Kunst aus Ikea-Stiften:Størenfried

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Eigentlich sollte er ein fertiges Möbelstück aufpolieren, doch dann konstruierte der Dachauer Kunststudent Florian Alexander Fuchs einen neuen Stuhl - aus 6971 Ikea-Bleistiften. Jetzt interessiert sich ein schwedisches Museum dafür.

Von Benjamin Emonts

"Ein stylischer Stuhl, der in eine schicke Lounge passt" - so beschreibt Florian Alexander Fuchs seine Kreation im elterlichen Wohnzimmer. (Foto: Toni Heigl)

Noch steht Størenfried im elterlichen Wohnzimmer. Rechts neben dem weinroten Sofa sieht er mit seinem schwarzen Gestell und der hellbraunen Sitzfläche aus 6971 Ikea-Bleistiften richtig schick aus. Auf besagtem Sofa sitzt der Konstrukteur des Størenfrieds: Florian Alexander Fuchs. "Schon 2015", sagt der Kunststudent, "könnte mein Stuhl in Älmhult im Museum stehen." In der schwedischen Industriestadt eröffnete Ikea 1958 das erste Möbelhaus. Heute ist es ein Museum.

Nein, Florian Fuchs hat sich oder seinen Størenfried gewiss nicht aufgedrängt. Er ist ein ruhiger Zeitgenosse, trägt einen gemütlichen Vollbart, und wenn er so leise und besonnen spricht, wirkt er alles andere als geltungsbedürftig. Fuchs, 21 Jahre alt, macht nicht viel Aufhebens um all seine kleinen und großen Kreationen im Wohnzimmer seiner Eltern. Nicht um die selbst gebastelte Schallplattenuhr an der Wand und auch nicht um die eigenhändig geschnitzten hawaiianischen Tiki-Figuren mit den bösen Gesichtern. Fuchs ist es fast schon unangenehm, wenn seine Mutter seine Kunstwerke präsentiert. Auch hat Fuchs niemandem davon erzählt, als er sich mit seinem Stuhl in letzter Sekunde für einen Design-Wettbewerb von Ikea anmeldete. Erst fünf Wochen später, als er die Nachricht bekam, unter den Gewinnern zu sein, erzählte er seinen Eltern davon - ganz beiläufig.

Damals ahnte der 21-Jährige noch nicht, dass ihn seine Studienarbeit bald in Verhandlungen mit dem Ikea-Museum bringen würde. Denn wenig später kam schon ein Anruf aus Almhült: Einer Ikea-Designerin hatte der Stuhl so gut gefallen, dass sie dem Museum von ihm berichtete. Und jetzt, so sieht es zumindest aus, kann Fuchs den Størenfried für gutes Geld ("fünfstelliger Betrag") verkaufen. Er steht in Verhandlungen, die aber noch schleppend verlaufen. "Die haben es nicht so eilig, das Museum wird bis 2015 erweitert und erst dann neu eröffnet", sagt Fuchs. Trotzdem rechnet der junge Künstler mit einer Entscheidung innerhalb der nächsten Wochen.

Die Aufgabe, die ihm seine Professoren an der Münchner Akademie der Bildenden Künste gestellt haben, hieß ursprünglich "Pimp your Billy". Doch ein fertiges Möbelstück aufzumotzen, das kam Fuchs nicht in den Sinn. "Als Jugendlicher hat er sich aus Stahlrohren ein eigenes Fahrrad zusammengeschweißt", erzählen seine Eltern. Für Fuchs war also klar: "Ich wollte einen eigenen Stuhl bauen."

Also machte sich der Student an die Arbeit, obwohl von seiner Idee an der Uni niemand so recht begeistert war. Was dem ehemaligen ITG-Schüler vorschwebte, war ein Stuhl aus ein paar Stahlrohren und tausenden Bleistiften. "Kein klassischer Stuhl", sondern ein stylischer Stuhl, der in eine schicke Lounge passt. Fuchs überlegte sich eine passende Form, fertigte Skizzen an und baute mit anderen Materialien wie etwa Blech Modelle im Originalmaßstab. Dann klebte er aus Bleistiften kleinere Modelle, um die Stabilität der Bleistift-Konstruktion zu testen. Es funktionierte. Schließlich bekam Fuchs von Ikea die handelsüblichen Bleistifte zur Verfügung gestellt und baute aus Styropor einen Rohling der Sitzform. Die erste Schicht Bleistifte befestigte er noch mit U-Haken. Dann klebte er mit sieben Litern Holzleim 6971 Stifte in zwölf Schichten kreuz und quer übereinander - und zwar so, dass "sie möglichst viele Auflagepunkte haben". Das hexagonale Stahlgestell, das die Sitzfläche trägt, schweißte er selbst zusammen. "Eine anspruchsvolle Sache. Die sechskantige Form der Stifte gibt auch die Form des Gestänges vor", sagt Florians Vater, der sich als Fan seines Sohnes outet. Tatsächlich legen die sauberen Schweißnähte nahe: Da war ein Profi am Werk. Der eigenhändig geschweißte Gartentisch auf der Terrasse bestätigt diese Vermutung.

Eineinhalb Monate klebte Fuchs die Stifte übereinander, ebenso lang dauerte die Planung. Die mühsame Kleinarbeit hat sich gelohnt - schon jetzt. Am 15. September darf Fuchs nach Schweden reisen, um in Lund an einem einwöchigen Workshop mit professionellen Designern teilzunehmen. "Ich bin schon gespannt", sagt Fuchs erwartungsfreudig.

Kein Zweifel, es gibt bequemere Stühle als den Størenfried: Ein Kissen würde dem Sitzkomfort ebenso wenig schaden wie das Fehlen der Bleistiftspitzen, die einem die Waden akupunktieren. Trotzdem ist der Størenfried nicht nur ein Kunstwerk: Er ist stabil und dient bei Sit-Ins im Wohnzimmer tatsächlich als Sitzgelegenheit. Der Präsident seiner Kunstakademie, Dieter Rehm, hat den Stuhl eigens einem Stabilitätstest unterzogen. "Mit mehr als 1,90 Meter Größe und 130 Kilo hat er sich reingeschmissen", denkt Fuchs zurück, "dann hat es ordentlich geknarzt, aber der Stuhl hat gehalten." Aufatmen.

Ob der Størenfried wirklich zum Museumsstück wird, kann Fuchs noch nicht sagen. "Das wäre mir am allerliebsten." Was Fuchs, der in seiner Freizeit auch fachmännisch an alten Autos herumschraubt, aber sagen kann, ist, weshalb sein Stuhl Størenfried heißt. Inmitten der Sitzfläche hat der Dachauer einen rot bemalten Bleistift eingebaut, der senkrecht nach oben ragt - so weit, das er einen so eben nicht in den Allerwertesten sticht. Der Størenfried: Er stört nicht wirklich.

© SZ vom 07.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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