Markt Indersdorf:Vernetzt in Eigenregie

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Rüdiger Schmidt (v.li.), Franz Obesser, Berthold Fehr, Hans Probst-Heigl und Uwe Krabbe drücken den Startknopf ins schnelle Internet. (Foto: Toni Heigl)
  • Bürgerinitiative hat das Breitband-Projekt angestoßen.
  • Investitionen der Gemeinde werden durch die Pachteinnahmen refinanziert.
  • In einem Jahr sollen alle Ortsteile ans schnelle Internet angeschlossen sein.

Von Julian Erbersdobler, Markt Indersdorf

Einen Knopfdruck vom neuen Internet-Zeitalter entfernt, spricht Bürgermeister Franz Obesser (CSU) in Niederroth von einem Tag, "der das Prädikat historisch verdient hat". Kurz darauf wird angestoßen. Auf den Tag, an dem die Marktgemeinde an das Glasfasernetz angeschlossen wird - zumindest die ersten 400 Häuser rund um Niederroth, dessen Einwohner als erste von der Millionen-Investition der Gemeinde profitieren werden. Bis zum Herbst 2016 sollen alle 59 Ortsteile vernetzt sein.

Obesser rechnet mit einem finanziellen Gesamtvolumen von rund zehn Millionen Euro. Bisher sei ein Drittel des Geldes für den Status quo ausgegeben worden, sagt er. "Wir sind sowohl im Kosten- als auch im Zeitplan", bestätigt Uwe Krabbe vom Hamburger Ingenieurbüro für Datenkommunikation LAN Consult. Der Planer bezeichnet den Breitbandausbau in Indersdorf als "Pilotprojekt", das selbst über Bayern hinaus seines Gleichen suche. Das Besondere: Die Investitionen der Gemeinde werden komplett durch die Pachteinnahmen refinanziert. Wenn alles läuft wie geplant, könnte das in etwa 25 Jahren der Fall sein. Damit entstehe nach Abzahlung ein kommuneneigenes Netz, bei dem "die Gemeinde die Hand drauf hat". "Das Netz gehört uns", sagt Obesser stolz.

Durch die öffentliche Ausschreibung, so Planer Krabbe, konnten zudem die Baukosten niedrig gehalten werden, der Zinssatz sei dank der Organisationsform des Projektes niedrig. Je höher die Anschlussquote, desto schneller sei die Finanzierung abgeschlossen. Eine Win-Win-Situation für Bürger und Gemeinde: Wer den Vertrag mit dem Betreiber KMS bis zum Stichtag am 30. November vergangenen Jahres unterzeichnet hatte, erhielt den Anschluss kostenlos. Obesser: "Es war sehr wichtig, dass wir bis dahin die 60 Prozent-Marke knacken konnten." Aktuell liege die Anschlussquote bei knapp 65 Prozent, sagt er, und rechnet damit, dass sich noch einige "Nachzügler" anschließen werden.

118 Kilometer Rohrmaterial verlegt

Seit dem Spatenstich Ende Februar 2015 hat sich in der Marktgemeinde einiges getan: Mittlerweile wurden in 800 Häusern Leerrohre verlegt und die Hälfte bereits mit Glasfaser versehen. Insgesamt entspricht das einer Strecke von 118 Kilometer Rohrmaterial unter der Erde, das mit 50 Kilometer Glasfaser ausgestattet wurde. Dafür mussten etwa 5000 Quadratmeter Gehwege geöffnet werden. Diese Maßnahme habe die Gemeinde gleich genutzt, um sanierungsbedürftige Abschnitte in Ordnung zu bringen, so Uwe Krabbe. Die großflächigen Baumaßnahmen seien von der Bevölkerung sehr positiv aufgenommen worden. "Das ist keine Selbstverständlichkeit, wenn man deswegen im Stau stehen muss", betont er. Bürgermeister Obesser sagt, dass viele Bürger das Engagement aller Beteiligten ausdrücklich loben würden.

Die Planungen für ein schnelles Internet haben in Markt Indersdorf schon vor Jahren begonnen - angestoßen von einer Bürgerinitiative. "Wenn man ein Bild als E-Mail-Anhang verschicken will, ist das schon ein Ding der Unmöglichkeit", sagt Berthold Fehr. Gemeinsam mit einem Kreis von etwa 15 anderen engagierten Bürgern hat der Elektrotechniker und Betriebswirtschaftler nach Lösungen gesucht. Mit Erfolg, wie sich jetzt zeigt.

Obwohl der Glasfaserausbau nicht zur Daseinsvorsorge und damit nicht zu den Pflichtaufgaben einer Gemeinde gehört, nahm die Kommune das Projekt selbst in die Hand. Mehrere Modelle waren in der Diskussion, bis sich der Gemeinderat dafür entschied, das Glasfasernetz von einem Betrieb in kommunaler Eigenregie errichten zu lassen und es an einen Betreiber zu verpachten. Die Gemeinde veranstaltete in mehren Ortsteilen Informationsabende, um die Bürger über das Projekt aufzuklären. Zum gleichen Zweck wurde ein Infobüro am Marktplatz installiert.

Der Bürgermeister ist begeistert

"Ich bin absolut begeistert, wie das Projekt in unserer Gemeinde umgesetzt wird", sagt er. Von Mittwoch an wird auch Fehr in den Genuss schneller Übertragungsraten kommen, die dem heutigen Zeitalter entsprechen. Bisher sei nicht mehr als gerade mal ein Megabyte möglich, sagt er. Dank des Anbieters KMS kosten ihn dann 25 Megabyte im downstream, also zum Beispiel beim Herunterladen von Daten, rund 30 Euro im Monat. 50 Megabyte gibt es für 35 Euro, 100 Megabyte kosten 40 Euro.

Neben dieser Schnelligkeit, erläutert Krabbe, sei das Besondere an der Datenübertragung durch Glasfaser im Gegensatz zu Kupferkabeln auch die "Point to Point"-Übertragung: Jedes Haus ist mit einem eigenen Glasfaserkabel an die Betreiber-Zentrale rund 40 Kilometer entfernt in Unterföhring angeschlossen und muss sich keinen Zugang mit anderen Haushalten teilen. Das neue Netz wird so leistungsstark sein, dass Telefonieren, Surfen im Internet und Fernsehen gleichzeitig möglich wird.

"In unserer Gemeinde kann auch ein kleiner Bauernhof im Glasfasernetz surfen", sagt Bürgermeister Obesser. Dass sein Wohnhaus in dem Gebiet ist, das noch länger auf schnelles Internet warten muss, bezeichnet er mit einem Augenzwinkern als einzigen "Wehrmutstropfen" des Projekts. Wenigstens könne er schon bald im Rathaus in den Genuss der Glasfasertechnologie kommen.

© SZ vom 21.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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