Schulwegstreit:Nicht zu weit, aber zu gefährlich

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Ein Feldweg verbindet den Ortsteil Riedenzhofen mit dem Hauptort Röhrmoos, wo sich auch die Grundschule befindet. Doch als Schulweg kommt dieser nach Ansicht der Polizei nicht infrage. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Ist ein Schulweg kürzer als zwei Kilometer, müssen Kinder für den Bus bezahlen. Das regelt eine Verordnung. Doch genau darüber haben Eltern aus Riedenzhofen, die Gemeinde Röhrmoos und das Landratsamt in den vergangenen Wochen heftig gestritten. Mit einem überraschenden Ergebnis.

Von Martin Wollenhaupt, Röhrmoos

Die neun Riedenzhofener Grundschüler werden wieder kostenlos mit dem Schulbus zur Gregor-Märkl-Grundschule gefahren. Das ist das Ergebnis eines monatelangen Streites, der für Aufregung bei der Grundschule, der Gemeinde Röhrmoos und den betroffenen Eltern gesorgt hatte.

Die Grundschüler aus dem kleinen Ortsteil Riedenzhofen hatten ihren Anspruch auf kostenlose Beförderung zur Schule am Kirchplatz in Röhrmoos verloren. Grund war eine Neubewertung ihres Schulweges durch das Landratsamt. Die Behörde wies einen Feldweg, der Riedenzhofen mit Röhrmoos verbindet, als neuen Schulweg aus. Dieser ist führt ein paar Hundert Meter an Äckern entlang. Doch der neue Weg ist zu kurz, damit die Schüler weiterhin kostenlos Bus fahren dürfen. Ist der Schulweg kürzer als zwei Kilometer, müssen Eltern die Beförderung ihrer Kinder zur Schule selbst bezahlen, das regelt eine Verordnung.

Laut Polizei besteht die Gefahr, dass fremde Personen die Kinder auf dem Feldweg ansprechen

Die Aufregung war groß. Betroffene Eltern, der Röhrmooser Bürgermeister Dieter Kugler (CSU) und die Schulleitung setzten sich dafür ein, dass die Entscheidung rückgängig gemacht wird. Der BR berichtete über einen Vater, der "aus allen Wolken gefallen" sei, als er einen Brief des Landratsamtes bekomme habe, und die Kinder nun selbst zur Schule fahre. Mit dem Auto. Das Bild, das den BR-Beitrag illustriert, zeigt den Feldweg an einem dusteren Nebeltag.

In Kritik geriet nicht nur die Tatsache, dass am Ende des Feldweges eine Kreisstraße überquert werden muss, ohne Zebrastreifen, ohne Ampel. Das 570 Meter lange Stück über den Feldweg ist zudem unbeleuchtet, schwer einsehbar und wird im Winter nicht geräumt. Für die Kinder sei dies eine Gefahrenquelle, meinten die Eltern, auch im Hinblick auf mögliche Übergriffe.

Dass es überhaupt zur Neubewertung des Schulweges kam, scheint das Ergebnis eines bürokratischen Kompetenzgerangels zwischen Gemeinde und Landkreis zu sein. Fest steht: Es hat eine Anfrage der Gemeinde Röhrmoos an das Landratsamt gegeben. Was allerdings Inhalt dieser Anfrage war, darüber gehen die Meinungen auseinander.

Eine Ampel oder einen Zebrastreifen gibt es hier nicht

Das Landratsamt teilt mit, die Gemeinde Röhrmoos selbst, die sich später als Gegner der Neubewertung positionierte, habe die Prüfung der besonderen Gefährdung in Auftrag gegeben. Die Gemeinde weist dies zurück. Inhalt der Anfrage sei vielmehr eine Neuvermessung gewesen, so die Kommune. Es habe Zweifel gegeben, ob der ursprüngliche Schulweg der Riedenzhofener, der über die Brücke bei der Indersdorfer Straße führt, wirklich länger als zwei Kilometer lang sei. Die Vermessung sei aber, antwortet das Landratsamt auf Anfrage der SZ, Aufgabe der Gemeinde. Man selbst untersuche lediglich, ob ein Schulweg gefährlich sei.

Bei der Prüfung stieß das Landratsamt jedenfalls auf den Feldweg. In der Theorie eine gute Option: Er ist als Fuß- und Radweg ausgewiesen. Dass die Route bisher nicht berücksichtigt wurde, liegt an einem früheren Gutachten, das die Überquerung der Kreisstraße für zu gefährlich einstuft. Eine Ampel oder einen Zebrastreifen gibt es hier nicht.

Die Polizeiinspektion Dachau schaute sich den Weg im Zuge der erneuten Prüfung nun noch einmal an. Das Ergebnis: Die Überquerung der Kreisstraße stelle keine besondere Gefährdung mehr dar. Denn: "Kann der Schulweg mit den Schülern geübt werden und können Gefahrensituationen durch Verhalten des Schülers umgangen werden, so liegt keine besondere Gefährlichkeit vor", so das polizeiliche Gutachten.

Die Schüler dürfen wieder kostenlos Bus fahren

Nach dem Protest der Eltern und einer abermaligen Überprüfung, folgte die Kehrtwende. Die besondere Gefährlichkeit des Feldweges sei ab sofort wieder gegeben, hieß es vom Landratsamt. Dieser sei als Schulweg nicht mehr geeignet. Die Begründung der PI Dachau ließ aufhorchen. Plötzlich war nicht mehr nicht die Kreisstraße ausschlaggebend für die Gefahr. Stattdessen könne, so Christian Olschowsky von der PI Dachau, nicht ausgeschlossen werden, dass die Kinder auf dem Feldweg von unbekannten Personen angesprochen würden.

Vorangegangen waren zwei solcher Fälle im Oktober in Röhrmoos und Altomünster. Nach Angaben der Polizei seien in Röhrmoos in der Nähe der Sparkasse zwei neunjährige Jungen auf ihre Fußballtrikots angesprochen worden. Der Mann sei selbst Fan des Vereins, habe dieser gesagt und sei dann wieder gegangen. Aufgefordert mitzukommen habe er die Kinder nicht. Zum Fall in Altomünster macht die PI Dachau keine genaueren Angaben. Laufende Ermittlungen seien der Grund. Bekannt ist, dass ein Unbekannter eine Grundschülerin ansprach, während der Schulpause im Außenbereich der Grund- und Mittelschule Altomünster. Die Schülerin entfernte sich und wandte sich an eine Lehrkraft. Als diese den Mann suchte, war der wieder verschwunden.

"Es sind voneinander unabhängige Fälle, die nichts mit Riedenzhofen zu tun haben", erklärt Polizist Olschowsky. Trotzdem habe man sich entschlossen, den Feldweg aufgrund der Vorfälle nun "eher streng" zu bewerten.

Somit bleibt letztlich alles beim Alten: An diesem Montag beginnt die Schule, die Herbstferien sind vorbei. Die Schüler aus Riedenzhofen dürfen wieder kostenlos den Bus nutzen.

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