Prozess um Mord in Erdweg:27-Jähriger soll Rentnerin aus Habgier getötet haben

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In einer kleinen Gemeinde wurde vor einem Jahr eine 76-Jährige gefoltert und brutal ermordet - die Nachbarschaft stand unter Schock. Nun steht der mutmaßliche Täter vor Gericht.

Von Benjamin Emonts, München/Erdweg

Am Donnerstag beginnt am Landgericht München II der Prozess im Erdweger Mordfall. Einem 27-jährigen Mann wird vorgeworfen, vor ziemlich genau einem Jahr eine Rentnerin in ihrem Haus im Erdweger Ortsteil Großberghofen (Landkreis Dachau) aus Habgier kaltblütig gefoltert und getötet zu haben. Das 76-jährige Opfer war als langjährige Mitarbeiterin im Erdweger Rathaus über die Gemeindegrenzen hinaus beliebt. Insgesamt sind für den Prozess sechs Verhandlungstage angesetzt.

Der mutmaßliche Mörder, der zum Tatzeitpunkt in Erdweg wohnte, sitzt seit dem 3. November 2014 in Untersuchungshaft. Er hat die Tat inzwischen gestanden. Die bisherigen Ermittlungen haben folgenden Tathergang ergeben: Unter dem Vorwand, telefonieren zu müssen, verschaffte sich der Angeklagte am Nachmittag des 28. Oktober 2014 Zugang zum Haus der ihm bekannten Frau. Aus deren Portemonnaie, das im Esszimmer lag, entwendete der Angeschuldigte eine EC-Karte. Um die PIN zu erpressen, folterte er die 76-Jährige regelrecht. Insgesamt soll der Erdweger 14 Mal mit einem Messer zugestochen haben.

Gewürgt, geschlagen und gestochen

Die Rentnerin starb wegen massiven Blutverlusts; außerdem war sie gewürgt worden. Die ermittelnden Beamten hielten sich monatelang bedeckt über den genauen Tathergang. Weil kein Täterwissen an die Öffentlichkeit gelangen sollte, waren sie zu keiner Andeutung bereit. Mitte April 2015 veröffentlichte die Staatsanwaltschaft München II den aktuellen Ermittlungsstand und erhob Anklage. Demnach hatte der mutmaßliche Täter das Opfer gewürgt, geschlagen und mit einem Messer in den Hals und das Gesicht gestochen.

Die Ermittler gingen damals schon von Habgier als Motiv aus: Am 17. Oktober 2014 war die schwangere Freundin des Beschuldigten wegen einer nicht beglichenen Geldstrafe in Höhe von 1350 Höhe in das Frauengefängnis Aichach gebracht worden. Noch am selben Tag soll der drogensüchtige Erdweger seine Eltern gebeten haben, die Schuld zu begleichen, damit seine ebenfalls alkohol- und drogenabhängige Freundin aus dem Gefängnis freikommt. Die Eltern lehnten ab. In den folgenden Tagen trat der Mann mit der gleichen Bitte an seinen Großvater sowie Verwandte der Inhaftierten heran - ebenfalls ohne Erfolg. Einer Bekannten soll der Erdweger daraufhin mitgeteilt haben, er werde einen Raubüberfall begehen oder sich notfalls umbringen, wenn er weiterhin ohne seine Freundin leben müsse.

Videoaufzeichnungen verrieten den mutmaßlichen Täter

Die Kriminalpolizei Fürstenfeldbruck kam dem 27-Jährigen wegen Geldabhebungen auf die Spur, wie kurz nach der Verhaftung bekannt gegeben wurde: Unmittelbar nach der Tat hatte der Erdweger den Ermittlungen zufolge Schmuckstücke aus dem Haus des Opfers entwendet und sich mit der EC-Karte vom Erdweger Busbahnhof über Dachau nach München abgesetzt. Dort hob er an mehreren Tagen 4000 Euro in Münchner Bankfilialen vom Konto der Ermordeten ab. Mit einem Teil des Geldes kaufte er seine Freundin am 29. Oktober frei.

Ein Kaminkehrer hatte die Leiche der Rentnerin am 31. Oktober - drei Tage nach der Tat - in ihrem Haus in Großberghofen aufgefunden. Zwei Tage später nahm die Polizei den damals 26-jährigen Drogenabhängigen fest. Ein Beamter der Kriminalpolizei Fürstenfeldbruck hatte den vielfach vorbestraften Mann auf den Videoaufzeichnungen einer der Bankfilialen wiedererkannt, weil er gegen ihn bereits wegen einiger anderer Delikte ermittelt hatte. Seit seiner Festnahme sitzt der dringend Tatverdächtige im Gefängnis München-Stadelheim in Untersuchungshaft.

Angst um die eigene Sicherheit

Die Menschen in der knapp 6000 Einwohner zählenden Gemeinde Erdweg stimmte die Nachricht über den Mord fassungslos. Insbesondere die Bürger, die in der näheren Umgebung des Tatorts leben, fürchteten während der fast sieben Monate andauernden Ermittlungen um ihre Sicherheit.

Das 76-jährige Mordopfer war eine beliebte Bürgerin in der Gemeinde. Sie engagierte sich für den Seniorenklub, nahm an der örtlichen Malgruppe teil, die sie zeitweise leitete, und arbeitete bis zu ihrer Pensionierung 25 Jahre lang im Einwohnermeldeamt der Kommune. Im Dezember 2012 zeichnete sie der damalige Landrat Hansjörg Christmann (CSU) mit dem Ehrenzeichen des bayerischen Ministerpräsidenten aus. Etwa 300 Menschen gaben der 76-jährigen auf dem Großberghofener Friedhof das letzte Geleit.

© SZ vom 21.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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