Prozess:Schmutzige Videos auf dem Rechner

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Ein 20-Jähriger muss sich wegen der Verbreitung von Kinderpornografie im Internet vor Gericht verantworten, wo der Richter ihm gründlich ins Gewissen redet.

Von Daniela Gorgs, Dachau

Der Clip nennt sich "Daddy's girl makes Daddy come". Ein Mann missbraucht ein fünfjähriges Mädchen. Es ist nur eines der Videos, die sich ein damals 18-jähriger Mann auf den Rechner herunterlud. Er hatte großes Interesse an Mädchen, die ihren Peinigern zu Willen sind. Zehnjährige, die sexuell posieren, sich entkleiden und mit gespreizten Beinen vor der Kamera liegen, einen Mann befriedigen oder sich selbst. Auch Aufnahmen, die Achtjährige beim Geschlechtsverkehr zeigen, speicherte der junge Mann auf seinem PC. Bei einer Wohnungsdurchsuchung fand die Polizei noch mehr als 20 Videodateien, obwohl der 18-Jährige glaubte, alles gelöscht zu haben.

Jetzt muss sich der inzwischen 20-Jährige vor dem Jugendgericht wegen Besitzes und Verbreitung von Kinderpornografie verantworten. Der Prozess ist ihm sehr unangenehm. Gleich zu Beginn legt er ein Geständnis ab, räumt die Vorwürfe ein und bedauert alles sehr. Als ihn Jugendrichter Daniel Dorner später nach vorne zu seinem Pult bittet, um die Beweisfotos anzusehen, steht er gebückt, stützt sich mit den Händen an der Tischkante ab und nickt nur. Ja, all diese Bilder habe er bei Tauschaktionen heruntergeladen und weiterverschickt. Der junge Mann berichtet, wie er über das Internet-Chatportal ICQ von unbekannten Usern erste Bilder von nackten Mädchen bekam. Mädchen, drei bis vier Jahre jünger als er selbst, hätten ihn interessiert. Mit 17 habe er angefangen, diese Dateien zu tauschen. Fotos, die er selbst "schlimm" fand, habe er sofort gelöscht.

Ob er sich Gedanken gemacht habe, wie die Videos entstehen, möchte der Jugendrichter wissen. Es ist mehr eine rhetorische Frage. Dorner möchte dem Angeklagten eine Lektion erteilen. "Das machen die Kinder nicht freiwillig", sagt er, um dann sehr deutlich fortzufahren: "Sie haben dazu beigetragen, dass ein regelrechter Markt entsteht." Wenn es niemanden geben würde, der sich die Bilder ansieht, gäbe es auch keine Nachfrage. Der letzte Vorfall ist gut zwei Jahre her. Laut Sachverständigengutachten chattete der Angeklagte letztmals im April 2013. Auf die Frage des Richters, wie der 20-Jährige die Situation heute beurteile, antwortet dieser: "Es war eine schlimme Phase, die eine Zeitlang anhielt." Heute habe er kein Interesse mehr an Kinderpornografie.

Der Bericht der Jugendhilfe am Gericht bestätigt dies. Der Angeklagte habe sich im Gespräch mit der Anmerkung "damals war ich jung gewesen" selbst von den Taten distanziert. Sexuelles Interesse werde von Jugendlichen oftmals als beschämend empfunden. Das Internet habe mit seinem vermeintlich anonymen Rahmen vermutlich auch eine Rolle für die Straftaten gespielt. Der Angeklagte habe damals erheblich unter sozialen Ängsten gelitten. Lange sei er von Klassenkameraden gemobbt worden und habe deshalb oft die Schule gewechselt. Zur Ahndung hält die Vertreterin der Jugendhilfe im Gericht eine Geldauflage für angemessen.

Der Jugendrichter allerdings sieht den jungen Mann lieber in einer Therapie. "Ich würde gerne überprüfen lassen, ob noch Gefährdungen da sind." Richter Dorner verurteilt den 20-Jährigen wegen Besitzes und Verbreitung von kinderpornografischen Schriften zu 48 Stunden Hilfsdienste bei dem Sozialverein "Brücke". Zudem muss sich der Angeklagte bei der Fachambulanz für Sexualstraftaten vorstellen und abklären lassen, ob Behandlungsbedarf besteht. Und: Er muss die Kosten des Verfahrens tragen. Mit dem Urteil folgt Dorner den Forderungen der Staatsanwältin. Der Verteidiger beschreibt die familiäre Situation als schwierig und fordert eine Geldauflage für seinen Mandanten, der sich noch in der Ausbildung befindet.

In der Urteilsbegründung hält Dorner dem Angeklagten dessen umfassendes Geständnis zu Gute. Er habe sich einsichtig und reumütig gezeigt. Doch will der Richter den Mann nicht ohne eine weitere Mahnung gehen lassen: "Auch wenn sich alles anonym im Netz abspielt, vergessen Sie nicht, es sind reale Personen, die dazu missbraucht werden."

© SZ vom 19.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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