Karlsfeld:Verhärtete Fronten

Lesezeit: 3 min

Seit Jahren liegt das Bayernwerkgelände brach - dabei würden sich die Anwohner so sehr einen Supermarkt wünschen. (Foto: Toni Heigl)

Das Bayernwerkgelände in Karlsfeld liegt seit Jahren brach. Die Investoren machen dafür nun die Gemeinde verantwortlich. Diese weist die Vorwürfe zurück. Anwohner warten unterdessen weiterhin auf einen Supermarkt.

Von Anna Schwarz, Karlsfeld

Die Situation um das Bayernwerkgelände in Karlsfeld ist verfahren. Vor rund sieben Jahren hat die Firma "Erl und Streicher" das über 50 000 Quadratmeter große Gelände gekauft - doch was der Investor dort vorhat, kritisieren Gemeinde und Anwohner zum Teil scharf. Aus dieser Unzufriedenheit heraus hat sich vor zweieinhalb Jahren sogar eine Facebook-Gruppe mit rund 230 Mitgliedern gegründet mit dem Namen "Karlsfeld-West: Kein Supermarkt, keine Infrastruktur. Danke, Erlbau!". Denn seit Jahren wünschen sich die Anwohner nahe des Prinzenparks einen Einkaufsmarkt. Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU) stellt fest: "Wir haben keinen rechtlichen Hebel, den Investor dazu zu zwingen einen anzusiedeln" - bislang schuf dieser auf dem Gelände 252 barrierefreie Eigentumswohnungen sowie 208 Tiefgaragenstellplätze für betreutes Wohnen. Ein großer Teil des Grundstücks liegt allerdings immer noch brach. Nun gibt die Bau- und Projektentwicklungsgesellschaft der Gemeinde dafür die Schuld: Diese habe bislang, so der Vorwurf, sämtliche Konzepte abgelehnt.

Bereits 2017 hat der Investor einen interessierten Einzelhändler für das Gelände gefunden. "Allerdings hat dieser das Kaufkraftpotenzial im Einzugsgebiet als nicht ausreichend angesehen", so der Investor. Deshalb hätte es mehr Wohnungen auf dem Bayernwerkgelände gebraucht, argumentierte der Einzelhändler.

"Wenn Menschen zuziehen, verursacht das Infrastrukturkosten"

Also erarbeitete die Firma ein neues Konzept für das Gelände, unter anderem mit einem Apartmenthotel, Büroflächen und bis zu 480 Wohnungen: "Nachdem das Konzept mehrmals abgelehnt wurde, zog der Einzelhändler im Jahre 2019 sein Interesse am Standort zurück", heißt es in einer Stellungnahme von Erl und Streicher. Bürgermeister Kolbe erklärt dazu: "Wir wollten keine weitere Wohnbebauung, sondern wünschen uns auf dem Bayernwerkgelände mehr Gewerbeansiedlung. Denn wir brauchen in Karlsfeld höhere Gewerbesteuereinnahmen, damit wir unsere Aufgaben meistern können!", schließlich kämpft die Gemeinde seit Jahren mit ihrer finanziellen Situation.

Doch das Interesse an Gewerbetreibenden sei gering, so der Investor: "Trotz intensiver Suche war es bisher nicht möglich, Ankermieter oder größere Mieter zu finden. Vor allem wegen der Pandemie ist die Nachfrage nach den im Bebauungsplan zugelassenen Hotel- und Bürostandorten in größerem Umfang stark rückläufig. Viele Firmen planen einen deutlichen Abbau ihrer Büroflächen." Gleichzeitig habe mehr Wohnbebauung auf dem Gelände den Vorteil, dass mehr Menschen nach Karlsfeld ziehen und damit die Einkommensteuereinnahmen steigern. Kolbe überzeugt das nicht: "Wenn Menschen zuziehen, verursacht das Infrastrukturkosten, etwa für die Kinderbetreuung und Schulen. Da stoßen wir eh schon an unsere Grenzen."

Bürgermeister Stefan Kolbe signalisiert Gesprächsbereitschaft mit den Investoren des Bayernwerkgeländes. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Gemeinderat Adrian Heim ( Bündnis für Karlsfeld) kritisiert weiter: "Der Investor hat eh schon viel mehr Fläche für Wohnen bekommen, als eigentlich im Bebauungsplan vorgesehen war. Wir können jetzt keine weiteren Zugeständnisse mehr machen." Laut dem Bebauungsplan sind auf den noch freien Grundstücksflächen Büros, Geschäfts- und Verwaltungsgebäude, Hotel und emissionsarmes Gewerbe zulässig, in einem weiteren Baufeld direkt an der Bayernwerkstraße sei außerdem Platz für rund 1500 Quadratmeter Einzelhandel. Der Gemeinderat habe dem Investor bereits vor dem Kauf klargemacht, welches Baurecht auf dem Gelände vorhanden ist, sagt Kolbe. Der Investor verteidigt sich gegen die Vorwürfe und erklärt: "Im aktuellen Bebauungsplan ist Einzelhandel lediglich als eine zugelassene Nutzung und nicht als vorgeschriebene Nutzung festgesetzt."

Doch wie sehr sich die Anwohner einen Supermarkt wünschen, wird in der Beschreibung der eigens deshalb gegründeten Facebook-Gruppe deutlich: "Die Gegend hat weder einen Supermarkt oder sonstige Läden für den täglichen Einkauf." Kolbe kritisiert, dass die Baufirma kein Interesse daran habe, auf dem Gelände eine Einkaufsmöglichkeit zu schaffen: "Sie wollen aus wirtschaftlichen Gründen kein Gewerbe ansiedeln", Wohnraum zu schaffen, sei lukrativer. Dagegen verteidigt sich die Firma, schließlich sei bereits 2017 ein Einzelhändler vorgestellt worden. Zudem habe die Gemeinde weitere Pläne zurückgewiesen: 2020 sei etwa das BRK Dachau auf Erl und Streicher zugekommen und habe auf dem Bayernwerkgelände einen Kindergarten, Pflegeeinrichtungen, Büroeinheiten und Mitarbeiterwohnungen schaffen wollen. Doch: "Das Konzept wurde von der Gemeinde ebenfalls komplett abgelehnt" - mit dem Argument, dass Gewerbesteuern benötigt werden.

MeinungBayernwerkgelände
:Zurück an den Verhandlungstisch

Für das Bayernwerkgelände in Karlsfeld gilt es einen Mittelweg zu finden, mit dem sowohl die Gemeinde als auch die Investoren leben können.

Kommentar von Anna Schwarz

Und so kommen beide Parteien auf keinen grünen Nenner: Die Gemeinde wünscht sich Gewerbe und endlich einen Supermarkt, der Investor möchte weitere Wohnmöglichkeiten schaffen. Die verfahrene Situation fasst die Facebook-Gruppe so zusammen: "Es liegt ein großes Grundstück brach, weil man das Altenheim, aber sonst nichts mehr weiteres errichtet hat." Und: "All das ist ein großes Ärgernis für alle Anwohner in Karlsfeld-West. Ein einziges Unternehmen entscheidet letztlich über die weitere Nahversorgungsentwicklung eines neuen Stadtviertels." Wie es weitergeht, bleibt offen laut der Projektentwicklungsgesellschaft offen: "Wir haben in den vergangenen Jahren immer wieder den Dialog mit der Gemeinde gesucht und werden dies selbstverständlich weiterhin tun." Aktuell sehe man jedoch "kein Potenzial für eine Entwicklung" mit der erlaubten Nutzung. Bürgermeister Stefan Kolbe betont: "Ich bin jederzeit für Gespräche bereit."

© SZ vom 18.01.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: