Münchner Straße:Noch ein Zentrum für Karlsfeld

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Nach dem Großprojekt Neue Mitte sollen auf 40 000 Quadratmeter Fläche Wohnungen, Gewerbe, Lokale und Kindertagesstätten entstehen - der alte Ludlhof wird abgerissen, nur die historische Kapelle bleibt stehen

Von Christiane Bracht, Karlsfeld

Von den meisten völlig unbeachtet, steht hinter einem schäbigen Bauzaun, bedeckt von viel Straßenstaub am Rande der Münchner Straße der historische Ludlhof. Er ist das letzte Stück des alten Karlsfelds zusammen mit der kleinen denkmalgeschützten Kapelle daneben. Manch ein Karlsfelder betrachtet den inzwischen heruntergekommenen, ja verfallenen Bauernhof, der einst der schönste im Ort war, als Schandfleck und wünscht sich, dass er möglichst bald verschwindet. Ideen, was anstelle des Hofs entstehen soll, gab es schon viele in den vergangenen 40 Jahren. Bauland weckt eben Begehrlichkeiten.

Die Gemeinde sah und sieht auf dem etwa 40 000 Quadratmeter großen, zentral gelegenen Areal Entwicklungsmöglichkeiten für den Ort und wünscht sich einen "Brückenschlag" zur Neuen Mitte und zudem eine Verbindung zur Nibelungenstraße. Die Eigentümer präferierten vor acht Jahren einen 800 Quadratmeter großen Supermarkt mit Parkplätzen. Zwei Veränderungssperren erließ der Gemeinderat bereits, um das zu verhindern. Man fürchtete die Konkurrenz zur Neuen Mitte. Diese Supermarktpläne sind nun längst ad acta gelegt, doch es gibt neue Ideen: Ein Investor hat offenbar recht konkrete Entwürfe für Neubauten eingereicht. In nicht-öffentlicher Sitzung ist wohl auch schon oft darüber diskutiert und gestritten, nachgebessert und verändert worden.

Im Dezember 2016 gab es bereits einen Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan auf dem Ludl-Areal. "Damals war es noch ein eher vager Entwurf", erklärt Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU) der SZ. Jetzt hat der Gemeinderat erneut einen Aufstellungsbeschluss gefasst. Gewerbe, Handel, Gastronomie, Kindertagesstätte und im hinteren Bereich, etwas abgeschirmt von der Münchner Straße, sollen Wohnungen entstehen. Der Investor hat sogar schon ein Modell angefertigt, doch über die genauen Pläne hüllt sich die Gemeinde bislang in Schweigen. "Wir wollen die Bürger in den Planungsprozess mit einbinden", sagte Kolbe. "Mehr als es das Baurecht eigentlich vorsieht", führte Christian Hörmann von der Beratungsfirma "Cima", die die Gemeinde bei dem Verfahren unterstützt, in der Gemeinderatssitzung aus. "Außerdem wollen wir gute Augenhöhe zu den Investoren herstellen."

Das Anwesen Nummer zwölf von Ignaz und Anna Ludl ist eines der ältesten Gebäude der noch recht jungen Gemeinde Karlsfeld. Jetzt muss das alte Gehöft einem großen Bauvorhaben weichen. (Foto: Toni Heigl)

Zwei Bürgerbeteiligungen sind bis Mitte 2019 vorgesehen. Im Herbst beginnt die erste "Phase der Öffentlichkeit". Verwaltung, Architekt und Investoren werden dann ihre Sicht der Dinge darstellen. "Wir wollen zugänglich und umfassend informieren", sagte Hörmann. Die Bürger haben die Möglichkeit, sich gleich bei der Infoveranstaltung zu Wort zu melden, sie können ihre Meinungen und Bedenken aber auch schriftlich äußern. Der Gemeinderat soll dann über alles diskutieren. Den Prozess wird die Cima moderieren. Hörmann hofft auf eine offene und breite Beteiligung. "Stimmungslagen sind nicht gut für die Gemeinde", sagte Kolbe, deshalb sei es gerade bei der Größenordnung des Grundstücks und der Wertigkeit wichtig, die Bürger mitzunehmen. Auf dem Ludl-Areal soll eine erweiterte Mitte entstehen. Wer nun glaubt, die Planungen beginnen bei Null und man habe alle Möglichkeiten, der irrt. Grundlage ist noch immer der vom Investor vorgelegte Entwurf. Mitreden dürfen die Bürger, wenn es um Baudichte und Gebäudehöhen geht. Einfluss nehmen dürfen die Karlsfelder auch auf die Art der Nutzung, und es wird wohl über ein rundes Gebäude debattiert werden, das sich der Investor als Blickfang vorstellt. Dann muss über die Erschließung nachgedacht werden und darüber, ob ein Platz gut wäre. Aber die Entscheidung über die Rahmenbedingungen wird am Ende der Gemeinderat treffen. Und diese soll, das machten Hörmann und Kolbe sofort klar, auf wirtschaftlichen Erwägungen fußen. "Es existieren Bindungen", so Hörmann. "Wir wollen uns an den Vorstellungen des Investors reiben, um maximale Qualitäten herauszuholen." Die öffentliche Debatte wird vom Investor mitgetragen.

"Die Bürger müssen mitbekommen, welcher Umgriff überplant wird", monierte Mechthild Hofner (Bündnis für Karlsfeld). Nur ein verschwommenes Luftbild sei zu wenig. Die Pläne müssten mitgeteilt werden, damit die Leute einen Eindruck bekommen, forderte sie. Hörmann erklärte, man habe den Entwurf des Investors absichtlich nicht gezeigt, damit niemand denke, alles sei bereits beschlossen. "Der Investor weiß nicht, ob er so bauen will", sagte Hörmann.

Schnell zeigte sich, dass die Nerven bei den Gemeinderäten schon jetzt angespannt sind und die Debatten in nicht öffentlicher Sitzung offenbar sehr kontrovers waren. Hofner und Bernd Rath vermissten die überarbeiteten Entwürfe, wie man es in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen habe. Holger Linde (CSU) forderte sogleich eine Rüge zu erteilen, weil Hofner dadurch aus seiner Sicht aus nicht öffentlicher Sitzung geplaudert habe. Ursula Weber (CSU) griff Birgit Piroué (Bündnis für Karlsfeld) an, weil diese Bedenken geäußert hatte. "Innerhalb von dreieinhalb Jahren sind wir um 10,8 Prozent gewachsen. Das ist sehr viel. Wir müssen erst unsere Hausaufgaben machen", bevor man noch mehr Wohnungen baue, forderte Piroué. "Je mehr Einwohner, je mehr verschulden wir uns." Denn damit brauche man mehr und mehr Kinderbetreuungsplätze und Schulen. Die Gemeinde komme so schon nicht nach.

Die denkmalgeschützte Ludl-Kapelle an der Münchner Straße. (Foto: Toni Heigl)

Weber indes erinnerte, dass der Investor die Ansiedlung von Gewerbe an der Münchner Straße ermögliche, einem der beiden Standorte, die es in Karlsfeld noch gebe. "Können wir uns eine Ablehnung da noch leisten?" Vizebürgermeister Stefan Handl (CSU) gab zu bedenken, dass es noch Jahre dauern werde, bis die Wohnungen realisiert werden könnten. Franz Trinkl (SPD) begrüßte die Bürgerbeteiligung. "Es gibt viel zu gewinnen", sagte er. "Geförderte Wohnungen sollen entstehen und die brauchen wir dringend. Professionell mit den Bürgern das Gebiet zu entwickeln ist eine Chance." Schließlich solle man sich in dieser erweiterten Mitte gerne aufhalten.

Und was soll mit der denkmalgeschützten Kapelle geschehen? "Die bleibt. Wir wollen versuchen, sie mehr herauszustellen", sagt Kolbe. Der alte Bauernhof indes wird abgerissen.

© SZ vom 07.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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