Marika Windisch hat in ihrem Leben als Fotojournalistin und Bildredakteurin viel gesehen, vor allem viele Orte. Seit 1995 lebt die gebürtige Ungarin in Karlsfeld und präsentiert in ihrer neusten Ausstellung Werke aus über 60 Jahren ihrer fotografischen Laufbahn. Ein Schwarz-Weiß-Foto zeigt sie mit zwei Jahren - und einer großen Kamera in der Hand. Dass ihre Leidenschaft so früh begann, war ihr lange selbst nicht bewusst, erzählt sie lachend.
Am Gymnasium in Budapest begann sie Porträts und Stillleben zu fotografieren. Sie erinnert sich an die neun Kilogramm schweren Kameras, die händische Entwicklung in der Dunkelkammer, die Beleuchtungshilfen für die Blitzlichtlampen und daran, wie man ihr sagte, dass Pressefotografie nicht der richtige Beruf für eine junge Frau wie sie sei.
Doch Windisch wollte Fotografie studieren, wurde an der Hochschule für Grafik- und Buchkunst in der DDR angenommen und arbeitete in Budapest bei der staatlichen ungarischen Presseagentur (MTI), später beim Axel-Springer-Verlag in Hamburg. Als sie mit dem Foto "Kindergarten am Donauufer" in den 60er-Jahren ihren ersten Preis gewann, erhielt sie dafür eine tschechische Flexaret-Kamera.
Marika Windisch war in vielen Ländern unterwegs. Sie zeigt ein Foto von sich als junge Frau in den 70er-Jahren, die Kamera hält sie stolz mit beiden Händen - das war während eines Hochwassers in Paris. In sorgfältig angelegten Akten sammelt sie Dokumente aus den vergangenen Jahrzehnten wie Zeitschriftenartikel, Titelseiten von Magazinen oder eine Karikatur - ein Maler hat sie angefertigt, als sie ihn fotografierte: "Für die (hoffentlich) guten Ergebnisse" habe er darauf gekritzelt, erzählt sie lachend. Ein anderes Foto zeigt sie mit all den Männern um Verleger Axel Springer an einem großen Tisch. In den Redaktionen habe sie oft dafür kämpfen müssen, dass ihre Fotos in Zeitungen und Magazinen großformatig gedruckt werden, damit sie richtig wirken, erzählt sie.
Auch in ihrer aktuellen Ausstellung in der Karlsfelder Kunstwerkstatt sei das ein Dilemma gewesen: Einerseits wollte sie dort viele Bilder aus einem Land präsentieren, um dessen Gegensätze und Vielfalt zu zeigen - und doch wäre die Wirkung im Großformat eine andere, sagt Marika Windisch.
Sie wälzte Bücher, um die Hintergründe über das zu erfahren, was ihr fremd war
Bevor sie für ihre Motive um die Welt reiste, arbeitete sie an Porträts. Auf ihren Schwarz-weiß-Porträts mit eindrucksvoller Tiefenschärfe und Ästhetik sind Persönlichkeiten wie der russische Komponist Schostakowitsch oder der ungarische Philosoph Lukács verewigt. Auf anderen Fotos ist ein Maler zu sehen, der mit trüben Augen in die Kamera blickt. Windisch kann zu jedem dieser unzähligen Fotos den Moment von damals wieder aufleben lassen: "Dieser Maler war immer total betrunken", fügt sie nebenbei hinzu.
Ihr habe immer am meisten an den Menschen gelegen, an den Kindern und den Alten aus allen gesellschaftlichen Schichten, an intimen Momenten und Begegnungen. Schließlich waren "geografische Besonderheiten und kulturelle Begegnungen" Gründe für sie, über das Bekannte hinauszugehen. Windisch wälzte Bücher, um die Hintergründe über das zu erfahren, was ihr fremd war - über Kleiderordnungen, Festlichkeiten, historische Orte und politische Entwicklungen.
Alltagsszenen aus Damaskus, Syrien oder Kuba
Marika Windisch hat ein Auge dafür, von Menschen zu erzählen und die kaum bemerkbaren alltäglichen Augenblicke zu sehen. Nie habe sie Motive arrangiert, meist seien sie spontan, unerwartet und unter Zeitdruck entstanden. Wenn Windisch fotografiert habe, sei sie immer im Hintergrund geblieben, erzählt sie. Eines ihrer Fotos entstand etwa auf einem kleinen Parkplatz irgendwo in China, auf dem ein Liebespaar ungestört tanzt. In Damaskus besuchte sie die Umayyaden-Moschee, eine der ältesten ihrer Art. Mittlerweile ist diese vom IS vollständig zerstört worden. Windisch konnte damals unbemerkt die Alten dokumentieren, wie sie im Innenhof der Moschee um Almosen baten. Es sind Alltagsszenen, die sie mit der Kamera festhält, unter anderem in Iran, Bolivien, Mexiko, Syrien oder Kuba.
Für ihre Ausstellung in Karlsfeld hat sie unter anderem Fotos von Müttern mit ihren Säuglingen ausgewählt. Es sind Momente, die an Zeit und Ort nicht unterschiedlicher sein könnten - und trotzdem lassen sich fast mehr Ähnlichkeiten als Unterschiede in diesen Szenen finden.
Die Ausstellung ist noch bis Sonntag, 12. Mai, zu den Öffnungszeiten der Galerie Kunstwerkstatt am Drosselanger 7 in Karlsfeld zu sehen.