Prognosen:Elf Kandidaten im Wahlkampffieber

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Die ersten Plakatständer für die Landtagswahl im Oktober stehen bereits, wie hier am Floriansbrunnen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die heiße Phase des Landtagswahlkampfes im Landkreis Dachau hat begonnen. Die SPD will aus ihrem Tief heraus, die Grünen möchten an ihren Wahlerfolg anknüpfen und die Freien Wähler stehen mit ihrem Parteichef Hubert Aiwanger unter großem Druck.

Von Helmut Zeller, Dachau

Dachau im Wahlkampfmodus: 15 Parteien und elf Direktkandidaten kämpfen um den Einzug in den Bayerischen Landtag. In der vergangenen Woche haben die Parteien ihre Wahlkampfplakate mit den Gesichtern der Bewerber in der Stadt aufgehängt - darunter ist nur eine Frau, die 19-jährige Sonja Zacherl (V-Partei³), die für Klimaschutz und Tierrechte eintritt.

Sie wird die Konkurrenten der großen Parteien nicht schlagen. Doch die Entscheidung fällt am 8. Oktober und liegt bei den 108 000 wahlberechtigten Bürgern und Bürgerinnen im Landkreis. Die Wahlbeteiligung lag bei der Landtagswahl 2018 bei 77, 6 Prozent, fünf Jahre davor war sie noch um acht Prozent geringer ausgefallen.

Mit großen Überraschungen rechnet für den Wahlabend kaum jemand. CSU-Spitzenkandidat Bernhard Seidenath, seit 2008 Landtagsabgeordneter, wird das Rennen aller Voraussicht nach wieder machen. Spannend bleibt es dennoch: Die SPD will sich aus ihrem Tief erheben, die Grünen wollen auf ihren überwältigenden Wahlsieg von 2018 aufbauen - und alle beobachten angespannt den wachsenden Zuspruch, den die AfD in der Bevölkerung findet.

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Die AfD schickt im Stimmkreis 113 den Dachauer Stadtrat Jürgen Henritzi ins Rennen. Die Bundes-AfD ist vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft worden, die Partei klagte dagegen und scheiterte vor Gericht, ist allerdings in Berufung gegangen. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. 2018 erhielt die AfD im Landkreis auf Anhieb 9,1 Prozent der Stimmen. Jetzt liegt die Partei bayernweit je nach Umfrageinstitut bei zwölf bis 18 Prozent - und kämpft mit Grünen und Freien Wählern (FW) um den zweiten Platz nach der CSU, die auf 37 bis 39 Prozent kommt. Die Nervosität steigt. Im Juli hatte die SPD-Fraktion im Dachauer Stadtrat noch versucht, per Verordnung zu vermeiden, dass die AfD ihre Botschaften in unmittelbarer Nähe zu Wahlplakaten anderer Parteien platziert. Konkret forderten die Genossen: Sollte an einem Platz zum Beispiel bereits ein SPD-Plakat hängen, dürfte darüber oder darunter keine andere Partei ihre Werbung platzieren. Der Vorschlag fand keine Mehrheit.

Der Blick der CSU ist vor allem auf die Grünen gerichtet

Für die CSU hat die heiße Wahlkampfphase schon vor einer Woche begonnen, mit dem bejubelten Auftritt des Ministerpräsidenten Markus Söder im Dachauer Bierzelt vor - laut Veranstaltern - 3000 Besuchern. Die CSU und ihr Spitzenkandidat mussten bei der Wahl 2018 herbe Verluste einstecken: 13 Prozent an Erststimmen und fast 15 Prozent an Gesamtstimmen. Zwar ging Seidenath mit 34,2 Prozent der Wählerstimmen als klarer Sieger hervor. Aber der Schock saß tief.

Der Blick der CSU ist vor allem auf die Grünen gerichtet. Es war auch ein überwältigendes Ergebnis, das sie vor fünf Jahren einfuhren. Der damalige Spitzenkandidat, Stadtrat Thomas Kreß, bekam 15,9 Prozent der Erststimmen, das zweitbeste Ergebnis hinter dem CSU-Konkurrenten Seidenath. Die Partei kam auf 17, 1 Prozent - fast schon eine Zeitenwende im schwarz dominierten Dachauer Land.

Die Grünen schicken diesmal den Dachauer Stadtrat Martin Modlinger ins Rennen - und hoffen, dass der in nationalen und internationalen Netzwerken aktive Politiker den Erfolgskurs fortsetzen wird. Für den Kandidaten besteht daran kein Zweifel: "Wir wollen regieren, und wir werden regieren", sagt Modlinger. Nur die landesweiten Umfragen dämpfen die Erwartungen: Die Grünen liegen demnach zwischen 12,5 und 16 Prozent und streiten um ihren Platz als zweitstärkste Kraft hinter der CSU mit der AfD sowie den Freien Wählern, die derzeit auf elf bis 13,5 Prozent kommen.

Koalition ist wegen antisemitischen Flugblatts einer großen Belastung ausgesetzt

Die Freien Wähler im Landkreis haben den Landwirt Johann Groß als Kandidat nominiert. Der Bergkirchner Gemeinde- und Kreisrat ist ein erfahrener Kommunalpolitiker. 2018 erreichten die FW mit ihrer Spitzenkandidatin Martina Purkhardt 13,4 Prozent der Gesamtstimmen, einen Zuwachs um fünf Prozent. Im Landkreis erwarten die Freien Wähler, dass sie die Regierungskoalition in Bayern nach der Wahl fortsetzen werden, CSU-Chef Söder hat sich bereits entsprechend erklärt.

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Seit Wochen steigen die Umfragewerte von Hubert Aiwanger. Aber jetzt ist da dieses Flugblatt, das er als Siebzehnjähriger geschrieben haben soll, eine Hetzschrift, in der es um das "Vergnügungsviertel Auschwitz" geht, um antisemitische Fantasien. Bayerns Wirtschaftsminister lässt bestreiten, so etwas produziert zu haben.

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Doch nun ist die Koalition einer großen Belastung ausgesetzt: Recherchen der SZ zufolge soll Hubert Aiwanger, Vizeministerpräsident und Freie-Wähler-Chef, als 17-jähriger Schüler 1987/88 ein antisemitisches Flugblatt verfasst haben - mit Sätzen wie "Freiflug durch den Schornstein von Auschwitz" und anderen unerträglichen Anspielungen auf die Shoah. Aiwanger bestreitet die Urheberschaft für dieses Pamphlet vehement; inzwischen hat sein älterer Bruder erklärt, er habe es verfasst. Hubert Aiwanger hatte, das räumte er ein, eine oder einige Kopien in seiner Schultasche, weshalb er zum Schuldirektor einbestellt wurde und zur Strafe ein Referat über das "Dritte Reich" halten sollte.

Für die SPD gibt es wenig Anlass zur Hoffnung

Die Kreis-SPD mit ihrem Spitzenkandidaten Hubert Böck, Indersdorfer Kreis- und Gemeinderat, will sich aus ihrem Tief hochstrampeln. Die Partei verlor 2018 fast zwölf Prozent der Stimmen, ihr Landtagsabgeordneter Martin Güll, der in der Bevölkerung geschätzt war, sogar sein Mandat. Die Sozialdemokraten erzielten gerade mal kümmerliche 10,6 Prozent an Gesamtstimmen. Die aktuellen bayernweiten Umfragen geben wenig Anlass zur Hoffnung: Die Partei steht je nach Umfrage bei neun bis elf Prozent.

Fraglich ist, ob es die FDP wieder in den Landtag schafft. Sie liegt sechs Wochen vor der Wahl zwischen drei und vier Prozent - bayernweit. An Dachau soll es nicht liegen: Der Orthopäde Frank Sommerfeld hatte vor fünf Jahren, als er zum ersten Mal für den Landtag kandidierte, ein kleines Wunder zustande gebracht. Es gelang ihm auf Anhieb, den Stimmenanteil für sich und die nicht gerade verwöhnten Liberalen im Landkreis fast zu verdreifachen - auf knapp sechs Prozent der Wählerstimmen. Jetzt tritt Sommerfeld wieder an, mit dem Slogan "Mich bewegt, was Euch bewegt".

Stimmkreisleiter rechnet mit einer Zunahme von Briefwählern

Die weiteren Landtagskandidaten: Für die ÖDP geht der Karlsfelder Adrian Heim ins Rennen, für Die Linke/mut Andreas Krämer, für die Bayernpartei Hubert Dorn und für "Volt" Samuel Grimm - diese Parteien sind bei der Wahl 2018 unter der Fünf-Prozent-Marke geblieben. Außerdem treten Kleinparteien ohne Direktkandidaten an: "Die Partei", die Tierschutzpartei, die Partei der Humanisten und die "Die Basis", ihr werfen Kritiker eine Nähe zur "Querdenken"-Bewegung vor.

Wahlumfragen sind keine Prognosen für das Wahlergebnis. Sie bilden die politische Stimmung ab und enthalten statistische Fehler von 1,5 bis 3 Prozentpunkten. Außerdem muss man beachten, dass ein Teil der Wahlberechtigten zum Zeitpunkt der Erhebung noch nicht endgültig entschieden hat, ob er überhaupt und wen er wählt. Von den 104 000 Wahlberechtigten im Jahr 2018 gingen 81 301 zur Wahl, davon wählten 31 174 per Briefwahl. Stimmkreisleiter Michael Laumbacher im Landratsamt Dachau rechnet mit einer Zunahme von Briefwählern, wie er im Gespräch mit der SZ sagte. Der Trend setze sich vor allem bei Wahlen fort, in denen Stimmzettel so groß wie Handtücher verwendet würden - für die in den Wahlkabinen kaum Platz ist.

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