Neue Mitte:Karlsfeld im Nahkampf

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Der Streit um die Neue Mitte eskaliert in drei Bürgerinitiativen, einem Bürgerbegehren und in einem Vorstoß von Bürgermeister Kolbe für ein Ratsbegehren.

Von Gregor Schiegl

Herzlich geht es unter den Kontrahenten um eine Neue Mitte für Karlsfeld nicht zu. Vor einem Jahr hatte jemand dieses Herz in den Sand gezeichnet. (Foto: joergensen.com)

Drei Bürgerinitiativen, ein geplantes Bürgerbegehren und nun auch noch ein Ratsbegehren, das der Rathauschef auf den Weg bringen will: Das Ringen um das geplante Karlsfelder Ortszentrum "Neue Mitte" wird immer chaotischer, der Ton der Auseinandersetzung immer schärfer. Mechthild Hofner, Sprecherin der Bündnis-Fraktion im Gemeinderat, kritisierte den jüngsten Vorstoß von Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU) am Montag als "Mogelpackung", die mit echter Bürgerbeteiligung nichts zu tun habe. Das Ratsbegehren diene einzig und alleine dem Zweck, dem Bürgerbegehren zuvorzukommen, für das die Bürgerinitiative (BI) "Ortsentwicklung Karlsfeld" und "So nicht" derzeit Unterschriften sammeln. SPD-Fraktionssprecher Reinhard Pobel verteidigte den Vorstoß hingen als sinnvollen Schritt, "bevor sich alles überschlägt und sich auch noch eine vierte Bürgerinitiative gründet, die eine halbe Mitte fordert."

Am Freitagnachmittag hatte Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU) überraschend angekündigt, ein neues Ratsbegehren initiieren zu wollen. Aus seiner Absicht hatte er dabei keinen Hehl gemacht: "Ich will die Neue Mitte und werbe dafür um eine klare Mehrheit." Die CSU-Fraktion war darüber informiert, die SPD zumindest darauf vorbereitet. Nur das Bündnis für Karlsfeld, das als einzige Gruppierung die neuen Investorenplanungen geschlossen ablehnt, erfuhr erst aus Zeitungsberichten davon.

"Das ist ein taktischer Schachzug des Bürgermeisters, uns den Wind aus den Segeln zu nehmen", sagte Bernd Rath von der Bürgerinitiative (BI) "Ortsentwicklung Karlsfeld". Sicherlich werde es nun etwas schwieriger werden, die Karlsfelder zu motivieren, eine Unterschrift für den Antrag auf ein Bürgerbegehren zu leisten, das auf eine Beibehaltung des alten Bebauungsplans abzielt, das der frühere Hamburger Investor HIH konzipiert hatte. "Aber wir werden mit unseren Aktivitäten nicht nachlassen." Die BI werde dem Gemeinderat die zahlreichen gesammelten Unterschriften vorlegen, um zu zeigen, wie massiv der Widerstand in der Bevölkerung sei.

Der stellvertretende CSU-Fraktions- und Ortsverbandsvorsitzende Holger Linde sagte, seine Fraktion habe in den vergangenen Wochen schon mehrere Szenarien durchgespielt: entweder die BIs bekommen die erforderliche Zahl von Unterschriften nicht zusammen; sie starten ein Bürgerbegehren; oder die Gemeinde werde selbst initiativ und mache ein Ratsbegehren. Für diesen Schritt hat sich der Bürgermeister nun entschieden - übrigens nicht zum ersten Mal: 2010 startete er ein Ratsbegehren zur Ausweisung eines neuen Gewerbegebiets im Grünzug an der Schleißheimer Straße. Damals verlor die Gemeinde die Abstimmung klar, angeblich, weil es nicht gelungen war, die eigenen, vornehmlich älteren Anhänger in ausreichendem Maße zu mobilisieren. Der Abstimmungstermin am 22. September, der mit der Bundestagswahl zusammenfällt, soll dieses Desaster diesmal verhindern.

Bürgermeister Kolbe betonte am Montag, dass es ihm vor allem um eine "tragfähige Entscheidung" gehe. Diese setze eine möglichst breite Wahlbeteiligung voraus. "Es nützt mir nichts, wenn sich wieder nur 30 Prozent beteiligen", sagte er. "Dann wird immer spekuliert: Was denkt die schweigende Mehrheit?" Dass es um Taktik geht, bestreiten allerdings nicht einmal die Apologeten der neuen Planungen. "Die Gemeinde wollte das Heft des Handelns nicht aus der Hand geben", sagte Johann Willibald, Sprecher der Bürgerinitiative "Ja! zur Neuen Mitte".

Die etwa 30 Mitglieder starke BI hatte sich erst jüngst als Gegenpol zu den anderen beiden BIs gegründet, um dem Eindruck entgegenzuwirken, die beiden Mitte-kritischen Bürgerinitiativen allein bildeten die Meinung der Karlsfelder ab. Diese neue BI könnte nun zu einer wichtigen mobilen PR-Einheit im Wettstreit um die öffentliche Meinung werden. "Der Gemeinderat sieht sich, aus welchen Gründen auch immer, nicht in der Lage, viele Dinge so klar auszusprechen, wie es eigentlich notwendig wäre", sagt Willibald. In diese Rolle könnte seine BI stoßen: "Wir wollen ehrlich aufklären und mit Vorurteilen aufräumen, etwa, dass in der Neuen Mitte ein sogenanntes Wohnghetto entstehe."

Als verlängerten Arm des CSU-/SPD-dominierten Gemeinderats will Willibald seine BI, der unter anderem SPD-Gemeinderätin Anita Neuhaus angehört, ausdrücklich nicht verstanden wissen. Auch sein Amt als CSU-Geschäftsführer habe mit seinem Engagement als Bürger nichts zu tun. "Ich bin hier als freischaffender Künstler."

Die Sprecherin der Bündnis-Fraktion Mechthild Hofner nannte es dennoch "befremdlich", dass sich Gemeinderäte und Parteimitglieder in der BI engagierten. "Das zeigt, dass die Befürworter keine große Anhängerschaft außerhalb ihrer Parteikreise finden." Bislang hätten sich die Mitglieder ihrer eigenen Fraktion bewusst in keiner der BIs betätigt. "Das wird sich jetzt wahrscheinlich auch ändern." Karlsfeld steht noch ein heißer Sommer bevor. SPD-Fraktionssprecher Reinhard Pobel richtet sich auch schon darauf ein, dass es im August diesmal politisch nicht mehr so ruhig zugehen wird wie sonst: "Es gibt einen wichtigen Wahlkampf zu gestalten."

© SZ vom 23.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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