Hoftheater Bergkirchen:Unser Schikaneder

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Herbert Müller hat in seinem Leben als Schauspieler und Regisseur viele Stationen durchlebt - im Hoftheater fühlt er sich angekommen.

Dorothea Friedrich

- Vor einigen Wochen gab es im Hoftheater Bergkirchen eine erhellende Lesung. Unter dem Titel "Der Prinzipal und seine Flöte" erzählten Theaterleiter Herbert Müller und Ensemblemitglied Janet Bens aus dem Leben von Emanuel Schikaneder, diesem genialischen Sänger, Schauspieler, Dichter, Regisseur und Theaterdirektor. Angesichts der partiell geradezu diebischen Freude, welche die beiden an den Schnurren und Dramen rund um den Librettisten von Mozarts Zauberflöte hatten, drängte sich unwillkürlich der Gedanke auf: Was verbindet das Hoftheater mit Schikaneder, und wie überlebt so ein kleines, privates Theater, wenn doch landauf, landab Theater mit brutalen Kürzungen leben müssen, Spielpläne reduzieren und Schauspieler von festen Engagements nur noch träumen können?

Eine Antwort liegt in der Person Müllers begründet, der sich in Sachen Theaterbesessenheit durchaus mit Schikaneder messen kann. Der heute 64-Jährige wurde in Nürnberg geboren und wollte immer Schauspieler werden. Dafür wollte er sogar vorzeitig vom Gymnasium abgehen. Doch aus den Plänen wurde zunächst einmal nichts. Abitur und Studium folgten. "Und dann wollte ich plötzlich gar kein Schauspieler mehr werden", sagt er mit dem typischen Müller-Grinsen. Doch das Theater war und blieb seine Welt, formte den Mann so, wie er selbst für das Hoftheater die Stücke formt, sprich bearbeitet.

2002 übernahm er die Neue Werkbühne München, ein etwas in die Jahre gekommenes Tourneetheater für Schulen, das seinerzeit noch in Villingen-Schwenningen beheimatet war. Warum tut sich ein Mann mit Mitte Fünfzig das an? Schließlich hatte Müller damals schon Jahrzehnte lange Erfahrungen als Regisseur, Chefdramaturg, Oberspielleiter und Leiter diverser Stadttheater. Nicht zu vergessen, die noch längere Erfahrung als Schauspieler. "Weil man älter wird und gerne was hätte, womit man 80 wird", antwortet Müller. Auch, weil er den ständigen Kampf mit den städtischen Institutionen satt hatte, wie er erzählt.

Ein Sprung ins kalte Wasser also. "Ja", sagt Müller, aber auch die Sehnsucht, "so Theater zu machen wie Molière und Schikaneder". Was für Müller heißt: "Nicht diese getrennten Abteilungen von Bühne und Schreibtisch, sondern Theater im umfassenden Sinn." Eine Maxime, die auch für die Künstler des Hoftheaters gilt. Sie müssen, um es neudeutsch auszudrücken, multitaskingfähig sein, kümmern sich um die Website, die Requisiten, sind nebenher noch Disponenten. "Das tut den Menschen nicht schlecht. Es bringt Mitverantwortlichkeit. Deshalb spielt hier jeder nicht für sich, sondern für das Theater." Aber er weiß auch: "Anders ginge es gar nicht." Und anders will er es auch nicht.

Denn wenn er mal wieder auswärts eine Inszenierung übernimmt, sei er schon ab und an genervt, worüber dort diskutiert wird. "Dieses Kleinklein gibt es bei uns nicht", sagt er ganz zufrieden. Und ist glücklich mit der kleinen Bühne im Hoftheater, mit den Unzulänglichkeiten von Schulaulen, mit den 130 Hoftheater-Vorstellungen und mit den 70 Tourneen, die das Theater zudem absolviert - und sogar mit dem ständigen Existenzkampf.

Den empfindet Müller aber nicht als bedrohlich. Er sagt zumindest: "Die Zuversicht hat sich gefestigt." Die Zuschüsse des bayerischen Kultusministeriums, des Bezirks Oberbayern, des Landkreises Dachau und nicht zuletzt der Gemeinde Bergkirchen bezeichnet er als "eine Rückversicherung, sonst ginge gar nichts". Doch es sei schon ein Ringen gewesen, bis die Zuschussgeber eingesehen hätten, dass ein Tourneetheater, eben die Neue Werkbühne München, einen Fixpunkt brauche. Der ist das Hoftheater Bergkirchen im Stadel eines Bauernhofs, das es seit 2005 gibt. Denn: "Ein Theater kann draußen nur gut sein, wenn es ein Zuhause hat."

In diesem Zuhause gibt es eine im besten Sinne bunte Mischung von Werken klassischer und zeitgenössischer Autoren, von Komödien, Dramen, Musikstücken, Theater für Kinder und Lesungen, in denen Müller immer wieder Haupt- und Nebenrollen einnimmt: Als Doolittle in "My Fair Lady" brachte er das Publikum zum Toben, als Mephisto in Goethes Faust setzte er sehr eigene Akzente und als Miranda in "Der Tod und das Mädchen" spielte er mit den Nerven seiner Zuschauer.

Und wie kommt diese Auswahl des Programms zustande? Müller: "Ganz altmodisch, so wie ich es in Regensburg vom damaligen Chefdramaturgen gelernt habe." Zuerst kommt das, was sein muss: "Komödie, Schauspiel, Musiktheater und etwas für die Jugend." Dann sagt sich Müller: "Was möchte ich?" Und schließlich gibt es noch - das ist wohl ein Hoftheater-Spezifikum - die dringenden Wünsche der Darsteller, beispielsweise nach so aufwühlenden Stücken wie "Der Tod und das Mädchen". Dann kommt der Erfolg anders, als man denkt. Erst geht nichts. "Doch plötzlich fragen die Schulen danach, warum auch immer."

Und wie steht es um den Nachwuchs? Müllers Sätze werden zu einer Kaskade aus Ausrufezeichen der Sorge: "Für die Jungen ist es eine Chance, bei uns zu spielen mit all den unterschiedlichen Rollen." - Atempause: "Und gleichzeitig kleben sie hier fest." Denn: "Es gibt für sie einfach keine Stellen mehr!" Und dann schaut er quasi auf sich, auf sich als altgedienter Theatermann, und weiß für sich selbst: "Du bist auf dem richtigen Weg mit diesem Team, mit diesem Theater und an diesem Ort, so hart der Weg auch oft ist."

© SZ vom 20.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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