Junge Mode in Dachau:Gegensätze - passgenau

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Fetisch und Fesselkunst, Leder und Geschirr: Anna Klose aus Röhrmoos ist 22 Jahre alt und Designerin, die sich von Gegensätzen inspirieren lässt. Ihr Konzept geht auf - für ihre Herrenkollektion erhielt sie nun einen Preis.

Anna Schultes

Auf den ersten Blick fallen die Ärmel der dunkelbraunen Lederjacke auf. Sie sind überlang und haben keinen Saum. Das Leder ist in seiner ursprünglichen Form belassen. Die Naht an den Seiten ist locker. "Man soll jeden Stich sehen", sagt Anna Klose. Wie bei einem Narbengewebe. Die Augen der jungen Modemacherin leuchten, wenn sie von ihrer Abschlusskollektion spricht. Sie hat ihr den Namen "Sehnsucht" gegeben.

Anna Klose ist erst 22 Jahre alt und wurde schon für ihre Herrenkollektion ausgezeichnet. (Foto: www.joergensen.com)

Im Mai hat die junge Frau aus Röhrmoos ihren Abschluss an einer Münchner Modeschule gemacht. Sie hat eine Auszeichnung für das beste Diplom in der Kategorie "Herrenmodelismus" bekommen. Man sieht: Nicht nur in Berlin oder Paris gibt Modeschöpfer, sondern auch im Landkreis Dachau. In einer kleinen Serie wird die SZ einige von ihnen vorstellen.

Anna ist zielstrebig. Sie weiß genau, was sie will. Die 22-Jährige hat früh entschieden, dass sie Modedesign studieren möchte. Noch während sie sich auf ihr Abitur am Gymnasium Markt Indersdorf vorbereitete, hat sie abgewogen, welche Modeschule am besten zu ihr passt. Und für die Zeit danach hatte Anna auch genaue Vorstellungen: "Ich wollte auf jeden Fall nach Asien."

Sie war bereits in Thailand, später bei einem Austausch in Japan. Mitte August startet ihr Flieger nach Hongkong. Dort hat sie einen Einjahresvertrag bei einer internationalen Strickfirma unterschrieben. "Das ist die beste Chance, die man bekommen kann", sagt sie. Alles läuft nach Plan.

Bei ihrer Abschlusskollektion hat sich Anna gezielt für Herrenmode entschieden. Weil die in ihren Augen viele Möglichkeiten bietet; und weil sie ihr einfach mehr Spaß macht als Mode für Frauen. "Bei den Herren muss man extrem auf die Details gehen", sagt Anna. Da kann es schon wichtig sein, wo eine Tasche sitzt oder wie das Knopfloch aussieht. "Das hat mich daran gereizt." Sie findet Mode spannend, bei der man ein zweites Mal hinschaut: "Das Perfekte finde ich langweilig." Sie sucht "die Abgründe", wie sie selbst sagt. "Jeder Mensch hat eine gute und eine schlechte Seite."

Die junge Frau interessiert sich für Gegensätze, Asymmetrien. Fetische, Fesselkunst, Leder, Geschirr - das inspiriert Anna bei ihrer Mode. Wenn man sie ansieht, würde man das nicht sofort vermuten. Die 22-Jährige ist zierlich, die kinnlangen blonden Haare glänzen. Sie lächelt viel. Was sie sagt, würde vielleicht besser zu einer wild gekleideten Frau passen, der Körper voller Tätowierungen, die Haare schwarz gefärbt. Dass Anna genau das nicht ist, dieser Gegensatz macht sie als Modeschöpferin so interessant. Das perfekt Schöne, das man erwartet, sucht sie in ihrer Mode gerade nicht.

Annas erste Vogue ist aus dem Jahr 1998, da war sie zehn Jahre alt. Sehr früh hat sie sich mit dem Thema Kleidung beschäftigt. "Mit 15 stand fest: Ich möchte Modedesign machen." Ihr Kleid für den Abiturball hat sie selbst genäht. Mode spielt für Anna eine wichtige Rolle. Sie geht gerne einkaufen. Sehr gerne. Es muss nicht immer das schicke Designerstück sein.

Sie kombiniert gerne, verbringt ihre Zeit auch in Second-Hand-Läden. "Ich trage das, was mir gefällt." Auch wenn sie etwas von einem bekannten Label kauft, den Zettel entfernt sie meistens: "Der interessiert mich nicht und kratzt mich nur." Deshalb wird man bei ihrer eigenen Kollektion die Zettel leicht los, nur mit ein paar Stichen sind sie befestigt.

Anna achtet beim Einkaufen nicht auf Größen: "Ich habe alles von XS bis L." Ob Herren- oder Damenkleidung ist für sie nicht wichtig. Sie geht gerne mit Männern einkaufen und sieht sich dabei selbst in der Herrenabteilung um. Auch ihr 20-jähriger Bruder lässt sich von ihr beraten. "Er interessiert sich für mein Feedback." Ihre Familie hat sie immer unterstützt. Trotzdem: "Am Anfang musste ich schon kämpfen und Überzeugungsarbeit leisten." Annas Mutter hat ihr sogar bei der Abschlusskollektion geholfen, hat zwei Strickoberteile nach den Entwürfen ihrer Tochter hergestellt.

Das Modelabel, das sich die Röhrmooserin zu ihrer Kollektion ausgedacht hat, heißt "Limes - grow further". Es geht darum, über sich selbst hinauszuwachsen, Grenzen zu überschreiten. "Was einen dabei anspornt, ist die Sehnsucht", findet Anna. Im Moment sehnt sich die 22-Jährige vor allem nach Abwechslung: "Ich möchte die Welt sehen." Vor allem Asien. Und in Hongkong bekommt sie bestimmt die Möglichkeit, ihre eigenen Grenzen neu zu setzen.

© SZ vom 23.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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