Künstlerweg:Spaziergang zu den blauen Pferden

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Oberbürgermeister Florian Hartmann stellt den neuen Dachauer Künstlerweg vor. Startpunkt ist praktischerweise die Rathausterrasse. (Foto: Toni Heigl)

Ein neuer Themenpfad erinnert an die Zeit, als Maler ins beschauliche Dachau pilgerten, um unter freiem Himmel zu malen

Von Anna-Elisa Jakob, Dachau

Freudig winkt der Oberbürgermeister, nur zögerlich treten die Leute einen Schritt nach vorne. Näher an die Rathausterrasse, dem Startpunkt des neuen Künstlerweges und - deswegen die gemeinschaftliche Skepsis - näher an den strömenden Regen, dem man hier ausgesetzt ist.

Trotz des unfreundlichen Wetters kann man sich gut vorstellen, wie Florian Hartmann (SPD) an den Stränden von Nord- und Ostsee entlanggelaufen ist, den Wind im Haar, einer Spur von Gemälden folgend. In diesem Jahr hat er nämlich die Künstlerkolonien Ahrenshoop und Katwjik besucht, und diese brachten ihn auf die Idee, genau das auch in Dachau umzusetzen. Schließlich war die Stadt selbst mal eine Künstlerkolonie und lockte bekannte Maler wie Ludwig Dill, Adolf Hölzel oder Lovis Corinth an. So wie die Freilichtmaler damals über weite Strecken durch die Dachauer Landschaft wanderten auf der Suche nach reizvollen Motiven, so können nun auch Touristen wie Einheimische deren künstlerischen Spuren in und um die Stadt herum folgen. Möchte man jedes der 18 Bilder auf dem Weg ablaufen, liegt ein rund 75 Minuten langer Spaziergang vor einem; ausgehend vom Dachauer Rathaus, über den Schlosspark, an der Amper entlang, am Kraftwerk vorbei und über die Martin-Huber-Treppe zurück in die Altstadt.

Von einer "Zeitreise" spricht Hartmann, und tatsächlich rauschen in dem kurzen Moment, in dem ein Bild am Wegesrand betrachtet wird, mehr als hundert Jahre am Betrachter vorüber. Das Anfangsbild des Weges zeigt den Blick vom Karlsberg Dachau, gemalt von Eduard Schleich dem Älteren um 1861. Mittlerweile hängt es in der Neuen Pinakothek in München - eine braun-grüne Landschaft, flach und weitläufig, am Horizont lassen sich die Alpen erahnen. Anders als der Betrachter im Museum, sieht derjenige, der nun die Abbildung des Gemäldes auf dem Künstlerweg ansieht, den heutigen Blick vom Karlsberg, wenn er nur den Kopf ein wenig anhebt. Bei günstigen Wetterbedingungen lassen sich auch hier die Alpen erahnen, doch vor allem sind da nun die vielen Häuser, wo einst die Landschaft war, die Schleich einfangen wollte.

Auf dem Weg werden sich immer wieder Momente wie diese ergeben: Zum Beispiel dort, wo Adolf Hölzel 1891 noch ein Paar im Biergarten zur Alten Schießstätte malte, heute dort jedoch ein Supermarkt steht. Oder an der Stelle, an der heute ein Montessori-Kindergarten ist, Max Feldbauer 1919 aber noch blaue Pferde über der Amper aufsteigen sah. Dieses Projekt ist also nicht ein Museum im Freien, sondern eine Auseinandersetzung damit, wie Geschichte, Kultur und Natur im Einklang standen und stehen.

Das wird auch deutlich, wenn man die Köpfe hinter dem Projekt erkennt. Neben Ideengeber Hartmann sind das vor allem Elisabeth Boser, Geschäftsleiterin der Dachauer Galerien und Museen, und Stefan Tischer, Leiter der Abteilung Stadtgrün und Umwelt. Während Boser eine Liste an Gemälden zusammenstellte, überlegte Tischer mit seinem Team, welche sich am besten in die Landschaft einfügen ließen. Eine Expertin für die Kunst, ein Experte für Landschaft und Natur.

Spricht man also mit Elisabeth Boser über den neuen Künstlerweg, so erzählt sie über die verschiedenen Gemälde, über die bekannten und weniger bekannten Maler. Über ihr Lieblingsbild - jene blauen Pferde von Max Feldbauer - und all die anderen, die Landschaft und Leben der damaligen Zeit so detailreich einfingen. Stefan Tischer sieht das noch einmal von einer anderen Seite: "Es wäre schön, wenn das Dachauer Moos damit wieder mehr in das Bewusstsein der Menschen rückt.", sagt er. Schließlich war es das, was damals etliche Künstler nach Dachau zog - die Begeisterung für Natur und die besondere Landschaft des Dachauer Moos und ihr Licht.

Nun wagen sich an diesem Nachmittag nur die wenigsten vor in den Regen und auf die Rathausterrasse, zu den ersten drei Stelen des Weges. Stattdessen tummeln sich die vielen Beteiligten unter Dach, bei Glühwein und Plätzchen. Ein halbes Jahr lang wurde an dem Weg gearbeitet, rund 30 000 Euro hat er gekostet. Mitgewirkt haben nicht nur die städtischen Mitarbeiter, sondern auch ein Grafiker, Drucker und natürlich, jemand, der die Stelen gebaut hat. Inflo-Flyer mussten angefertigt und übersetzt werden.

Entstanden ist ein gemeinschaftliches Werk, um die Künstlerkolonie lebendig zu machen - außerhalb der Museen, inmitten der heutigen Dachauer Landschaft.

© SZ vom 14.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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