Mitten im Jahr 2019:Zeitmaschine City-Bus

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Die Buslinie 719 fährt vom Dachauer Bahnhof über die Altstadt und wieder zurück - dachte man zumindest bislang. (Foto: Niels P. Joergensen)

Eigentlich nur aus Faulheit ist man morgens in den Bus am Dachauer Bahnhof gestiegen. Doch wie durch ein Wunder macht man vor dem Halt im Büro einen Zwischenstopp im Jahr 2019.

Glosse von Jacqueline Lang, Dachau

Wie oft hat man sich in den gut zwei Jahren schon gewünscht, einfach in eine Zeitmaschine einsteigen und in einer Zeit vor der Pandemie wieder aussteigen zu können. Mittlerweile wäre man ja sogar schon froh, wenn man zumindest in einer Zeit vor dem 24.Februar rauskommen würde. Das war zwar nicht der erste Tag des Ukraine-Kriegs, aber doch immerhin der Tag an dem der russische Angriffskrieg begann und alles noch einmal um ein Vielfaches schlimmer wurde. Aber, so oft man es als kleines Kind auch probiert hat: Diese verflixten Zeitmaschinen wollten einfach nie so richtig funktionieren.

Mit zunehmenden Alter hatte man sich schließlich damit abgefunden, dass das wohl einfach nicht geht: durch die Zeit hüpfen, wie es einem beliebt, Lieblingsmomente immer und immer wieder neu erleben. Ganz anders die Dachauer Stadtwerke: Die haben nämlich offenbar weiter an einer funktionstüchtigen Zeitmaschine getüftelt und sie ganz still und heimlich auch längst in Betrieb genommen, gut getarnt als City-Bus. Woher man das weiß? Man ist eines morgens am Dachauer Bahnhof nichts ahnend aus Faulheit in die Buslinie 719 gestiegen und, schwupps, war man im Vor-Corona-Jahr 2019. Die Indizien dafür muss man freilich etwas suchen, immerhin war ja vor drei Jahren nicht die ganze Welt anders - zumindest nicht beim Blick aus dem Fenster.

Als die gute Beobachterin, die man ist, fällt einem aber bei genauerem Hinsehen ein verdächtiges Plakat auf. "Wir suchen die beliebteste Busfahrerin bzw. den beliebtesten Busfahrer 2019" steht darauf zu lesen. Und klar, man erinnert sich an diese Aktion, schließlich hat die Süddeutsche Zeitung damals den Preis gemeinsam mit dem MVV zusammen ausgelobt. Gute Zeiten waren das. Nur seltsam, dass auch im Jahr 2019 plötzlich alle Masken im ÖPNV tragen. Aber das ist wohl die Macht der Gewohnheit, die man auch als Zeitreisende nicht so leicht abzulegen vermag.

Natürlich ist es auch etwas fragwürdig, warum einen eine perfekt entwickelte Zeitmaschine in eine Zeit versetzen sollte, in der man auf dem Weg ins Büro und nicht, sagen wir, in den Urlaub ist, aber die Erfinder wollen die Sache wohl langsam angehen lassen. Und dadurch, dass man praktisch gar nicht merkt, dass man beim Einsteigen in den Bus durch die Zeit reist, kann man das Wunderwerk auch ganz unauffällig auf seine Alltagstauglichkeit testen. Genial.

Wäre da nur nicht ein klitzekleiner Haken: Kaum ist man eingestiegen, muss man auch schon wieder aussteigen, denn der Bus hat die Zielhaltestelle am Dachauer Rathaus bereits erreicht - Zeitmaschine hin oder her. Die Türen gehen also auf, man steigt widerwillig aus und ist wieder im Jahr 2022, diesem drecksvermaledeiten. Andererseits: Immerhin für gute sieben Minuten Fahrzeit war die Welt relativ in Ordnung. Und ob das nun wirklich an der absonderlichen Zeitmaschine Namens City Bus gelegen hat oder der Musik auf den Ohren, ist angesichts dieses kurzen Alles-ist-okay-Moments eigentlich auch völlig egal.

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