Schönbrunn/Gauting:Leuchtendes Leben

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Elise, Roman und Silvia aus Schönbrunn beteiligen sich an einer überregionalen Ausstellung mit Werken von Autisten in Gauting

Von Jeannette Ohol i, Schönbrunn/Gauting

Umgeben von einer sanften Ruhe legt Brigitte Lobisch ihre Hand auf die Hand des Malers, der einen Pinsel hält. Vor ihm liegt ein Papierbogen. Lobisch stützt die andere Hand und übt auf sie einen Widerstand aus. Gezielt wandert der Pinsel von einem Farbtopf zum anderen. Heraus kommt eine Gemälde, das die tiefsten Gefühle des Malers ausdrückt. Die skizzierte Methode, die Lobisch als Kunsttherapeutin anwendet, wurde von ihr entwickelt und nennt sich gestütztes Malen. Die Menschen, die zu ihr nach Gauting kommen, können oft nicht sprechen, haben aber trotzdem viel zu sagen. Es sind Mädchen und Jungen, Frauen und Männer mit Autismus. 16 Malerinnen und Maler stellen nun von 5. März bis 24. April ihre Werke unter dem Titel "Malen ist Hoffnung" im Rathaus Gauting aus.

Unter ihnen sind auch Elise, Roman und Silvia, drei junge Menschen, die im Franziskuswerk Schönbrunn leben und in der Ausstellung mit je sieben Werken vertreten sind. In einem Ausstellungskatalog sind neben Kunstwerken und Begleittexten auch Kurzbiografien der Malerinnen und Maler zu finden, die von den Familien verfasst wurden. Roman, Elise und Silvia machen das, was junge Leute nun mal gerne tun. Sie treffen sich mit Freunden, wollen Tanzen gehen und das Leben genießen, auch wenn es für sie oft schwerer ist als für andere. Romans Familie beschreibt ihn als charmanten und fröhlichen jungen Mann. Im Sommer wird er 17 Jahre und besucht derzeit die Werkstufe in der Johannes-Häusler-Schule. Das Malen bei der Kunsttherapeutin skizziert er mit folgenden Worten: "Gute Malerei ist nicht lebensnotwendig für einen Autisten wie ich aber sie ist wunderbar einzigartig klärend und stärkend." Silvia ist 24 Jahre alt und liebt Urlaube mit ihren Eltern im Wohnmobil. Die Malstunden bei Brigitte Lobisch empfindet Silvia als "feines Zusammenarbeiten", das ihr im Herzen gut tue. Die 25-jährige Elise liebt Tiere, die Natur, Wanderungen und das Schwimmen im tiefen Meer. Die junge Frau wohnt in der Einrichtung Haus Immanuel und fungiert als Botin zwischen den einzelnen Förder- und Werkstattgruppen. Bereits seit 1998 malt sie bei Lobisch. Sie erlebt nach eigener Darstellung dabei das Gefühl, ein wertvoller Mensch zu sein. Frau Lobisch vermittelt ihr durch therapeutische Gespräche Geborgenheit und Sicherheit.

Den Stern nennt Malerin Elise ihren "ruhigen Abendstern", der in ihr "schwieriges Menschsein" wirkt. (Foto: Ausstellungskatalog)

Kommunizieren kann die Kunsttherapeutin mit den Künstlern mit Hilfe der gestützten Kommunikation (FC). Dafür wird eine Holztafel mit eingelassenen Buchstaben benötigt. Beim Zeigen auf die Buchstaben bietet Brigitte Lobisch, die Stützerin, dem Nutzer am Unterarm einen Gegendruck nach oben, einen Widerstand. Dadurch entsteht beim Nutzer der Impuls, diesen Widerstand zu überwinden. Eine willkürliche motorische Bewegung kann auf die Weise umgewandelt werden und der Nutzer steuert exakt einen gewünschten Buchstaben an.

Aus der gestützten Kommunikation hat die Kunsttherapeutin die Methode des gestützten Malens entwickelt, die vom Widerstandsprinzip her genauso funktioniert und zum Ausdruck befähigt. Das Malen als eine nonverbale Ausdrucksform bedeutet viel, da mit Farben und Formen zum Ausdruck gebracht werden kann, wo Worte fehlen. Autistische Kinder, Jugendliche und Erwachsene können durch das gestützte Malen der Außenwelt ihr Innerstes mitteilen, Gefühle, Sehnsüchte, Freuden und Hoffnung kommunizieren. "Ich biete mich als achtsames Gegenüber an", sagt Lobisch. Sie kann dabei helfen, Lebensprobleme betrachten zu lernen. Der Entstehungsprozess eines Kunstwerkes ist dabei für den Maler am wichtigsten. Die Kunsttherapeutin sieht ihre Arbeit dabei immer als "Partnerschaft auf Augenhöhe". Durch die Kommunikation über die Holztafel entstehen kurze, oft sehr besondere und poetische Texte, die sich auf das Kunstwerk beziehen.

Brigitte Lobisch entwickelte von 1994 an das gestützte Malen. Die Vernissage der Ausstellung "Malen ist Hoffnung" ist am Samstag, den 5. März. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Elise hat in einem ihrer Gemälde einen großen gelben Stern vor dunkelblauem Hintergrund gemalt. Neben dem Stern befindet sich eine kleinere Figur, die dem Stern entgegen geht. Elise schreibt zu ihrem Gemälde: "Ich bin erfüllt vom Licht meines ruhigen Abendsterns. Er zeigt mir, wie man erfüllt leuchten kann und wirkt fein in mein schwieriges Menschsein." Auch die anderen 114 Gemälde in der Ausstellung leuchten vor Leben. Sie geben einen intimen Einblick in die Seelen mutiger Menschen. "Mutig deshalb, weil Autisten lieber ihr Innenleben geheim halten, aber die Begleitung durch Frau Lobisch setzt Kräfte in uns frei, die uns zu neuen mutigen Mitgliedern der Gesellschaft macht", äußert sich Werner Arlt, ein Künstler der Ausstellung.

© SZ vom 03.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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