Hoftheater Bergkirchen:Die Wahrheit lauert am Grab

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Herbert Müller und Jürgen Füser finden in "Halpern & Johnson" am Hoftheater Bergkirchen nicht nur heraus, dass sie die Zuneigung zur gleichen Frau teilten. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Wenn zwei alte Herren mit feinem Witz in den Abgründ stürzen: Das Hoftheater Bergkirchen zeigt "Halpern & Johnson" und kokettiert mit dem Frauenbild vom Heimchen am Herd.

Von Dorothea Friedrich, Bergkirchen

Es ist schon ein ziemlich seltsames Paar, das sich auf der Bühne des Hoftheaters umkreist, belauert, sich nähert und wieder zurückzieht. Die aktuelle Inszenierung dieses "Theaterstücks für zwei alte Herren" von Lionel Goldstein ist in der Übersetzung von Ulrike Syha wunderbar geschliffen, ein wenig nostalgisch in der Wortwahl, meist distinguiert und, wo es angebracht ist, direkt und überdeutlich. Schon alleine das macht die Inszenierung von Ulrike Beckers in dem von ihr geschaffenen puristischen Bühnenbild zum Vergnügen. Doch was wäre Sprache ohne Sprecher? Herbert Müller und Jürgen Füser spielen - nein, sie sind "Halpern & Johnson", so der Titel des Stücks, das mit feinem Witz die beiden alten Herren in seelische Abgründe stürzt und ihnen auch wieder heraushilft. Waren Halpern (Herbert Müller) und Johnson (Jürgen Füser) doch zeitlebens in die gleiche Frau verliebt (Johnson) beziehungsweise mit ihr verheiratet (Halpern). Nun treffen sie sich - mehr oder weniger zufällig? - an deren Grab. Der etwas tüttelig vor sich hin tapsende und ab und an zufrieden lächelnde Joseph Halpern ist mit ökologisch korrekter Holzkiste, Gießkanne und einsamem Pflänzchen ausgestattet. Er ordnet die vor sich hin welkenden Blumen auf dem Grab seiner Frau Florence. Herbert Müller spielt diesen selbstzufriedenen alten Mann mit Baskenmütze, Rollkragenpulli und Trenchcoat so überzeugend, dass bisweilen schon ein arrogantes Augenrollen reicht, um seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen.

Sein im weiteren Verlauf der Handlung noch öfter zutage tretendes cholerisches Temperament bricht sich Bahn, als ein ihm unbekannter Mann sich erdreistet, ebenfalls am Grab seiner Frau eine Schale voller blühender Blumen abzustellen. Mit geradezu kriminalistischem Geschick entlockt er Dennis Johnson das eine oder andere bislang wohlgehütete Geheimnis. Jürgen Füser macht aus dem "vereidigten Buchprüfer" Johnson im Rentnerlook mit brauner Strickjacke, hoch geschlossenem Hemd und Schirmmütze einen liebenswerten, älteren Herrn mit vornehm-zurückhaltender Attitüde, der angesichts der Blasiertheit seines Gegenübers nur selten die Geduld verliert. Und Halpern? Seine Welt bricht zusammen. War doch Johnson einst "das Liaison-Ding" seiner Florence und blieb auch nach der Heirat mit Halpern ihr Freund, den sie fünfzig Jahre lang regelmäßig traf. "Eine Beziehung, die von äußerster körperlicher Enge war, erfuhr eine grundlegende Veränderung", so Johnson. Mehr noch als die fast masochistisch herausgekitzelten Details dieser Beziehung erschüttert den Ehemann jedoch die Erkenntnis, dass seine Frau so viele ihm unbekannte Seiten mit Johnson teilte, sich für Politik, Kunst und noch mehr interessiert hatte. "Ich brauche ein zweites Leben, um über all das nachzudenken", seufzt er. Bekommt er aber ebensowenig wie Johnson, der im Lauf des turbulenten Geschehens auch einiges einstecken muss. Für beide ist es eine bittere Erkenntnis, dass Frauen nicht so sind, wie sich das die Möchtegern-Herrn der Schöpfung im Geiste zurecht gezimmert haben.

Cellistin Michelle Keller ließ Klassiker und Evergreens in den Zuschauerraum perlen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Man darf allerdings nicht vergessen, dass dieses Stück bereits 1984 uraufgeführt worden ist. Da war das "Heimchen am Herd-Bild" noch sehr viel mehr in den Köpfen als heutzutage. Das war für Regisseurin Beckers womöglich ausschlaggebend, die Frauen in den verbalen Duellen von Halpern und Johnson gewissermaßen zu Wort kommen zu lassen: durch eine besondere Betonung, durch Gesten, durch Blicke, ja durch die ganze Körpersprache der beiden Männer und durch die Musik. Cellistin Michelle Keller ließ Klassiker von Händel, Mendelssohn Bartholdy oder Evergreens in den Zuschauerraum perlen - wie Gesprächsfetzen, denen die Männer auf der Bühne nicht so recht folgen wollten oder die sie schlicht ignorierten, so wie sie es mit den verborgenen Sehnsüchten und Wünschen ihrer Ehefrauen getan hatten. Florence und Johnsons Ehefrau Ellen werden so im Kopfkino zu den wahren Heldinnen dieser Geschichte. Sie haben es geschafft, trotz oder gerade wegen der gesellschaftlichen Einschränkungen ihrer Zeit ein eigenes, unabhängiges Leben zu leben. Was aber machen Halpern und Johnson? Das Beste aus der absurden Situation: Sie hoffen auf den Beginn einer wunderbaren Freundschaft.

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