Interview zum Dachauer Musiksommer:"Die Sportfreunde bekommt man vielleicht nur ein Mal im Leben"

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Von links nach rechts: Rüdiger Linhof, Florian Weber und Peter Brugger von der Indie-Rock-Band "Sportfreunde Stiller". (Foto: Ingo Pertramer)

Der Dachauer Musiksommer findet erstmals nach zwei Jahren ohne jegliche Beschränkungen durch Corona-Auflagen statt. Dennoch gibt es bei dem Festival gravierende Unterschiede zu früher. Das hat auch mit einem kleinen Wunder zu tun, auf das Dachaus Kulturamtsleiter Tobias Schneider mehr als zehn Jahre warten musste.

Interview von Gregor Schiegl, Dachau

Jetzt geht er wieder los, der "Dachauer Musiksommer". Am Freitag ist das vom Kulturamt der Stadt Dachau organisierte Festival gestartet. Erstmals nach zwei Jahren konnte die Auftaktveranstaltung "Jazz in allen Gassen" wieder stattfinden, bei der sich jedes Mal Tausende von Besuchern in der Altstadt tummeln. Und doch ist längst nicht wieder alles so wie vor Corona. Eine US-Band ist in diesem Jahr im Programm nicht vertreten, dafür gibt es beim traditionellen Barockpicknick im Hofgarten des Dachauer Schlosses zwei statt nur einem Konzert, und erstmals in seiner Geschichte dauert das Festival bis in den späten August, wenn auf der Thoma-Wiese bereits das Volksfest tobt. Was der Grund dafür ist, worauf sich die Besucher des Musiksommers besonders freuen können und worin diesmal die großen Herausforderungen der Planung bestanden haben, erzählt der Organisator, Kulturamtsleiter Tobias Schneider, im SZ-Interview.

SZ: Herr Schneider, was ist für Sie ganz persönlich der Höhepunkt dieses Musiksommers?

Tobias Schneider: Ich freue mich sehr, dass es mit den Sportfreunden Stiller geklappt hat, weil... Mmh, das wäre jetzt eine lange Geschichte...

Probieren wir es mit der Kurzversion.

Also, seit mehr als zehn Jahren schreibe ich immer wieder ihren Booker an: "Wie schaut's aus, machen die Sportis mal wieder was? Und wenn sie was machen, lass uns doch schauen, ob wir was beim Dachauer Musiksommer hinkriegen." Immer war die Antwort: "Nee, da gibt es noch keine Pläne." Es war schon so ein Ritual bei uns jedes Jahr im Herbst. Diesmal hieß es: "Ja, mmh, wir überlegen gerade..." Und dann kam tatsächlich die Anfrage: "Hey, wie schaut's im August aus?" - Es hat mich total gefreut, dass es nach mehr als zehn Jahren endlich geklappt hat und dass wir in Dachau es sind, die das Konzert im Münchner Raum bekommen - mit neuem Album, neuer Single - und das nach dieser langen Pause. Das ist schon etwas Besonderes. Der August ist zwar in Dachau Volksfestzeit und nicht gerade prädestiniert für ein Konzert, aber, hey, die Sportfreunde Stiller bekommt man vielleicht nur ein Mal im Leben.

Warum standen die "Sportis" so lange auf Ihrem Zettel?

Es gibt ein paar Bands aus dem Münchner Raum, die müssen einfach mal beim Dachauer Musiksommer spielen. Dazu gehörten für mich immer auch die "Sportfreunde Stiller".

Es gibt also eine Liste mit heißen Kandidaten. Wer steht da denn noch so alles drauf?

Ach, da gibt es schon immer zwei oder drei. Aber es ändert sich ja auch immer wieder, weil ständig neue Bands dazukommen.

Wie funktioniert die Auswahl der Bands für den Musiksommers, ganz praktisch?

Ich behalte die ganze Szene im Überblick und schaue, was sich da so in unserer Kragenweite bewegt. Mit 1500 Besuchern am Rathausplatz haben wir ein eher kleineres Festival. Eine Band, die in München 10 000 Leute zieht, könnten wir nicht bezahlen, und ja, dann gibt es so eine Liste von 20, 25 Ideen, die man immer mit sich herum trägt. Man muss natürlich auch immer auf eine gewisse Exklusivität achten: Deutschsprachige Künstler können auch an einem Ort hundert Kilometer entfernt spielen, aber wer in Dachau als internationaler Künstler spielt, kann nicht auch in München auftreten und umgekehrt, das würde nicht funktionieren. Und dann muss es natürlich auch noch zur Tourroute der Künstler passen.

Ólafur Arnalds ist auf Europa-Tournee - mit Stopp in Dachau. Glück gehabt, was?

Genau, das ist ein schönes Beispiel: Arnalds ist davor in Budapest und Wien, und nach Dachau geht es weiter nach Prag.

Schon witzig: Budapest, Wien, Prag und dazwischen Dachau. Das ist ja immer noch eine Kleinstadt.

Das ist ja auch genau das, was wir wollen: dass wir bei besonderen Bands und Künstlern in Deutschland nur einer von zwei, drei, Orten auf der Tour-Liste sind, das ist schon so ein bisschen unser Anspruch.

Hat der Musiksommer sich bereits einen Namen gemacht bei den einschlägigen Agenten?

Definitiv, die bayerischen Booker kennen den Dachauer Musiksommer inzwischen, man hört oft: "Ich war selber schon mal zum Konzert da." Über die Jahre ist das gewachsen, und es waren so viele bekannte Namen hier, dass wir als "das kleine Festival neben München" schon recht bekannt sind. Es ist zwar nicht so, dass wir ständig gezielte Anfragen bekämen, aber es kommt schon immer mal wieder vor.

"Im Wesentlichen wird 'Jazz in allen Gassen' genauso sein, wie es immer war": Kulturamtsleiter Tobias Schneider auf dem Rathausplatz, einem der Konzertorte. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Jetzt, wo es keine Corona-Beschränkungen mehr gibt, wäre doch eigentlich die richtige Zeit, um auf dem Dachauer Rathausplatz richtig Party zu machen? Das Programm klingt aber eher nicht danach.

Ólafur Arnalds wird sicher eines der ruhigsten und intimsten Konzerte, die wir haben werden. Er bewegt sich zwischen Neoklassik und elektronischer Musik. Bei ihm gibt es sehr feine Passagen, die er aber auch immer wieder zu sphärischen, kräftigen elektronischen Klängen aufschichtet. Arnalds ist mit einer relativ großen Besetzung in Dachau. Dass es ein rein instrumentales Konzert ist, ist natürlich ungewöhnlich, das wird ein ganz besonders Erlebnis werden, das sicher auch ein etwas anderes Publikum als sonst anziehen wird. Aber Jeremy Loops - der ist schon richtig Party, das unterschätzt man vielleicht. Er hat viele musikalische Einflüsse aus Südafrika und ist bekannt dafür, dass die Leute auf seinen Konzerten richtig abgehen.

Da habe ich auf Youtube offenbar die falschen Nummern angespielt.

Ja, vielleicht. Er ist in den vergangenen Jahren sehr bekannt geworden. In Südafrika ist er ein Nummer-Eins-Künstler, er hat sich aber auch speziell in Deutschland, den Niederlanden und in der Schweiz eine sehr große Fan-Gemeinde aufgebaut. So wie Tash Sultana, die auch als Straßenmusikerin angefangen hat und jetzt Konzerte in der Olympiahalle gibt. Diese Looping Artists (Die Musiker spielen Sequenzen ein, die als begleitende Untermalung in Schleifen wiederholt werden; Anm. d. Red.) sind schon ein besonderes Phänomen. Bei Jeremy Loops ist aber auch noch eine Band mit dabei.

Jeremy Loops hat einen Schweizer Pass. Für den großen Act aus Übersee war die Zeit anscheinend noch nicht reif?

Als wir im vergangenen Herbst unsere Planungen begonnen haben und selbst um Weihnachten herum war das alles noch zu unsicher. Viele amerikanische Bands haben ihre Touren bis März und sogar bis in den April hinein gecancelt, weil die Corona-Regelungen in Europa so uneinheitlich waren. Jetzt haben einige Künstler noch sehr kurzfristig Tour-Retouren angesetzt, aber da wären wir zu abhängig gewesen, auch von anderen Festivals. Das Ziel ist ja immer, dass wir das, was wir planen, dann auch tatsächlich durchziehen können. In den vergangenen zwei Pandemie-Jahren war das ja auch so.

Wie schwierig waren die Planungen diesmal?

Ich hatte schon die Hoffnung, dass alles wieder weitestgehend normal stattfinden kann, aber man plant trotzdem ein bisschen mit angezogener Handbremse. Was vielleicht auffällt: Die Rathauskonzerte sind diesmal ein bisschen auseinander gezogen und finden eher später im Sommer statt als in den Vorjahren, weil ich davon ausging, dass es im Mai, Juni vielleicht noch Einschränkungen geben könnte.

Jetzt, wo alle Beschränkungen gefallen sind, wollen alle wieder voll loslegen. Stehen Sie heuer als Veranstalter nicht in einem ungeheuren Wettbewerb?

Naja, die Schwierigkeit war eher, Künstler zu finden, die nicht schon zwei Shows in München im Verkauf hatten, da ist im Sommer eine unheimliche Dichte entstanden wegen der vielen verschobenen Konzerte, die jetzt nachgeholt werden. Zum Teil ist das schon ein Wahnsinn, wie das jetzt alles zusammenrückt.

Wie sieht es denn auf Seiten des Publikums aus? Werden Ihnen die Karten aus den Händen gerissen oder zögern die Leute im Jahr drei der Pandemie noch?

Es ist schon noch eine Zurückhaltung spürbar, das höre ich auch von vielen Veranstaltern hier in Dachau. Trotzdem, es läuft gut, und sicher werden auch alle Konzerte gut besucht sein, aber es ist jetzt nicht so, dass wir aus dem Stand ausverkauft gewesen wären. Es gibt für alle Konzerte noch Karten, die "Sportfreunde Stiller" werden vielleicht in zwei, drei Wochen ausverkauft sein und das zweite Barockpicknick mit Garou auch, da gibt es nur noch 200 von 1000 Tickets.

Zwei kleinere statt einem großen Barockpicknick - wird diese Neuerung aus der Corona-Zeit bestehen bleiben?

Die zwei Konzerte mit unterschiedlichen Musikrichtungen und jeweils nur 1000 Besuchern haben sich bewährt: Die einen mögen lieber Pop, die anderen Klassik. Die Zeiten, in denen sich mehr als 2000 Leute im Hofgarten getummelt haben, sind vorbei, das war dann teilweise auch gar nicht mehr so gemütlich. Es soll ja nicht immer neue Besucherrekorde geben, es soll schön werden für die Leute.

Das Programm des Musiksommers 2022: Auf dem Rathausplatz spielt Ólafur Arnalds am Dienstag, 28. Juni, 20 Uhr; Barockpicknick im Hofgarten ist am Freitag, 28. Juli, mit Passo Avanti (Klassik) und am Samstag, 29. Juli, mit Garou (Akustik-Pop) , jeweils von 20 bis 23 Uhr, Einlass 19 Uhr; Jeremy Loops tritt am Sonntag, 31. Juli, um 20 Uhr auf und die Sportfreunde Stiller am Samstag, 20. August, um 19.30 Uhr. Vorverkauf für alle Karten über München Ticket .

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