Kabarett:Der humorvolle Brückenbauer

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Der Spruch "One World - One Crew" auf Simon Pearces Shirt ist Programm. Auf der Bühne zum Gasthof "Zur Post" spricht er aber über weit mehr als nur seine eigenen Rassismuserfahrungen. (Foto: Toni Heigl)

Simon Pearce beweist in Schwabhausen einmal mehr, dass er das kann: Verbindungen zwischen Menschen herstellen. Einfach deshalb, weil der Comedian über Ernstes so spricht, dass das Publikum darüber lachen muss.

Von Renate Zauscher, Schwabhausen

Ernste Themen so zu verpacken, dass man damit herzhaftes Gelächter provoziert: Genau darin besteht die Kunst guten Kabaretts. Einer, der diese Kunst beherrscht, ist Simon Pearce. Der Schauspieler, Comedian, Kabarettist und Synchronsprecher kann mittlerweile auf fast schon drei Jahrzehnte Bühnenerfahrung zurückschauen: Schließlich stand er schon mit vierzehn Jahren auf einer Münchner Bühne. Mitte Zwanzig entschied sich der heute 42-Jährige gegen den eigentlich angestrebten Lehrerberuf und für die Schauspielerei als Lebensinhalt. Mit seinem mittlerweile dritten kabarettistischen Soloprogramm war Pearce am Samstag Gast in der Schwabhauser Post.

"Hybrid" hat Simon Pearce dieses Programm getauft - und hat dabei nicht an Autos gedacht, sondern an das, was ihm in besonderer Weise am Herzen liegt: die Notwendigkeit, Verbindungen herzustellen zwischen Alten und Jungen, zwischen Stadt und Land, oder auch zwischen "Gemüseessern" und solchen, die sich lieber von Hamburgern ernähren.

Sich selbst sieht Simon Pearce als Brückenbauer zwischen den unterschiedlichen Lebenswelten. Und er bringt dabei als Sohn eines nigerianischen Vaters und einer deutschen Mutter auch persönlich die besten Voraussetzungen mit. In diesem Sinn ist natürlich auch die Botschaft zu verstehen, die er auf seinem T-Shirt trägt: "One world - one crew" steht da - ein Satz, über dem das Motto mit zwei sich verschränkenden Händen, eine schwarz, eine weiß, auch bildhaft unterstrichen wird.

"Ich kann Rassismus regelrecht wittern"

Als "hybrid" dürfte man wohl auch die Lebenserfahrungen bezeichnen, die Simon Pearce seit früher Kindheit und Jugend gemacht hat. Er ist gebürtiger Münchner, spricht ein sehr schönes, warmes, leicht südlich gefärbtes Deutsch - und hat doch immer wieder spüren müssen, dass er mit etwas dunklerer Haut als der Durchschnittsbayer als "fremd" wahrgenommen wird. Diese Erfahrung zieht sich als Thema durchs ganze Programm. Von Hass spricht Pearce, der ihm gelegentlich entgegenschlage, von Ablehnung, die er selbst bei flüchtigen Begegnungen auf der Straße empfinde. Für seine - nicht-schwarze - Frau sei das anfangs neu und eher unverständlich gewesen: dieses Gefühl, sich umschauen zu müssen, die Vorübergehenden scannen und auf rassistische Bemerkungen - vielleicht sogar Handlungen - reagieren zu müssen. "Ich kann Rassismus regelrecht wittern", sagt Pearce, das laufe "ganz automatisch" bei ihm ab.

Gelegentlich komme Rassismus aber auch "richtig süß" daher. So etwa, wenn die nette Nachbarin dem kleinen, übrigens weißen, Sohn ein vermeintlich "afrikanisches" Gutenachtlied vorsingt: "Das gefällt ihm doch sicherlich." Oder wenn eine ältere Frau im Bus dem damals 15-Jährigen Pearce übers Haar fährt und in schönem Bairisch feststellt: "Mei - wia a Schaf." Pearce aber ist einer, der schon immer schnelle Antworten parat hatte: Er greift der Dame vorsichtig mit zwei Fingern an das was bairisch "Goderl" heißt und was er als "Segel unterm Kinn" bezeichnet und erklärt: "Mei - wia a Truthahn".

Pearce "spielt" seine Geschichten mit viel körperlichem Einsatz

Im Übrigen fragt sich Pearce, wo denn das Schwarz-Sein tatsächlich beginnt. Nicht doch schon in Italien, wo die Menschen meist etwas dunkler sind als hierzulande? Und er versucht, nicht mit Verletztheit zu reagieren sondern, wo immer möglich, mit Humor und mit einem Gespräch. Der netten Nachbarin zum Beispiel erklärt er, dass sein Sohn sehr viel mehr Feldmochinger sei als "afrikanisch", was immer Letzteres auch sein mag.

In das Programm von Simon Pearce fließen aber nicht nur seine Erfahrungen mit offenem oder unterschwelligem Rassismus ein sondern auch die Alltagserfahrungen des täglichen Lebens: die eines Ehemanns und Vaters, eines Künstlers, der mittlerweile auch unterwegs von vielen erkannt und mit unterschiedlichen Begrüßungen und Kommentaren bedacht wird, eines häufigen Bahnreisenden, eines Freundes unter Freunden, mit denen er sich durchaus auch mal in der Kneipe trifft.

Und der inzwischen auch ziemlich gut weiß, wie Männer so ticken, wenn sie sich als Meister am Gartengrill oder Helden bei der Begleitung ihrer Frau im Kreißsaal präsentieren.

All dies liefert einem Kabarettisten jede Menge an Stoff. Stoff, den Simon Pearce allerdings in höchst persönlicher Weise verarbeitet. Er "spielt" seine Geschichten, die vielen Anekdoten, die in ununterbrochenem Redestrom aus ihm heraussprudeln, und füllt dabei den Bühnenraum mit großer Gestik und permanentem körperlich Einsatz - was vom Publikum immer wieder mit viel Gelächter quittiert wird.

Ganz zum Schluss des Abends kommt Pearce jenseits von anekdotischer Gesellschaftskritik und guten Pointen noch einmal auf sein großes Anliegen zu sprechen: "Wir müssen in den Dialog treten", fordert er. Zum unerwarteten Dialog kommt es schließlich auch noch mit einer Besucherin der Schau: Eine Frau aus dem Publikum präsentiert Pearce ein Gruppenfoto aus gemeinsamen Kindergartentagen und wird spontan von ihm umarmt.

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