Die Neujahrsgala der Camerata München im Bürgerhaus Karlsfeld ist keine Volksbelustigung, sondern ein erlesenes Konzerterlebnis für anspruchsvolle Besucher. Darauf wird man schon beim Betreten des auffallend "schlank" bestuhlten Saales aufmerksam gemacht. Hier wird kein breites Publikum erwartet, sondern eher eine Runde von Kennern und Liebhabern klassischer Opern- und ebenso klassischer Operettenkunst, für die rund 200 Plätze reichen. Ein erster Blick auf den Programmzettel bestätigt die Erwartungen. Alles wird in der Originalsprache gesungen, keine Übersetzungen ins Deutsche. Das heißt wohl, der Veranstalter erwartet, dass die Zuhörer die meist italienisch gesungenen Arien und Duette von ihren häufigen Opernbesuchen im Münchner Nationaltheater her selbstverständlich kennen. Das Programm orientierte sich auch in seiner Ausführung am Niveau einer Großstadt.
Dirigent Bernhard Koch begann seine Karlsfelder Neujahrsgala mit der Ouvertüre der "Zauberflöte" von Mozart, einer der kunstvollsten und zugleich tiefsten Ouvertüren der Opernliteratur. Bei der Uraufführung in Wien kam ein Mann "außer sich von Entzücken" unter die Pulte hindurch bis hin zum Dirigenten gekrochen, ergriff Mozarts Hand und küsste sie. Es war einer der späteren Lehrer Beethovens.
Ein umwerfend gutes Sängerpaar
Koch gelang mit seinem Kammerorchester Camerata München - das mit der Hälfte der in den meisten Partituren vorgeschriebenen Bläser auskommen muss - eine beachtliche Aufführung, die man mit größtem Respekt begrüßen durfte. Das galt auch für alle weiteren Orchesterstücke dieses Abends, also für die Ballettmusik aus der Oper "Sizilianische Vesper" von Verdi, für ein Intermezzo aus Bizets "Carmen", für die Ouvertüre zur Oper "Der Barbier von Sevilla" von Rossini und die Sinfonia der Oper "Don Pasquale" von Donizetti. Wie man sieht, hat der Opernfreund und profunde Kenner der italienischen Oper Bernhard Koch dieses Programm zusammengestellt und als Dirigent geleitet.
Er hat aber nicht nur routiniert und inspirierend dirigiert, er hat für diese Neujahrsgala auch ein umwerfend gutes Sängerpaar mitgebracht: Es waren die junge Sopranistin Roxana Mihai aus Rumänien und der ebenfalls junge, überaus männlich und kraftvoll wirkende Bariton Robson Bueno Tavares aus Brasilien. Roxana Mihai stellte sich solistisch mit der ergreifend schön gesungenen Arie der Gilda aus Verdis "Rigoletto" vor, Tavares mit der sehr bekannten Arie des Escamillo aus "Carmen" - überaus überzeugend gesungen und gespielt. Das war bei den Arien und noch mehr bei den Duetten dieses Abends das Mitreißende, ja Begeisternde, dass Mihai und Tavares ihren vorzüglichen Gesang mit markantem Mienen- und Gebärdenspiel unterstrichen, was bereits bei dem Duett "Bei Männern, welche Liebe fühlen" aus Mozarts "Zauberflöte" für Aufsehen sorgte.
Als das Orchester nach seinem großen Opernabend zu einer relativ kurzen Operettenbegegnung führte, gab es beim Czardas aus der "Fledermaus" von Johann Strauß fast zu viel an peinlich genauer kunstvoller Detailarbeit. Aber als die Gräfin Mariza (Roxana Mihai) sang: "Hör ich Zigeunergeigen" (besser gesagt: "Cymbalklänge"), war man dem Operetten-Ungarn doch wieder nahe. Der argentinische Tango lag aber vor allem dem Bariton Tavares aus Brasilien musikalisch näher.
Der zweite orchestrale Höhepunkt (nach der Ouvertüre zur "Zauberflöte") war ein Wiener Walzer von Johann Strauss. "Wer ein vollendet tanzendes Walzerpaar über das Parkett schweben sieht, denkt an nichts Erdhaftes mehr. Blumen, Wolken Engel, Düfte." Dieser von "Musik aus Wien" inspirierten Vorstellung kam vielleicht manche(r) im Bürgerhaus Karlsfeld bei der vollendet schönen Aufführung eines Strauss-Walzers auch ohne Wiener Opernball nahe. Die Blumen waren "Rosen aus dem Süden". Zugaben bis hin zum mit Freude erwarteten "Radetzky-Marsch" rundeten die Neujahrsgala köstlich ab, wobei man wohl froh war, dass man "Unter Donner und Blitz" als Polka von Johann Strauss hören durfte und nicht realiter auf dem Heimweg erleben musste.