Jahresrückblick 2022:Das sind die Menschen des Jahres

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Die Exil-Ukrainerinnen Oksana Bonauer-Morel (sitzend) und ihre Helferinnen. Von links: Julia Katanova , Viktoriya Lguynska und Oksana Romanenko. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Vier Menschen aus dem Landkreis Dachau, die 2022 Herausragendes geleistet, es an die Weltspitze geschafft haben oder nach langer Dienstzeit Abschied nehmen.

Von Ayça Balcı

Als der Krieg in der Ukraine ausbricht, wo sie früher zu Hause war, und dort plötzlich Bomben fallen, kann Oksana Bonauer-Morel nicht tatenlos zusehen. Die Kunstpädagogin und Inhaberin der Dachauer Akademie Bonauer organisiert einen Helferkreis. Zusammen stellen die Freiwilligen Spendensammlungen auf die Beine; ein Lagerraum des AEZ in Dachau wird kurzerhand zu ihrem Logistikzentrum, in dem Geflüchtete Kleidung, Lebensmittel oder Medikamente bekommen. In den ersten Kriegsmonaten organisiert die Dachauerin 25 Auto- und fünf Busfahrten, um Hilfsgüter in die Ukraine und Flüchtlinge in Sicherheit zu bringen. Später gibt Bonauer-Morel Geflüchteten Deutschunterricht und hält über eine Whatsapp-Gruppe Kontakt zu mehr als 700 ukrainischen Menschen im Landkreis. Vor 30 Jahren war die Kunstpädagogin nach Dachau gekommen, um die Stadt, die auch für ihre einstige Künstlerkolonie bekannt ist, durch Kunst wieder aufblühen zu lassen, wie sie selbst sagt. In diesem Jahr sorgte sie vor allem für ein Aufblühen der Hilfsbereitschaft im Landkreis.

Abschied nach 18 Jahren: Der Dachauer Polizeichef Thomas Rauscher wechselte in die Polizeiinspektion seines Heimatlandkreises Landsberg. Damit setzte er dem langjährigen Pendeln ein Ende. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Fast zwei Jahrzehnte lang war Thomas Rauscher Polizeichef in Dachau. Im November beendete er seine 18-jährige Amtszeit in der Dachauer Polizeiinspektion (PI) und wechselte in die PI Landsberg, wo der 55-Jährige zu Hause ist. Ermöglicht hat das ein außergewöhnlicher Stellentausch: an seine Stelle rückte der bisherige Polizeichef von Landsberg, Bernd Waitzmann. Kurz vor seinem Wechsel nach Landsberg ließ Rauscher seine Zeit in Dachau noch einmal Revue passieren, denn seit seinem Amtsantritt im Sommer 2004 ist im Landkreis Dachau viel passiert: Unter anderem ist er um 20 000 Einwohner reicher. Nicht vergessen wird der 55-Jährige insbesondere seine Einsätze in der KZ-Gedenkstätte mit prominenten Besuchen von der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel bis hin zum damaligen Vize- und heutigen US-Präsidenten Joe Biden sowie die Gespräche mit KZ-Überlebenden. Er nehme, so sagt er, bei seinem Abschied "ein Stück Zeitgeschichte mit".

Anna Schell auf dem Siegertreppchen bei der Wrestling European Championship 2022 in Budapest in der Gewichtsklasse bis 72 Kilo. (Foto: Kadir Caliskan/Imago/United World Wrestling)

Wie es ist, zu den Weltbesten einer Sportart zu gehören, weiß Anna Schell. Die 28-Jährige Dachauerin ist Ringerin und kämpft schon seit einigen Jahren an der Weltspitze - 2019 war sie schon einmal ganz nah am EM-Titel dran, am Ende wurde es Silber. Auch zwei WM-Bronzemedaillen hat Schell schon errungen. Dieses Jahr kam dann der Triumph: Schell holte im ungarischen Budapest den Europameistertitel in ihrer Gewichtsklasse. Es ist der erste EM-Titel im Ringen für die deutschen Frauen seit 15 Jahren. Wenn die gebürtige Aschaffenburgerin nicht gerade im Olympiastützpunkt in Freiburg oder in ihrem Verein SC Isaria Unterföhring trainiert oder in der Welt auf Turnieren unterwegs ist, arbeitet sie als Polizistin - unter anderem auch schon bei der Bereitschaftspolizei Dachau. Ihr nächstes große Ziel: die Olympischen Sommerspiele 2024 in Paris.

Hans-Günter Richardi hat die dunkle Geschichte Dachaus erforscht - gegen Angriffe von vielen Seiten. (Foto: Toni Heigl)

Kaum einer hat die Erinnerungskultur in Dachau so stark geprägt wie Hans-Günter Richardi. Der Journalist, der zu Beginn des Zweiten Weltkriegs geboren wurde und 1969 nach Dachau zog, machte die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit Dachaus zu seiner Lebensaufgabe. Er begann, die dunkle Geschichte der Stadt zu erforschen, als eigentlich niemand darüber sprechen wollte. Als einer der Ersten interviewte er ehemalige KZ-Häftlinge, um ihnen eine Stimme zu geben. Daraus entstand sein vielleicht wichtigstes Buch: "Schule der Gewalt. Die Anfänge des Konzentrationslagers Dachau". Darauf folgten 40 weitere Bücher. Auch in der Zivilgesellschaft engagierte er sich gegen das Vergessen und gründete 1981 den Verein "Zum Beispiel Dachau - Arbeitsgemeinschaft zur Erforschung der Dachauer Zeitgeschichte", den er viele Jahre lang leitete. In diesem Jahr wurde der 83-Jährige für sein Lebenswerk mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt.

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