Ausstellung in Dachau:Beziehungsstatus: Es ist kompliziert

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Die Skulpturen von Christian Rösner hinterfragen auch immer wieder die Positionen im Verhältnis zwischen Mensch und Tier. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Neue Galerie Dachau präsentiert Grafiken von Stephanie Marx und Skulpturen von Christian Rösner. In ihren Arbeiten thematisieren sie den Umgang des Menschen mit dem Tier - kritisch, aber auch mit künstlerischem Witz.

Von Renate Zauscher, Dachau

Wie steht es um den Menschen? Wie um sein Verhältnis zum Tier, zu der ihn umgebenden Natur und zu der von ihm erschaffenen Welt der Maschinen? Um diese große Frage, die heute aktueller ist denn je, kreist die am Donnerstag eröffnete Ausstellung der Neuen Galerie Dachau. Sie präsentiert grafische Arbeiten von Stephanie Marx und Skulpturen des Bildhauers Christian Rösner.

"Mensch - Tier - Maschine" ist die Schau des Zweckverbands Dachauer Galerien und Museen überschrieben. Um den Aspekt einer in menschliche und tierische Körper wuchernden Technik, die Strukturen und Funktionen natürlicher Körper übernimmt, geht es Stephanie Marx. Die gebürtige Dresdnerin hat in Berlin zunächst Kommunikationsdesign an der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft studiert; daran schloss sie ein Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig an, wo sie 2018 die Leitung der Werkstatt für Holzschnitt übernahm.

Mischwesen aus Natur und Technik

In der Neuen Galerie sind überwiegend großformatige Linolschnitte von Marx zu sehen, die Mischwesen aus organischen und maschinellen Bestandteilen darstellen: Kreaturen, in denen sich pflanzliche Elemente mit Teilen menschlicher Gliedmaßen oder auch tierische Körper mit hochkomplexen technischen Strukturen verbinden. Manchmal bezieht sich Marx dabei auf bestimmte, einem Tier zugeschriebene Eigenschaften wie etwa in der Arbeit mit dem Titel "Adlerauge", in der der Vogel zur scharfsichtigen Kamera mutiert. Manchmal spielt eine ironisch gemeinte Sprachanalogie mit hinein wie beispielsweise bei dem Linolschnitt, der ein Mischwesen aus Hund und Motorrad zeigt und den Titel "Triumph" trägt.

Wenn Marx eine Impala-Antilope mit prächtigem Gehörn in den Rahmen einer Hochspannungsleitung setzt, dann war wahrscheinlich die Form des Tieres ausschlaggebend für den Gedanken, der der surreal wirkenden Arbeit zugrunde liegt. Es gehe Marx nicht um vordergründige Kritik, erklärte Jutta Mannes, Kuratorin der Neuen Galerie, in ihrer einführenden Rede am Eröffnungsabend, dennoch konfrontiert die Künstlerin den Betrachter mit Fragen, die gerade mit Blick auf eine immer mehr von Künstlicher Intelligenz beherrschten Zukunft durchaus beängstigend wirken.

Das Tier darf sich auch den Menschen untertan machen

Vergleichbare Fragen und Überlegungen stellt auch Christian Rösner in den Raum. Zentrales Thema des Künstlers, der an der Akademie der bildenden Künste in Nürnberg studiert hat, als freischaffender Bildhauer arbeitet und seit 2004 einen Lehrauftrag an der Technischen Hochschule in Nürnberg hat, ist das Verhältnis zwischen Mensch und Tier. Dabei stellt er das tradierte Bild des Menschen, der das Tier beherrscht, auf den Kopf: Immer wieder übernimmt das Tier die Position des Überlegenen. Der Gorilla, der in einer überdimensionalen Holzskulptur auf den Knien eines Menschen sitzt, überwältigt diesen durch seine schiere Größe.

Ein anderer Gorilla, den Rösner in einer kleinen Bronzeplastik darstellt, klettert an einer menschlichen Figur hinauf und umfasst würgend deren Hals. Der Wolf in der Arbeit "Mutter und Wolf" trinkt zwar an der Brust der ihn säugenden Frau, bleibt aber selbst in dieser intimen Pose ein den Menschen benutzendes Raubtier. Und in der Plastik mit dem Titel "Dich holt der Teufel" sitzt der gehörnte Satan auf einem galoppierenden Pferd und frisst gerade ein winziges Menschlein.

Diese tierische Mopedkonstruktion, "Triumph", ist wahrscheinlich schnell wie ein Windhund. (Foto: Niels P. Jørgensen)
"Hasant" hoppelt das Häschen mit integriertem Motorblock. (Foto: privat/Neue Galerie Dachau)
Der Aufforderung "Bleib doch" wird in dieser Skulptur rabiat Nachdruck verliehen. (Foto: privat/Neue Galerie Dachau)
Wer kann hier wem was zuleide tun? (Foto: Niels P. Jørgensen)
Das Tier als Werkstoff: plattgewälzter Hase aus Holz. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Immer wieder ist das Tier bei Rösner aber auch der ausgebeutete, gequälte Teil der Schöpfung. So wird ein Hase in einer Druckerpresse plattgewalzt, ein kleiner Hund blickt voller Angst nach oben, wo eine große Zange unbarmherzig seinen Kopf im Griff hält. Tröstlich allenfalls ein lebensgroßes Schaf, das so wie Rösners andere Holzplastiken grob mit der Motorsäge bearbeitet wurde, wobei Körperteile wie Kopf und Ohren zusätzlich an den Korpus montiert sind. Im Bildwerk der "Frau mit Trophäen" sind es Tierkörper aus Keramik, die der hoch aufgerichteten weiblichen Figur beigegeben wurden.

Der Herstellungsprozess bleibt transparent

In der Regel geht der Arbeit an den Holzskulpturen, deren größere in Dachau aus Raumgründen gar nicht gezeigt werden können, die Schaffung kleiner Bronzeplastiken zum selben Thema voraus. Die Oberfläche der Holzskulpturen wird nach der Bearbeitung mit der Motorsäge nicht mehr geglättet, oft bleiben Reste der Vorzeichnung auf dem Holz erhalten. Trotz der gewollt sichtbaren Spuren des Herstellungsprozesses verfügen die Bildwerke über kraftvolle Eleganz und Leichtigkeit.

Wie also soll, ja, muss der Mensch dem Tier begegnen, das er einerseits - so wie Rösner den eigenen Hund - als Familienmitglied liebt und andererseits jagt, tötet, in industrielle Hallen und Käfige sperrt oder für Experimente missbraucht? Der Künstler stellt damit eine Frage, die an das grundsätzliche Selbstverständnis des Menschen rührt und angesichts der vielfach gequälten Kreatur in seinem Werk pessimistisch stimmen muss.

"Wir sind geradezu verpflichtet, nicht alles pessimistisch zu sehen"

Diesem Pessimismus will Rösner aber nicht das letzte Wort lassen, sondern vielmehr der negativen Sicht entgegentreten, mit der so viele die Welt betrachten: "Wir sind geradezu verpflichtet, nicht alles pessimistisch zu sehen", sagt er. Und so kann auch die "Arche Noah", die als Gipsmodell eines im fränkischen Burgebrach stehenden Brunnens als Symbol der Hoffnung gesehen werden.

Die Ausstellung in der Neuen Galerie ist noch bis zum März zu sehen. Elisabeth Boser, die sie als Geschäftsleiterin des Zweckverbands letztmalig in dieser Eigenschaft eröffnet hat, verweist dabei auf Führungen durch die Schau am 28. Januar und am 17. März sowie auf ein Künstlergespräch, bei dem auch Stephanie Marx - anders als am Donnerstag - anwesend sein wird. Der Termin wird noch bekannt gegeben.

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