Kirchenmusik:In ungeschwächter Frische

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Konzertmeister Eugen Tluck spielt im Vorprogramm das Viola-Solo. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die "Mariazeller Messe" von Joseph Haydn war lange in Vergessenheit geraten. In Haimhausen kommt sie durch das Chorensemble "Stimmbruch" zu einer wahrhaft großartigen Aufführung.

Von Adolf Karl Gottwald, Haimhausen

Als die katholische Messe noch nach dem lateinischen Ritus gelesen wurde und die katholische Kirchenmusik in hohem Ansehen stand, war die "Mariazeller Messe" von Joseph Haydn wohlbekannt und wurde häufig aufgeführt. Nachdem Papst Franziskus der lateinischen Messe endgültig den Garaus gemacht hat, ist das alles vorbei und eine 700-jährige Tradition mit Tausenden von Vertonungen des liturgischen Textes Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus, Benedictus und Agnus Dei abgebrochen. Umso erfreulicher ist es, dass in der Pfarrkirche St. Nikolaus in Haimhausen jetzt die einst berühmte Mariazeller Messe für vier Gesangssolisten, Chor und Orchester im Rahmen eines geistlichen Konzerts zu einer wahrhaft großartigen Aufführung kam.

Mariazell ist der berühmteste Wallfahrtsort Österreichs, etwa so bedeutend wie in Bayern Altötting und Andechs zusammen. Joseph Haydn ist schon als Wiener Sängerknabe nach Mariazell hinauf gepilgert und hat dort in einer Messe zum Erstaunen der Geistlichkeit Sopransolo gesungen. Seine Mariazeller Messe hat damit allerdings nichts zu tun, sondern war Auftrag eines Edlen von Kreutzner, Militär-Verpflegs-Oberverwalter. Da war wohl Geld da.

Das Chorensemble "Stimmbruch" zusammen mit dem Petershausener Kammerorchester. (Foto: Haimhauser Kulturkreis)
Das geistliche Konzert in der Pfarrkirche St. Nikolaus in Haimhausen ist gut besucht. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Für eine Aufführung in der heutigen Zeit reicht Geld nicht, dazu braucht es vor allem einen gut geschulten und außerordentlich engagiert singenden Chor. In Haimhausen gibt es so etwas, es ist das Chorensemble mit dem Namen "Stimmbruch", das in Wirklichkeit ein von Marja-Leena Varpio hervorragend geschulter und - was noch wichtiger ist - ein begeistert singender Chor ist. Das muss aber auch sein, denn Joseph Haydns "Mariazeller Messe" hat nicht nur Glanz, Schwung und Frische, sie ist auch schwer zu singen und zu gestalten. Welch intensive Probenarbeit der Aufführung vorausging, kann man deshalb nur ahnen.

Marja-Leena Varpio ist aber nicht nur Chorleiterin, sondern vor allem selbst Gesangssolistin. Da Joseph Haydn in dieser Messe unter den Gesangssolisten dem Sopran die führende Rolle übertragen hat, war sie auch hier in Haimhausen die erste Solistin. Neben ihr hatte nur der Tenor (Christian Bauer) schöne Solostellen, während Alt und Bass von Haydn stiefväterlich behandelt wurden.

Ein Abend voller musikalischer Raritäten

Dass die Mariazeller Messe in Haimhausen in ungeschwächter Frische erklang, ist nicht zuletzt das Verdienst des Kirchenmusikers Michael Pfeiffer, der sie sehr präzise und ausgesprochen straff dirigierte. Man hat in einer Zeit, als Kirchenmusik vor allem langweilig sein musste, um als der Liturgie angemessen zu erscheinen, Joseph Haydns Messen als oberflächlich und unangemessen heiter abgetan. Davon war in dieser glanzvollen Aufführung nichts zu spüren. Das war Glanz und Feststimmung wie es zu einem katholischen Hochamt an einem Festtag gehört.

Das begleitende, an diesem Glanz nicht unwesentlich beteiligte, Orchester war das von Eugen Tluck als Konzertmeister angeführte Petershausener Kammerorchester. Eugen Tluck trat im Vorprogramm auch als Solist auf und spielte in einem Konzert für Orgel, Viola und Streicher von Johann Michael Haydn das Viola-Solo. Dieses Konzert war eine wunderbare Entdeckung, denn es wird so gut wie nie gespielt. Aber wo gibt es auch einen Viola-Spieler, der so erfahren und vielseitig ist wie Tluck? Anna Nam-Winkler war eine gleichgestimmte Solistin an der Orgel.

Vor dieser musikalischen Rarität wurden die Zuhörer in der voll besetzten Kirche mit der dorischen Toccata für Orgel von Johann Sebastian Bach und einem Konzert für zwei Trompeten (Anton Rast und Uwe Baumer) und Orgel (Michael Pfeiffer) des italienischen Bach-Zeitgenossen Francesco Manfredini festlich auf den grandiosen Konzertabend eingestimmt.

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