Petershausen:Rentner auf Rachefeldzug

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65-Jährigen stören die Motorroller von Berufspendlern, die am Bahnhof Petershausen abgestellt wurden. Der Mann greift zur Selbstjustiz. Wochenlang lässt er aus den Vorderreifen der Fahrzeuge die Luft.

Von Helmut Zeller

Die Bundespolizei hat einen fast schon grotesken Fall von Selbstjustiz in Petershausen aufgeklärt: Ein 65-jähriger Rentner ärgerte sich schon seit Monaten derart heftig über Motorroller, die von Berufspendlern am Bahnhof abgestellt wurden. Im März reichte es dann dem Mann. Täglich ging er zum Bahnhof und ließ an mehreren Motorrollern die Luft aus den Reifen, in einem Fall gleich fünfmal innerhalb weniger Tage. Das konnte kein Zufall mehr sein. Der 21 Jahre alte Sohn eines Mannes, der in München arbeitet, legte sich am Bahnhof auf die Lauer. Er ertappte den Rentner, als er sich gerade an mehreren Vorderreifen zu schaffen machte. Der 65-Jährige war, wie die Bundespolizei in München mitteilte, sofort geständig - viel mehr als die Beamten fürchtet er offenbar seine Frau. Der hat er seinen Rachefeldzug nämlich verschwiegen.

"Schon wieder ein Platten." Dieser Satz entwich im März mehreren genervten Pendlern, nachdem sie mit der Bahn von ihrem Job aus München zurückkehrten und vor ihren Motorrollern standen. Sehr ärgerlich: Die Berufstätigen mussten nach einem harten Arbeitstag ihr Fahrzeug nach Hause oder zur nächsten Tankstelle in Petershausen schieben. Dass ein Rentner aus dem Landkreis hinter der Platten-Serie steckte, ahnte keiner der betroffenen Rollerfahrer. Der 65-Jährige ärgerte sich schon seit Monaten über die Berufspendler, die ihre Fahrzeuge auf der Abstellfläche für Fahrräder parkten und schon auch mal den Zugang zur Behindertentoilette versperrten. Irgendwann hatte der Mann die Nase voll - und "der Sheriff in ihm schlug durch", wie Polizeisprecher Wolfgang Hauner der SZ sagte. Der Mann wandte sich jedoch nicht an die Polizei oder an die Gemeindeverwaltung, er nahm die Sache selbst in die Hand. Vermutlich würde er noch heute als geheimnisvoller Rächer den Bahnhof unsicher machen, hätte er es nicht übertrieben. Ein 55-jähriger Arbeiter fand gleich fünfmal einen Platten an seinem Roller. "Beim ersten Mal dachte ich noch, ich sei in einen Nagel gefahren", sagte der Zeuge der Polizei. Als er tags darauf wieder einen Platten hatte und ihn ein anderer Mann ansprach, ob er auch keine Luft mehr im Reifen habe, wurde er argwöhnisch.

In den nächsten Tagen musste er jedesmal nach seiner Rückkehr den Motorroller stets mühsam zur nächsten Tankstelle schieben. Schließlich übernahm der 21-jährige Sohn des Mannes aus Petershausen kurzerhand die Überwachung des Tatortes. Zusammen mit einem 22-jährigen Freund postierte er sein Auto eines Morgens am Parkplatz des Bahnhofs Petershausen so, dass beide den abgestellten Roller des Vaters im Blick hatten. Es dauerte nicht lange, dann erschien ein älterer Mann, der sich zum Roller daneben beugte und an dessen Vorderrad hantierte. Kurz darauf beugte er sich auch zum Motorroller des 55-Jährigen. Die beiden Detektive stiegen sofort aus und hörten noch das laute Zischen der entweichenden Luft. Sie stellten den Mann zur Rede und machten mit einem Mobiltelefon Bilder, mit denen der Täter später von der Polizei identifiziert werden konnte.

Der 65-Jährige war der Bundespolizei zufolge in der Vernehmung sofort geständig. Der Rentner war eigentlich ein sympathischer, ganz normaler Bürger, dem die Nerven durchgegangen sind, wie Polizeisprecher Hauner sagte. Lustig fanden die Beamten den Vorfall jedoch nicht. Denn manche Vorderreifen der Roller waren nicht völlig platt, die Besitzer bemerkten den Schaden nicht und fuhren los. Ihnen drohte ein Unfall mit unabsehbaren Folgen. Die Polizei hat bisher vier Geschädigte ermittelt. Es könnten aber viel mehr sein.

Nach einem Gespräch unter anderem zum Thema Selbstjustiz zeigte sich der 65-Jährige einsichtig und bat persönlich bei einem seiner Opfer um Verzeihung. Die Bundespolizei ermittelt gegen den Mann wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr. Schlimm genug, aber jetzt muss er erst einmal seiner ahnungslosen Frau die Geschichte verklickern.

© SZ vom 16.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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