Kabarett:Regelrecht kultverdächtig

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Das Trio "Knedl und Kraut" in der Schwabhausener Post

Von Renate Zauscher, Schwabhausen

Ob Trump, Erdoğan oder AfD: Nichts, was den Start ins neue Jahr bislang so richtig lustig gemacht hätte. Der Post-Wirt Heini Kellerer in Schwabhausen aber sorgte für ein Gegenmittel gegen allzu viel Pessimismus: Zum Auftakt der Kleinkunst-Saison 2017 auf seiner Bühne servierte er seinem Publikum am Samstag das Trio Knedl & Kraut. Er durfte sich dabei sicher sein: Der Abend wird, allem Unerfreulichen in der Welt zum Trotz, ein sakrisch lustiger.

Höchst vergnüglich war schon der Blick auf den Vorhang, hinter dem sich die Bühne in der Post verbarg. Da sitzt ein zipfelmütziger Bayer vor einer kräftigen Brotzeit, und der Subtext dazu besteht aus dem kryptischen und ins Hochdeutsche allenfalls wörtlich und somit nur sehr unzureichend übersetzbaren Satz: "Eam schaug o!" Im Wirtshaus von anno dazumal wäre der Spruch wahrscheinlich die Aufforderung zu einer zünftigen Rauferei gewesen. Aber soweit kommt es hier nicht.

Der Vorhang öffnet sich und gibt den Blick frei auf den Inbegriff klischeehaften Bayerntums: eine Wirtsstube, perfekt ausgestattet mit allerlei Gehörn. Der Blick geht durchs Fenster auf ein Papp-Panorama mit hohen Bergen - oder aufs "Scheißhaus" mit passender Papierrolle gleich neben der Stube. Und mitten drin: drei sozusagen gstandene Mannsbilder. Zwei von ihnen, der Ziach-Spieler Toni Bartl und Gitarrist Daniel Neuner, in Werdenfelser Tracht, Letzterer nicht nur stolzer Lederhosen- sondern auch Bauch- und Schnurrbartträger mit prächtigen blumenverzierten Wadlstrümpfen und federkielbesticktem Gurt um die ausgiebige Mitte. Der Dritte im Bund kommt weniger bunt daher: Juri Lex, Profi auf zahlreichen unterschiedlichen Instrumenten, darf sich nur ins eher städtische Beamtengewand des Dorflehrers kleiden, der er früher, vor seiner musikalischen Karriere, einmal war.

Schon die Optik von Bühne und Bühnenpersonal lässt die Menschen im Saal kräftig applaudieren. Dann wird der Bayerische Defiliermarsch angestimmt, mit Juri Lex an der riesigen Tuba. Es gibt musikalisch wie stimmungsmäßig kein Halten mehr. Sehr schnell wird klar: Die drei Männer sind exzellente Musiker. Sie brillieren auf verschiedenen Instrumenten, auch solchen, die eigentlich gar keine sind. Sie entlocken Fahrradpumpen und Heugabeln, einer Säge oder einer Schaufel nicht nur irgendwelche Töne, sondern erkennbare Melodien wie die des "Schneewalzers" oder "La Paloma". Juri Lex spielt Geige wie ein Zigeuner-Primas, nutzt schnell mal einen Spazierstock, um darauf ein Stück von Bach zu intonieren, oder zeigt, dass man statt einer Okarina ganz einfach nur zwei Hände braucht, um daraus überzeugende Okarina-Klänge zu zaubern.

Toni Bartl führt vor, dass man auf der Ziach, der Diatonischen, gleichzeitig drei verschiedene Melodien spielen kann, ohne dabei durcheinander zu kommen. Es wird gejodelt, und zwar richtig gebirglerisch, auf einem alten Vorderlader wie auf einem Didgeridoo musiziert, und Daniel Neuner zeigt, dass man mit nichts als zwei Blechlöffeln und fliegenden Händen grandioses Musiktheater machen kann.

Einer der vielen Höhepunkte des Abends ist Neuners Adaption des Lieds vom "Hans", der "da bleiben" soll: Er verwandelt es sprachlich wie gestisch in grandios komische spanische, amerikanische, italienische oder türkische Versionen mit dadaistischem Nonsens und textlichen Versatzstücken aus den jeweiligen Kulturen. Jeder Song, jedes musikalische Kunststück wurde bis dahin schon vom Publikum bejubelt - jetzt tobt der Saal.

Knedl & Kraut gibt es unter diesem Namen und in dieser Besetzung erst seit zwei Jahren. Dahinter aber steht jahrelange Erfahrung der Protagonisten mit früheren Formationen. Bartl und Neuner sind zusammen in Garmisch-Partenkirchen in die Schule gegangen und haben bereits mehrere Programme zusammen auf die Beine gestellt. Jetzt ist das Trio ganz offensichtlich dabei, Kult zu werden - wohl auch dank ihres Erfolgs im Fernsehen.

Vor allem aber begeistert das Publikum seine Mischung aus musikalischem Können und Gaudimachen, aus Tradition, verrückten Ideen und auch viel Selbstironie. In Schwabhausen wurde spürbar, wie befreiend Mitsingen, Mitklatschen und vor allem auch ganz viel Mit-Lachen sein kann: Kaum einer, der nicht beschwingt und mit der ein oder anderen zuletzt gehörten Melodie im Kopf lächelnd nach Hause gegangen wäre. Am Samstag, 11. Februar, kommt Michael Lerchenberg.

© SZ vom 23.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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