Amtsgericht Dachau:Wenn die Pferde mit einem durchgehen

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Der Fall wird vor dem Dachauer Amtsgericht verhandelt. (Foto: Swen Pförtner/dpa)

Die Hofbetreiberin und eine langjährige Reitschülerin verlieren die Kontrolle über eines der Tiere und schlagen es. Gegen eine Geldauflage wird das Verfahren gegen die beiden Frauen eingestellt. Es hat sich wohl um eine einmalige Ausnahmesituation gehandelt.

Von Jacqueline Lang, Dachau

Ob und wie schmerzhaft die Schläge der Longierpeitsche gewesen sind, das kann man Obelix nicht fragen und damit nicht wissen. Fest steht vor dem Dachauer Amtsgericht deshalb am Ende der Verhandlung nur: Dieser eine Tag vor rund zwei Jahren, als das braune Pferd eine Vielzahl an Schlägen abbekommen hat, war offenbar eine Ausnahme. Denn selbst das Dachauer Veterinäramt, das die auf dem Beweisvideo zu sehenden Schläge als "sehr schmerzhaft" einstuft, konnte bei einer nachfolgenden Kontrolle bei keinem der insgesamt 30 Tiere, die nach wie vor auf dem Pferdehof leben, Hinweise darauf feststellen, dass diese systematisch gezüchtigt werden. Sowohl das Verfahren wegen Vergehens nach dem Tierschutzgesetz gegen die Betreiberin des im Landkreis Dachau gelegenen Hofs, als auch das gegen ihre langjährige Schülerin wird demnach gegen Geldauflage vorläufig eingestellt.

Abstreiten, dass sie Gebrauch von der Longierpeitsche gemacht hat, das tut die 46-jährige Hofbetreiberin nicht. Es gibt schließlich auch zwei Videos, die den Vorfall zeigen. Allerdings, verteidigt sich die Angeklagte, habe das aggressive Pferd sie und ihre Schülerin "bedroht", es sei immer wieder auf sie zugelaufen, habe versucht, die beiden umzurennen. Hatte ihr Verteidiger im Vorfeld noch zu versichern versucht, dass es niemals die Absicht seiner Mandantin gewesen sei, dem Pferd Schmerzen zuzufügen, gibt die 46-jährige Odelzhausenerin doch zu, dass sie an die möglichen Folgen ihrer Schläge in dieser "Ausnahmesituation" nicht gedacht habe. Fest steht für sie nur: Nach diesem Tag sei das Tier "wie ausgewechselt" gewesen, es sei also nie wieder nötig gewesen, es mit Schlägen zum Gehen zu bewegen. Von einer Misshandlung des Tieres könne also keine Rede sein.

Eine Verurteilung würde laut Verteidigung ein Betriebsverbot nach sich ziehen

Auch die 20-jährige Mitangeklagte, eine langjährige Reitschülerin auf dem Hof, versichert, dass ihre Lehrerin grundsätzlich gut mit den Pferden umgehe. Andernfalls, betont sie, wäre sie selbst ja nicht so lange dort zum Reiten gegangen; im Übrigen reite sie dort ja auch immer noch, wenn auch mittlerweile auf einem eigenen Pferd. Dass sie selbst Obelix ebenfalls mit der Longierpeitsche geschlagen haben soll, daran mag sich die Karlsfelderin nicht erinnern. Ihre Reitlehrerin sagt, sie habe es versucht, aber nicht getroffen.

Bevor Richter Christian Calame die erste Zeugin aufrufen kann, unternimmt Joachim Schwarzenau, der Verteidiger der Reithofbetreiberin, einen Vermittlungsversuch - mit Erfolg: Schwarzenau erklärt, dass eine Verurteilung mit großer Wahrscheinlichkeit ein Betriebsverbot für diese seine Mandantin bedeuten würde. Dies wiederum würde ihre Existenz bedrohen, denn sie arbeite nicht nur auf dem Hof, sie lebe auch dort. Das könne sie sich aber nur leisten, solange sie den Hof als solchen führe. Könne man das Verfahren also nicht einfach einstellen? Denn eines müsse man doch festhalten: Seit diesem Vorfall sei das Pferd "ruhig" und nicht auffällig im Verhalten, Beanstandungen seitens des Veterinäramts habe es keine mehr gegeben, auch sei seine Mandantin bislang nie strafrechtlich in Erscheinung getreten.

Eine Anhörung von Betina Brühl vom Dachauer Veterinäramt ergibt zwar, dass es sich bei den Schlägen und dem Anschreien durch die beiden Angeklagten durchaus um "starke Einwirkungen" gehandelt haben muss. Brühl bestätigt aber auch, dass man bei einem Kontrollbesuch vor wenigen Wochen "keine Hinweis" darauf gefunden habe, dass die Tiere schlecht gehalten oder misshandelt werden.

Richter Calame fasst es so zusammen: "Wenn was war, dann war es also eher was Einmaliges." Das kann auch die Staatsanwaltschaft akzeptieren, fordert aber bei einer Einstellung des Verfahrens, dass die Reithofbetreiberin eine Geldstrafe im vierstelligen Bereich zahlt - dass das Pferd Obelix geschlagen worden sei, sei ja unbestritten und müsse zumindest monetär bestraft werden.

Auch die Reitschülerin soll eine Strafe bezahlen, da ihr "Tatbeitrag" aber deutlich geringer ausgefallen sei, sei ein Betrag im niedrigen dreistelligen Bereich angemessen. Richter Calame zieht kurz sogar in Erwägung, es bei der 20-jährigen Mitangeklagten bei einer Ermahnung zu belassen. Letztlich wird die Anklage gegen die beiden Frauen jedoch in beiden Fällen unter einer Geldauflage eingestellt: Die 46-jährige Odelzhausenerin soll 1500 Euro an Brücke e.V. zahlen, die 20-jährige Karlsfelderin 200 Euro an Ärzte ohne Grenzen.

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