeinste Töne

Lesezeit: 2 min

Geigenvirtuosin Soyoung Yoon aus Südkorea, am Piano begleitet von Marcin Sikorski, spielte beim ersten Dachauer Schlosskonzert des Jahres neuere englische Musik. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Beim ersten Dachauer Schlosskonzert des Jahres verzaubert die südkoreanische Geigenvirtuosin Soyoung Yoon das Publikum.

Von Karl Adolf Gottwald, Dachau

Neuere englische Musik steht in den Konzertprogrammen meist tief im Abseits. Letztlich hat es nur der Komponist Edward Elgar geschafft, auch hierzulande anerkannt zu werden. Dem Namen nach kennt man noch Ralph Vaughan Williams - leider fast nur dem Namen nach. Was man dabei versäumt, zeigte die koreanische Geigerin Soyoung Yoon mit dem Eingangsstück des ersten Dachauer Schlosskonzerts im neuen Jahr. Es war die für Violine und Klavier arrangierte Romanze "The Lark Ascending", die Vaughan Williams 1914 nach einem englischen Gedicht geschrieben hat. So etwas Schönes hat man schon lange nicht mehr gehört. Wie Soyoung Yoon mit ihrer Geige in der Musik von Vaughan Williams in den zartesten Tönen, die man sich vorstellen kann, eine Lerche bis in die höchsten Höhen steigen ließ, das war zauberhaft. Die Zuhörer waren auch wahrhaft bezaubert.

Dass die allerfeinsten Töne der Inbegriff von Yoons Geigenspiel sind, zeigte sich auch bei ihrer Interpretation der 1878 komponierten Violinsonate G-Dur op. 78 von Johannes Brahms. Auch diese Sonate hat Beziehungen zu einem Gedicht, nämlich zum fünf Jahre vorher geschriebenen "Regenlied" von Klaus Groth. Es ist zweifellos eines der feinsten Stücke von Brahms, zumindest der überaus anmutige erste Satz und das innig-weiche Adagio als zweiter Satz. Wer eine derart verinnerlicht spielende Solistin auf dem modernen Konzertflügel zu begleiten hat, ist nicht zu beneiden; denn er kann kaum vermeiden, dass der von Brahms oft sehr vollgriffig gesetzte Klavierpart stellenweise geradezu plump klingt. Marcin Sikorski am Steinway hatte jedenfalls einen schweren Stand.

Prokofjews Sonate wird zum Höhepunkt der Dachauer Schlosskonzerte

Nach der Pause trat Soyoung Yoon, vorher ihrem Musizieren entsprechend in Tüll gehüllt, nicht nur ganz anders gekleidet, sondern auch anders musizierend auf. Ihr Geigenton hatte jetzt auch Fülle und Kraft, aber bei den lyrischen Stellen blieb es beim außerordentlich bezaubernden Ton. Auf dem Programm stand die Sonate für Klavier und Violine Nr. 1 f-Moll op. 80 von Sergej Prokofjew. Von 1938 bis 1946 hat Prokofjew an dieser Riesensonate gearbeitet, die ihren Interpreten ein Äußerstes an Virtuosität, Musikalität sowie differenzierter Klangbildung und Kraft abverlangt.

Als im 20. Jahrhundert die sogenannte Neue Musik die romantische Musik des 19. Jahrhunderts ablöste, sah der eher konservative Musikschriftsteller Alfred Einstein das Triviale, das Abstrakte (vor allem bei Schönberg) und das Barbarische (bei Strawinsky) dieser Neuen Musik. Wenn man jetzt beim Dachauer Schlosskonzert nach der zart gespielten Brahms-Sonate die Violinsonate von Sergej Prokofjew hörte, wurde klar, warum auch das Barbarische als wesentliches Merkmal der Neuen Musik gesehen wurde. Doch auch Lyrik kommt hier nicht zu kurz. Nebenbei wurde auch klar, warum Marcin Sikorski in Polen als einer der herausragenden Pianisten für Kammermusik gilt. Die glänzende Aufführung der großen Sonate für Violine und Klavier von Prokofjew gehört sicher zu den absoluten Höhepunkten der Dachauer Schlosskonzerte.

Selbst die Zugabe war virtuos

Zwei Stücke von Astor Piazzolla wirkten nach Prokofjew wie eine Erholung- für die Spieler auf dem Podium, aber auch für die Zuhörer. Sechs rumänische Tänze von Béla Bartók dagegen wirkten wie eine problematische Neuinszenierung, bei der so viel Manierismus im Spiel ist, dass man die Stücke so wie sie Bartók selbst spielte, kaum mehr erkennen konnte. Ein etwas verzärtelter musizierter Satz einer Sonate von Johann Sebastian Bach und das virtuos gespielte Stück "Adagio und Allegro" von Georg Kreisler waren zwei begeistert aufgenommene Zugaben.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusAuszeichnung
:Pipi für Putin

Pussy Riot erhält den Dachau-Preis für Zivilcourage. Bei der Verleihung verurteilen die Aktivistinnen den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine - und appellieren, Deutschland nicht den "rechtsradikalen Faschisten" zu überlassen.

Von Gregor Schiegl

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: