Kultur in Dachau:Stelldichein im Hofgarten

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In diesem Jahr bleiben viele Plätze leer, was definitiv nicht am Dachauer Barockensemble liegt. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Normalerweise tummeln sich beim Barockpicknick 2000 Besucher zwischen den Blumenrabatten vor dem Dachauer Schloss. Das auf ein Fünftel der Gäste reduzierte Format erweist sich aber nicht nur musikalisch als intensiver

Von Petra Neumaier, Dachau

"Zugabe! Zugabe!" Nein, so einfach lässt das Publikum das Dachauer Barockensemble nicht von der Bühne gehen. Romantisch flackern im Schlossgarten Kerzen und Fackeln. Kuschelig ist es unter der Decke, das Glas Wein in der Hand oder die Nachspeise noch löffelnd, unter Apfelbäumen und neben Blumenrabatten: Wer mag da schon nach Hause gehen? Zumal wenn die Musik nicht stimmungsvoller sein kann. In Gedanken dreht man sich mit den Klängen elegant im Kreis, knicksend, verbeugend, schreitend, hüpfend! Und tatsächlich geben die fünf Musiker, Veronika Schiela (Blockflöten), Hildegard Senninger (Barockgeige), Marianne Schiela (Blockflöte/Chitarrone/Barockgitarre), Günter Holzhausen (Viola da Gamba) und Varvara Manukyan (Cembalo), gerne den Rufen nach und greifen noch einmal zu ihren Instrumenten, glücklich, spielen zu dürfen in der wohl schönsten aller schönen Kulissen und bei der wohl schönsten aller schönen Veranstaltungen in Dachau.

Wer sich warm anzieht und aneinander kuschelt, erlebt diesmal dafür einen besonders schönen Abend. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Der klassische Samstagabend ist der zweite des Barockpicknicks in dem herrlich blühenden Schlossgarten. Am Abend zuvor fand die moderne Variante - bei Top-Wetter - statt. Hier sorgte die Next One Blues Band für Stimmung: 400 Besucher tummelten sich in 80 Parzellen, "ein toller Abend", erzählt begeistert der Kulturamtsleiter der Stadt, Tobias Schneider. In der Band mit dabei war auch der Dachauer Gitarrist Paul Prem: Tobias Schneider ist wichtig, dass möglichst lokale Musiker auf den Veranstaltungen mitwirken. "Die Dachauer sollen sehen und hören, was für tolle Talente wir haben." Seit 2004 organisiert der Kulturamtsleiter das Schlosspicknick, das heuer seinen 20. Geburtstag feiert. Neben schlechten Wetterprognosen ("Vergangene Woche klingelte das Telefon besorgter Kartenbesitzer an die 150 Mal") ist Corona eine besondere Herausforderung. 2020 wurden drei Picknicks angeboten mit jeweils 200 Besuchern - heuer durften immerhin 400 an zwei Abenden kommen. Beide waren sofort ausgebucht.

Wegen der unsicheren Wetterlage kommen am Samstag zum Konzertbeginn zunächst nur 250 Besucher. Auch für das fünfköpfige Ensemble ist das Wetter eine Zitterpartie: Bei der Probe am Nachmittag hatte es wie aus Eimern geschüttet. "Die Saiten der historischen Instrumente sind aus Naturdarm und reagieren stark auf Luftfeuchtigkeit", erklärt Günter Holzhausen. Und obwohl es pünktlich ab dem Einlass nicht mehr regnet, reicht die Schwüle aus, dass vor jedem Stück nachgestimmt werden muss. Für das Publikum eine Kleinigkeit, die viele gar nicht bemerken.

Vielmehr war die kühle und unbeständige Witterung beim diesjährigen Barockpicknick der Grund für weniger Besucher. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Zu schön ist der Abend mit Familie und Freunden. Und richtig gemütlich. Tischlein decken sich, Gläser klirren, Flaschen ploppen, es wird geschlemmt und geschlürft, entspannt zurückgelehnt oder gleich ganz hingelegt. Hoch über ihren Köpfen jagt der Wind die letzten Regenwolken fort, sogar die Sonne lässt sich vor ihrem Untergang noch blicken. Die Unterhaltungen während der drei Musiksequenzen ist allenfalls leise, die Aufmerksamkeit groß. Durch 150 Jahre Barock führen die fröhlichen, romantischen Klänge von Johann Friedrich Fasch, Francesco Turini, Jacques Morel, Georg Telemann, Marco Uccelini, Nikola Matteis und Johann Meder - die schließlich doch noch einen großen Teil der noch vermissten Besucher anlocken.

Tobias Schneider blickt zufrieden in die vielen glücklichen Gesichter. Dass die Picknicks zunehmend ein Familienfest sind und sogar klassische Konzerte junges Publikum anlocken, macht ihn selbst glücklich. Ganz sicher, sagt er dann, wird die Form der Veranstaltung auch in den kommenden Jahren ein Thema sein - mögliche Pandemien hin oder her. Denn die Reduzierung von 2000 Besuchern auf zweimal maximal 400 tut allen gut. Den Musikern, die viel mehr Aufmerksamkeit bekommen und den Besuchern, über die niemand mehr im Dunkeln stolpert. "Und", sagt er seufzend, "letztendlich tut das auch dem Schlossgarten gut."

© SZ vom 20.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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