Kriminelle Wachmänner:Dachau: Landratsamt beschäftigte unwissentlich zwei Kriminelle

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Die bedrückende Enge und Sterilität der Traglufthallen - wie hier in Karlsfeld - gehört der Vergangenheit an. Sie waren notwendig, um alle Flüchtlinge im Jahr 2015 unterzubringen. (Foto: Niels P. Joergensen)
  • Das Landratsamt Dachau hat im Jahr 2015 zwei Männer als Wächmänner für eine Asylbewerberunterkunft eingestellt.
  • Erst bei einer späteren Überprüfung des Personals fielen die beiden Männer auf.
  • Seit März 2016 sind alle bayerischen Landratsämter angehalten, die Namen sämtlicher Sicherheitskräfte dem Bayerischen Landeskriminalamt zu übermitteln.

Von Benjamin Emonts, Dachau

Zwölfmal stand ein 38-jähriger Hells Angel aus Cottbus seit 1994 vor Gericht, unter anderem wegen Diebstahls, Hehlerei, gefährlicher Körperverletzung und illegalem Waffenbesitz. Im Jahr 2014 soll der Mann den Betreiber eines Tattoo-Studios im brandenburgischen Ludwigsfelde brutal verprügelt und ein monatliches Schutzgeld von 600 Euro erpresst haben. Er wurde zu drei Jahren Haft verurteilt, hat aber Berufung eingelegt.

Trotz alledem wurden der Cottbusser und ein ebenfalls vorbestrafter 27-jähriger Mann aus Ludwigsfelde, der an der räuberischen Erpressung beteiligt gewesen sein soll, im Dezember 2015 als Sicherheitskräfte in der mittlerweile geschlossenen Asyl-Sammelunterkunft in Karlsfeld eingesetzt. Am 13. Dezember 2015 waren beide in eine massive Schlägerei mit Flüchtlingen involviert, die am vergangenen Montag vor dem Amtsgericht Dachau verhandelt wurde. Aber wie kann es passieren, dass Kriminelle als Sicherheitspersonal in Flüchtlingsunterkünften eingesetzt werden?

Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Security-Mitarbeitern und Flüchtlingen wurden in den vergangenen Jahren immer wieder publik. 2014 ging ein Bild durch die Öffentlichkeit, in dem ein Wachmann im siegerländischen Burbach einem am Boden liegenden Flüchtling auf den Kopf tritt. Der Wachmann-Job, das verwundert nicht, zieht auch Menschen an, die am sozialen Rand stehen oder aus dem kriminellen, manchmal auch rechtsradikalen Milieu kommen. Und viele der tätlichen Angriffe auf Flüchtlinge werden überhaupt nicht registriert, weil die Opfer keine Anzeige erstatten.

Die Politik hat Anfang 2016 reagiert. Seit März vergangenen Jahres sind alle Landratsämter von der bayerischen Staatsregierung angehalten, die Namen sämtlicher Sicherheitskräfte in den Erstaufnahmeneinrichtungen und Sammelunterkünften dem Bayerischen Landeskriminalamt zu übermitteln. Das Verfahren sieht eine separate Überprüfung durch die Polizei und das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz vor. "Es dürfen nur Mitarbeiter tätig werden, gegen deren Einsatz keine sicherheitsrechtlichen Bedenken bestehen", betont Philipp Späth, Pressesprecher des bayerischen Sozialministeriums.

Doch der Dachauer Fall zeigt exemplarisch, wie lückenhaft das Kontrollnetz an einigen Stellen noch ist. Das Landratsamt Dachau ließ nach Auskunft von Pressesprecher Reichelt bereits seit 2015 sämtliche Namen von potenziellen Sicherheitskräften prüfen, obwohl die Staatsregierung damals noch nicht danach verlangt habe. Bis heute soll das mit mehr als 1000 Personen passiert sein, teils auch mit negativem Befund. "Wir haben die Personen dann unverzüglich aus dem Dienst entfernt", betont Reichelt.

Und dennoch wurden die beiden Straftäter aus Ostdeutschland von der zweiten Dezemberwoche 2015 an eingesetzt, bis die Sicherheitsbehörden am 29. Dezember 2015 mitteilten, dass sich die Männer nicht für den Dienst eigneten. Pressesprecher Wolfgang Reichelt räumt ein, dass dies gängige Praxis gewesen sei. "Zunächst geht man ja davon aus, dass man den Mitarbeitern vertrauen kann."

Das Landratsamt setzte folglich Personal ein, über das es nichts wusste. Man verließ sich zunächst auf das beauftragte Sicherheitsunternehmen und wartete die Überprüfung durch Polizei und Verfassungsschutz ab. Der Bedarf an Wachpersonal war 2015 im Landkreis Dachau immens, weil die Zahl der ankommenden Flüchtlinge von Tag zu Tag größer wurde. Überall im Land, auch im Landkreis, wurden über Nacht neue Asyl-Unterkünfte aus dem Boden gestampft. In Karlsfeld stellte das Landratsamt eine Traglufthalle für mehr als 250 Flüchtlinge auf. Für sämtliche Sammelunterkünfte engagierte die Behörde Sicherheitsunternehmen. Sie sollten schlichten, vermitteln, beschützen.

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In der Karlsfelder Traglufthalle soll das Verhältnis zwischen Wachpersonal und Asylsuchenden jedoch ständig sehr angespannt gewesen sein, wie beide Seiten vor dem Amtsgericht einräumten. Am 13. Dezember 2015 kam es am frühen Nachmittag zu tumultartigen Szenen. Nach einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen einem senegalesischen Asylsuchenden und einem Security-Mitarbeiter schlossen sich etwa 40 bis 50 Flüchtlinge zusammen und bewarfen den Sicherheitsdienst mit Steinen. Einer der Flüchtlinge wurde geschlagen und am Boden liegend getreten. Er erlitt einen doppelten Bruch des Unterkiefers und verlor einen Backenzahn - er lag mehrere Tage im Krankenhaus und musste operiert werden. Die beiden Vorbestraften sollen an der Schlägerei maßgeblich beteiligt gewesen sein, wie aus der Anklage hervorgeht. Im Prozess vor dem Amtsgericht konnten ihnen die Körperverletzungen aber nicht mit letzter Gewissheit nachgewiesen werden. "Es war eine sehr unübersichtliche Situation mit vielen Beteiligten", sagte der Amtsrichter.

Sicher ist, dass beide Männer für eine Firma aus Ostdeutschland arbeiteten, die das Altomünsterer Sicherheitsunternehmen D & T seinerzeit als Subunternehmen in Karlsfeld beschäftigte. D & T wird in offiziell genehmigter Nebentätigkeit von Alexander Dallmayr geführt, der im Landratsamt Dachau das Sachgebiet 31 "Personenstands- und Ausländerwesen" leitet. Sein Unternehmen wurde vom Landratsamt mit der Karlsfelder Traglufthalle betraut. Diese Verbindung monierten Kreisräte wie Marese Hoffmann (Grüne) oder Martin Güll (SPD) vergeblich.

Polizeigewerkschaft: "Es werden Leute beschäftigt, die man nicht kennt"

Der Bedarf an Sicherheitskräften aber überstieg offensichtlich die Kapazitäten des Unternehmens. Dallmayr, das bestätigt er der SZ, beschäftigte Ende 2015 Subunternehmen, um die Aufträge erfüllen zu können. Von den Vorstrafen der beiden Männer will er nichts gewusst haben. Stattdessen erklärt er schriftlich: "Subunternehmer werden von uns grundsätzlich vertraglich verpflichtet, nur Personal zur Verfügung zu stellen, welches für den Einsatz im Sicherheitsgewerbe tauglich ist und die notwendigen Voraussetzungen erfüllt. Erhielten wir die Mitteilung, dass eine Person für die zu erfüllenden Aufgaben ungeeignet ist, wurde diese Person umgehend von den Bewachungsaufgaben abgezogen und kam nicht mehr zum Einsatz."

Die Deutsche Polizeigewerkschaft bezeichnete die Subunternehmen in der SZ kürzlich als "Achillesferse der privaten Sicherheitsdienste", deren Kontrolle "ausgesprochen lückenhaft" sei. "Es werden Leute beschäftigt, die man nicht kennt."

Nach der Schlägerei in der Traglufthalle wurden die beiden Männer zunächst in die Berufsschulturnhalle in Dachau abkommandiert, "als Deeskalationsmaßnahme", wie Reichelt erklärt. Dass die Männer nicht sofort nach Hause geschickt wurden, lag laut Reichelt daran, dass die polizeilichen Ermittlungen unmittelbar nach dem Vorfall noch im Anfangsstadium gesteckt hätten und man nicht gewusst habe, dass die Männer direkt in die Schlägerei involviert gewesen waren. Nach der Mitteilung der Polizei habe man die Männer umgehend aus dem Dienst entfernt.

© SZ vom 20.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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